Ab 85 Dezibel können körperliche Schäden auftreten.

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Doch auch permanente "leisere Störungen" können zu gesundheitlichen Schäden führen.

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Wieso können Menschen laute Konzerte genießen, empfinden aber etwa das Klappern von Türen in einem Großraumbüro als empfindliche Störung beim Arbeiten? "Lärm ist vor allem Schall, der stört", sagt Brigitte Schulte-Fortkamp im Gespräch mit derStandard.at. Sie forscht an der Technischen Universität in Berlin unter anderem zu den Bereichen Lärm, Psychoakustik und Soundscape. Anlässlich des internationalen Tags des Lärms am 24. April berichtet sie von biologischem, individuellem und kulturellem Lärmempfinden.

Die physikalische Messung von Geräuschen dient dabei nur als Ergänzung zu ihren Untersuchungen. Es geht vor allem um die subjektive Wahrnehmung und Bewertung der "Klangräume", die uns umgeben. Nuancen entscheiden darüber, ob wir uns noch wohl oder bereits gestört fühlen. So kann der tropfende Wasserhahn in der Nacht den Schlaf rauben, das rauschende Meer hingegen beruhigen. "Die Belastung durch Lärm kann von Stress bis hin zum Kranksein reichen", sagt die Wissenschafterin.

Ab 150 Dezibel irreparable Schäden

Denn Lärm erzeugt Stress, der wiederum Reaktionen im Organismus auslöst. Das kann sogar Störungen von Herztätigkeit, Verdauung und Blutdruck hervorrufen. "Alles über 85 Dezibel kann zu einer Schädigung des Gehörs und der Gesamtgesundheit führen", erläutert die Forscherin. Die Schmerzgrenze liegt bei einem gesunden Gehör bei 130 Dezibel. Ab 150 Dezibel können innerhalb weniger Sekunden irreparable Schäden entstehen.

Laut WHO stellt Lärm bereits eine der größten Gesundheitgefährdungen für Menschen dar. Der Gesetzgeber misst in Dezibel die Lautstärke, die zu körperlichen Schäden führen kann. Doch auch leise Töne können langfristig zu gesundheitlichen Schäden führen.

Lärm ist eine subjektive Angelegenheit

Abgesehen von lauten Tönen, die den Körper schädigen, sind die Toleranzgrenzen von Menschen unterschiedlich: Denn das Lärmempfinden jedes Menschen ist anders. Es komme auch auf den gesellschaftlichen Kontext an, sagt Schulte-Fortkamp, die auch am MIT in Boston sowie in Paris und Osaka lehrt. Vor allem in Japan nahm sie eine andere Geräuschkulisse wahr: "Es dominieren oft hell klingende Töne, die dort in den Bereich des Wohlklangs fallen. In Deutschland oder Österreich könnte das aber als störend empfunden werden."

Die Statistik Austria erhob im Rahmen des Mikrozensus, wie sehr sich die Österreicher durch Lärm belästigt fühlen: Weit mehr als ein Drittel der Befragten litten in ihrer eigenen Wohnung unter Lärm. Mehr als zehn Prozent sprachen sogar von einer starken bis sehr starken Störung. Hauptgrund war für zwei Drittel der Verkehr, aber auch Geräusche aus der Nachbarschaft sorgen für Unmut.

Für die Stadt Wien gibt es ebenfalls Daten: Elf Prozent der Bewohner sind regelmäßig von einem Lärmpegel von mehr als 70 Dezibel betroffen, informiert die Wiener Umweltschutzabteilung MA 22. Dieser Wert entspreche dem typischen innerstädtischen Straßenverkehr.

Die Welt wird immer lauter

Die Maßnahmen, um Menschen vor zu viel Lärm zu schützen, werden permanent ausgebaut. Dazu zählen etwa Lärmschutzwände, der Einbau von Schallschutzfenstern oder die vermehrte Einrichtung von mehr Tempo-30- oder Fußgängerzonen.

Trotzdem liegt die Belastung durch Lärm im Stadtgebiet noch immer weit über den angestrebten Grenzwerten. "Eigentlich hätte es ja leiser werden müssen, da an den Quellen der Lärmverursachung gearbeitet wurde. Doch die starke akustische Umweltverschmutzung steigt", sagt Schulte-Fortkamp. Und das liege vor allem an der steigenden Mobilität, die sich besonders durch zunehmenden Auto- und Flugverkehr bemerkbar mache. (Julia Schilly, derStandard.at, 24.4.2013)