In einem Passivhaus war die Internationale Passivhaustagung noch nie zu Gast - weil es noch kein Passivhaus-Kongresszentrum gibt. Auch das Congress Center der Messe Frankfurt ist kein solches, auch wenn sich die Stadt "Passivhaus-Hauptstadt" nennt.

Foto: Putschögl

Dort darf man sich dann auch zu Recht als "Passivist" deklarieren.

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Mehr als 45.000 Passivhäuser soll es weltweit bereits geben. Auch wenn sich ein großer Teil davon in Deutschland und Österreich befindet, so wird die "Bewegung", die der Bauphysiker Wolfgang Feist Anfang der 1990er-Jahre ins Leben rief,  immer breiter: Auf der mittlerweile 17. Internationalen Passivhaustagung, die am vergangenen Wochenende in Frankfurt/Main stattfand, wurden Vertreter aus 47 Länder begrüßt. Auf der Passivhaus-Weltkarte verschwanden damit wieder ein paar weiße Flecken.

In Portugal etwa wurde erst im vergangenen März das erste Passivhaus – ein Zweifamilienhaus in Ilhavo, etwa 50 Kilometer südlich von Porto – fertiggestellt. Es kostete fünf Prozent mehr als ein herkömmlicher Bau, berichteten die Planer João Marcelino und João Gavião – und dies, obwohl erst nach Beginn der Bauphase entschieden wurde, das Gebäude in Richtung Passivhaus zu adaptieren. Mit der richtigen Planung von Beginn an könnten die Mehrkosten weiter dezimiert werden, waren sich die beiden sicher.

Hundehotel in Portugal

Und sie haben sozusagen Lunte gerochen: Jetzt wollen Marcelino und Gavião als nächstes unter anderem ein Bürogebäude und ein Gemeindezentrum sowie ein Hundehotel (!) bauen. Im vergangenen November gründeten sie jedenfalls schon einmal die "Associação Passivhaus Portugal" (PHPT), die nun auch lokaler Partner der "International Passive House Association" (iPHA) ist.

In dieser iPHA  sind mittlerweile Organisationen aus 31 Ländern vertreten, die meisten aus Europa. Für Österreich werden die "IG Passivhaus Austria" und die "IG Passivhaus Tirol" als Partner genannt.

Fenster aus Deutschland

In Frankfurt wurde aber auch von ersten Erfahrungen mit dem Passivhaus etwa in Neuseeland berichtet. Dort stellte man in der Hauptstadt Auckland im Juli 2012 das erste zertifizierte Passivhaus fertig, nachdem kurz zuvor Erfahrungen mit einem sogenannten "eHaus"-Prototypen gesammelt wurden. Dieses erreichte mit einem Heizwärmebedarf von 22,5 kWh/m²/Jahr einen guten Niedrigenergiehaus-Standard.

Noch heuer sollen weitere fünf Passivhäuser fertig werden, allein auf der Nordinsel Neuseelands, auf der Auckland liegt, sind derzeit sieben in Bau. Die Errichtungskosten liegen noch um 10 bis 15 Prozent über der herkömmlichen Bauweise, was zum einen an den bisher allgemein sehr niedrigen Baustandards liegt, zum anderen konkret daran, dass die wichtigsten Bestandteile, nämlich Fenster und Wärmepumpen, aus Deutschland importiert werden müssen.

Wachsende Datenbank

Dass man im Herkunftsland dieser Komponenten schon um Eckhäuser weiter ist, ist ganz entscheidend Wolfgang Feist zu verdanken. Er hat 1996 das Passivhaus Institut (PHI) in Darmstadt gegründet, das seither die Standards setzt, Zertifizierungen durchführt und mit dem laufend erweiterten "Passivhaus Projektierungs-Paket" (PHPP) ein wichtiges Planungswerkzeug für Architekten und Ingenieure bereithält. Seit Feist 2008 Professor an der Universität Innsbruck wurde, hat das Passivhaus Institut übrigens auch dort einen Standort.

Der "Passivhaus-Erfinder", der Anfang der 1990er-Jahre in Darmstadt das erste Demonstrationsprojekt umsetzte, berichtete auf der Tagung, dass im vergangenen Jahr nicht weniger als 123 Komponenten neu zertifiziert wurden und die Datenbank der vom PHI zertifizierten Bauteile bereits 450 Produkte umfasst. Bei den Fenstern, die im Passivhaus üblicherweise eine dreifache Verglasung aufweisen müssen, habe es zuletzt einen regelrechten "Quantensprung" gegeben, außerdem gebe es seit kurzem auch Passivhaus-zertifizierte Lüftungsgeräte mit Feuchte-Rückgewinnung speziell für humide Klimazonen.

Hauptstadt Frankfurt

Dass die internationale Tagung zum bereits zweiten Mal (nach 2009) in Frankfurt stattfand, hatte laut Planungsdezernent Olaf Cunitz  einen Grund: Die Main-Metropole sei mit insgesamt rund 300.000 Quadratmetern an Gesamtnutzfläche die "Passivhaus-Hauptstadt", keine andere deutsche Stadt habe bezogen auf die Einwohnerzahl mehr Passivhäuser. "Und wir wollen und werden unsere Spitzenposition weiter ausbauen", sagte Cunitz.

