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Giorgio Napolitano, Präsident.

Foto: AP/Medichini

Giorgio Napolitano gilt als Grandseigneur der italienischen Politik. Sein Beliebtheitsgrad bei der Bevölkerung erreicht fast 90 Prozent. Er gilt als Mann des Ausgleichs und des Dialogs, der die Parteien unermüdlich zu Reformen im Geist der Verfassung mahnt.

Das war nicht immer so. Nach seinem Eintritt in die Kommunistische Partei Italiens im Jahr 1945 warfen ihm politische Gegner vor, er verharmlose die Verbrechen des Stalinismus. 1956 rechtfertigte der aus Neapel stammende Jurist die Niederschlagung des ungarischen Aufstandes durch die Sowjetunion, eine Einschätzung, die er später berichtigte und als Fehler eingestand. Als offizielle Wiedergutmachung legte er bei einem Staatsbesuch 2006 einen Kranz am Grabmal von Imre Nagy und am Denkmal für die Gefallenen der Revolution nieder.

In seiner Eigenschaft als außenpolitischer Sprecher der Partei geriet der Abgeordnete oft mit den eigenen Funktionären aneinander, da er entschieden für eine Anlehnung seines Landes an die USA eintrat. "Wir müssen der Versuchung widerstehen, die Vereinigten Staaten von Amerika zum Schreckgespenst der Linken zu machen", forderte er auf dem Parteitag 1991. Den Einmarsch der Sowjets in Afghanistan verurteilte, das Eingreifen der Amerikaner und ihrer Koalition im irakisch-kuwaitischen Krieg verteidigte er.

40 Jahre im Parlament

Der Vater zweier Söhne hielt bereits in den 70er-Jahren zahlreiche Vorträge an amerikanischen Universitäten und war das einzige führende Mitglied der Kommunistischen Partei, das gut Englisch sprach. Dem römischen Parlament gehörte er mit kurzer Pause in Straßburg von 1953 bis 1996 an.

1992 wurde er zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer gewählt, 1996 als erster Postkommunist zum Innenminister ernannt. Im Mai 2006 wurde Napolitano, der in Kürze sein 88. Lebensjahr vollendet, mit knapper Mehrheit zum Staatspräsidenten gekürt.

Der greise Staatschef gilt als einzige Integrationsfigur des politisch tief gespaltenen Landes. Nach seiner Wiederwahl dauert die Amtszeit offiziell bis 2020. Es wird jedoch damit gerechnet, dass der Staatspräsident bestenfalls noch ein bis zwei Jahre im Amt bleiben wird.

Verheiratet ist Napolitano seit 1959 mit Clio Maria Bittoni. Die beiden lernten sich beim Studium an der Universität Neapel kennen und haben zwei Söhne, Giovanni und Giulio. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 22.4.2013)