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Elisabeth Leopold war mit dem Vergleich zu Schieles "Häusern am Meer" zufrieden. Andere nicht.

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Rechtsanwalt Martin Maxl: Es bleibt ein Raubkunst-Museum.

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Diethard Leopold hat im STANDARD (15. April) die Kritik am Leopold-Museum bezüglich der Rückgabe von NS-Raubkunst zurückgewiesen. Aber kommt das Museum seinen moralischen Verpflichtungen gegenüber den Erben tatsächlich nach? Eine Gegenstimme.

Diethard Leopold, Vorstandsmitglied der Leopold-Museum-Privatstiftung, beklagt die öffentliche Darstellung des Leopold-Museums. Das Museum sei kein "Raubkunst-Museum" und würde seine "moralischen Verpflichtungen" im Hinblick auf die Restitution von NS-Raubkunst an die Erben der jüdischen Eigentümer erfüllen.

Das ist falsch.

Das Leopold-Museum hat das Recht, zu zaudern und zu zögern, zu lavieren und zu taktieren. Sein Vorstand hat das Recht, möglichst billige Vergleiche mit den Erben der jüdischen Opfer abzuschließen (Häuser am Meer), jahrelang vor internationalen Gerichten zu prozessieren (Wally), kühl mit dem hohen Alter vieler Erben zu kalkulieren (die Erbin nach Karl Mayländer ist 91 Jahre alt). Das Leopold-Museum hat das Recht zum Primat des Ökonomischen.

Bloß: Leopold fordert, diese konsequente Verweigerungshaltung als "moralisch" und "fair und gerecht" zu bezeichnen.

Die Privatstiftung musste seit ihrer Errichtung 1994 immer zum Raubkunstthema gezwungen werden: durch öffentlichen Druck, unabhängige Berichterstattung, politische Initiative (Kunstrückgabegesetz, Einrichtung der Provenienzforschung) und jahrelange Gerichtsverfahren. Es war immer ein Hängen und Würgen. Na und?

Zum Genieren ist diese konsequente Verweigerungshaltung, da die Republik im Kunstrückgabegesetz eine politische Wertung getroffen hat. Es soll an den Wänden ihrer (Bundes-)Museen keine NS-Raubkunst hängen. Wirtschaftlich betrachtet steht das Leopold-Museum im Eigentum der Republik Österreich. Sie hat der Familie Leopold die Sammlung abgekauft, sie finanziert den Großteil des laufenden Betriebs und kontrolliert über die von ihr entsandten Mitglieder den Vorstand der Privatstiftung. Die Republik muss den Budgetplan und den Jahresabschluss absegnen, und der Rechnungshof prüft das Museum. Ein Argument mehr für die Restitution.

Verweigerungshaltung

Das von Leopold zitierte Beispiel der Schiele-Zeichnungen von Karl Mayländer illustriert diese Verweigerungshaltung bestens:

Im November 2010 hat die eigens für das Leopold-Museum eingerichtete "Michalek-Kommission" den Beschluss gefasst, dass fünf Schiele-Zeichnungen aus der Sammlung Mayländer zu restituieren wären, wäre das Kunstrückgabegesetz anwendbar. Anders gewendet: Diese fünf Zeichnungen sind Raubkunst.

Was macht das Leopold-Museum? Nichts. Hat es der Erbin nach Karl Mayländer angeboten, die Schiele-Zeichnungen zu restituieren? Nein. Hat es eine Entschädigung angeboten? Nein. Ein halbes Jahr nach dem Beschluss bietet das Museum in einem Brief der Erbin gegen Verzicht auf alle ihre Rechte an, auf einer Tafel neben den Schiele-Zeichnungen auf das "tragic faith of Carl Mayländer" hinzuweisen (!).

Auch danach lehnte der Stiftungsvorstand Restitution und finanziellen Ausgleich ab. Der historische Sachverhalt sei anders zu beurteilen, die zehn Experten der Michalek-Kommission hätten sich geirrt, der Mayländer-Erbin gebühre keine Entschädigung, restituiert werde sowieso nicht ("Wir sind, bitte, eine Privatstiftung!"). Im Jänner 2012 macht die Stiftung ein lächerlich geringes finanzielles Vergleichsangebot. Versuche, die Gespräche auf eine objektive Ebene zu heben (Bestellung von gemeinsamen Schiedsexperten zur Evaluierung), werden abgelehnt.

Auch wenn Diethard Leopold ein gegenüber der Vergangenheit geschärftes Problembewusstsein hat und seit seinem Eintritt in den Vorstand einiges erledigt wurde, kommt das Museum seiner moralischen Verpflichtung selten ohne Druck von außen nach. Die Republik hat sich im Kunstrückgabegesetz eine Selbstverpflichtung auferlegt. Von diesem Geist ist im Leopold-Museum zu wenig zu spüren. Nichts wäre einfacher - und budgetschonender - als eine freie und mutige Entscheidung, die eindeutig als NS-Raubkunst identifizierten Werke zu restituieren. Es wäre "the right thing to do".

Schließlich ist Leopolds Lamento über die Israelitische Kultusgemeinde aus der Perspektive des Leopold-Museums leicht zu verstehen: Ohne die IKG - und engagierte Journalisten - gäbe es in Österreich kein Kunstrückgabegesetz, keine Restitution und keine Provenienzforschung. Wäre das nicht wunderbar, Herr Leopold?

Restitution ist Restitution: die Rückgabe von geraubten jüdischen Kunstwerken. Daran ändert die handelsübliche Moral-Rhetorik ("Restitution ist ein Gespräch über die Vergangenheit", " Aufeinanderzugehen der wirklich Betroffenen") nichts. Solange in den Räumen des Leopold-Museums ohne Einigung mit den Erben Raubkunst hängt oder lagert, wird es sich die Anrede "Raubkunst-Museum" gefallen lassen müssen. (Martin Maxl, DER STANDARD, 22.4.2013)