Tatkräftig unterstützt wird die Stadt dabei von ihrem eigenen Tochterunternehmen, der ABG Holding. "Wer neu baut, sollte am Passivhaus-Standard nicht vorbeikommen", sagte deren Chef Frank Junker. Rein formal kann er das zwar gar nicht, weil sich Frankfurt schon 2007 als erste Stadt Deutschlands einer Passivhaus-Deklaration verschrieb: Alle neuen Gebäude im Einflussbereich der Stadt müssen seither als Passivhaus realisiert, Ausnahmen gut begründet werden. Junker würde aber auch gar nicht anders bauen wollen, daran ließ er keinen Zweifel. Er verdiene gutes Geld mit den Passivhäusern, die Wohnungen seien ihm in letzter Zeit "förmlich aus der Hand gerissen worden", sagte er.

Höhere Bau-, geringere Heizkosten

2.000 Passivhaus-Wohneinheiten hat die ABG bisher fertiggestellt, die Mehrkosten gegenüber der herkömmlichen Bauweise bezifferte er auf fünf bis sieben Prozent. Dafür können sich auch die Heizkosten sehen lassen: Die Bewohner einer 107 Quadratmeter großen ABG-Wohnung im Stadtteil Bockenheim kamen im letzten Winter auf nur noch sechs bis acht Euro – pro Monat, für die ganze Wohnung.

Diese geringen Heizkosten haben mittlerweile sogar zu einer Gesetzesänderung geführt, erzählte Junker: Weil das genaue Aufschlüsseln der Kosten schon teurer kam als das Heizen selbst, müssen in Hessen heute in Gebäuden mit einem Heizwärmebedarf von maximal 15 kWh pro Quadratmeter und Jahr keine Einzelabrechnungen mehr ausgewiesen werden; ein Pauschalbetrag ist die wirtschaftlichere Variante.

Passivhaus-Spital

Die "Wirtschaftlichkeit" war auch Feists wichtigste Botschaft heuer. Das Passivhaus mache die Energiewende zu einem Geschäft, wurde er nicht müde zu betonen; die bisher realisierten Projekte würden das immer wieder beweisen. Dass sich die deutsche Regierung zuletzt davon nicht beeindrucken ließ und in ihrer neuen Energie-Einsparverordnung (EnEV) nur den Niedrigenergie-, aber nicht den Passivhaus-Standard für neu errichtete Bauten festschrieb, führte Feist einerseits selbstkritisch auf mangelhafte Überzeugungsarbeit hin, andererseits vermutete er dabei auch undurchsichtige Lobby-Vorgänge am Werk.

An solchen Hürden könnte auch das aktuell größte Passivhausprojekt Frankfurts eventuell noch scheitern: der Neubau des Klinikums im Stadtteil Höchst. Gemäß den städtischen Richtlinien muss das 850-Betten-Haus natürlich ebenfalls als Passivhaus ausgeführt werden. Weil die veranschlagten Kosten allerdings zuletzt von 140 auf 200 Millionen Euro gestiegen sind, entflammte eine Debatte darüber, ob der Passivhausstandard wirklich notwendig sei.

Österreich nur am Rande Thema

Den knapp 50 Teilnehmern aus Österreich, das ja ebenfalls als Pionierland der Passivhausszene gilt, ist diese Diskussion gut bekannt. Hierzulande werden die Kritiker des Passivhauses immer lauter, gerade auch jene aus den Reihen der Politik. Vor dem Hintergrund steigender Preise und sinkender Budgets müsse man die Baukosten niedrig halten, heißt es etwa aus den Kreisen der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft immer öfter. Aus denselben Gründen gilt auch der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig nicht gerade als bedingungsloser Verfechter des Passivhauses.

Wien hat nun mit dem Raiffeisen-Büroturm am Donaukanal zwar das höchste Passivhaus der Welt, worauf Wolfgang Feist am Ende der Passivhaustagung auch explizit hinwies; die österreichische Bundeshauptstadt war aber ansonsten kaum Thema auf der Tagung. Bekanntlich rühmt sich die Stadt, mit dem "Eurogate" auf den Gründen des ehemaligen Aspanger Bahnhofs im 3. Bezirk gerade die größte Passivhaussiedlung Europas zu errichten - doch dieser Titel dürfte nicht mehr lange zu halten sein, denn die deutsche Universitätsstadt Heidelberg baut gerade einen gesamten 116 Hektar großen Stadtteil in Passivhausqualität. 

Tagung 2014 in Aachen

Etwas mehr geredet wurde da schon über Tirol; das westliche Bundesland wurde gemeinsam mit der Region Brüssel und der Stadt Hannover als Vorbildregion präsentiert, weil es hier seit mehreren Jahren starken Rückhalt aus der Politik für das Passivhaus gebe und dementsprechend große Fortschritte gemacht worden seien - etwa mit dem "Lodenareal" der Neuen Heimat Tirol in Innsbruck. In der Landeshauptstadt fand 2011 übrigens auch die letzte Internationale Passivhaustagung auf österreichischem Boden statt, nach Bregenz (2007 und 1999) und Krems (2004).

Bemühungen, die Tagung auch einmal nach Wien zu bekommen, gibt es - vorerst sind sie aber gescheitert: Im April 2014 wird Aachen (Nordrhein-Westfalen) Austragungsort sein, das gab Feist zum Schluss der diesjährigen Veranstaltung bekannt. Dort wird übrigens schon seit den frühen 1970er-Jahren an den gut gedämmten Häusern, denen Feist später den Namen "Passivhaus" geben sollte, geforscht. (Martin Putschögl, derStandard.at, 22.4.2013)