Berlin - Gregor Gysi, der Fraktionschef der Linken, gerät am Donnerstagmittag im Deutschen Bundesrat so in Rage, dass er mit der Faust aufs Rednerpult schlägt: "Frau von der Leyen, Sie hätten Courage zeigen müssen", ruft er sehr laut in Richtung der Arbeitsministerin.

Die angesprochene Ursula von der Leyen (CDU) sitzt auf der Regierungsbank. Manchmal blättert sie in Akten, dann stützt sie den Kopf auf den Arm und hört der Debatte zu. Ihr Gesichtsausdruck ist unbewegt, obwohl sie in jedem Redebeitrag der Opposition zur Schnecke gemacht wird.

Doch sie schweigt, ihren angekündigten Redeauftritt hat sie kurzfristig wieder abgesagt. Und als am Ende der äußerst heftigen Debatte abgestimmt wird, beugt sich "Röslein" (wie sie in der CDU genannt wird) der Parteidisziplin und stimmt gegen eine Frauenquote in Aufsichtsräten von börsennotierten Unternehmen.

Eine "große Enttäuschung" nennt die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt dies, einen "Umfaller, zulasten der Frauen". Bis zuletzt hatten SPD, Grüne und Linke gehofft, bei der Quote genügend CDU-Frauen auf ihre Seite ziehen zu können.

Die deutsche Opposition will die gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten. 20 Prozent weibliches Personal ab 2018, 40 Prozent ab 2023 - so lautete der Entwurf. Kanzlerin Angela Merkel ist gegen eine gesetzliche Quote. Doch von der Leyen und vielen anderen Frauen in der Unionsfraktion gefiel der Oppositionsantrag so gut, dass sie drohten mitzustimmen.

Ihnen geht der Aufstieg von Frauen zu langsam. 2001 hat der damalige Kanzler Gerhard Schröder mit der Wirtschaft ein Abkommen abgeschlossen: Die Unternehmen sollten die Karrieren von Frauen freiwillig fördern. Passiert ist wenig. In Aufsichtsräten finden sich zwölf Prozent Frauen, in Vorständen nur fünf Prozent.

Um die CDU-Rebellinnen wieder auf Kurs zu bringen, boten Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und Merkel schließlich einen Kompromiss: Die gesetzliche Quote von 30 Prozent ab 2020 kommt ins Wahlprogramm.

Hohngelächter bei Opposition

"Wir lassen der Wirtschaft bis 2020 Zeit, dann wird es ernst", begründet Kauder diesen Schritt im Bundestag. Man könne nie wissen, meint er, vielleicht liege der Anteil ja schon früher bei 30 Prozent. Dann wäre die CDU/CSU-Methode ja noch effizienter als der rot-grüne Gesetzesentwurf.

Das Hohngelächter der Opposition ist groß. Als Frauenministerin Kristina Schröder (CDU) - eine Gegnerin der gesetzlichen Quote - das Wort ergreift, werden sogar Buhrufe laut. Doch Schröder lässt sich nicht beirren und wirft Rot-Grün vor, jahrelang nichts für Frauen getan zu haben. Erst sie selbst habe mit ihrer Flexi-Quote (Unternehmen sollen sich selbst Ziele setzen) gehandelt.

"Flexi-Quoten-Quatsch" nennt SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier das. Auch er appelliert an die CDU-Frauen: " Jetzt müssen Taten her!" Vergeblich. Selbst als die Grünen den Antrag kurzfristig abändern und genau die Position der CDU-Spitze (30 Prozent ab 2020) als Gesetzesentwurf einbringen, votieren die CDU-Rebellinnen dagegen, nur eine enthält sich. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 19.4.2013)