"Welches Rad kriegt der Bub?", fragte sich der frischgebackene Vater und Fahrrad-affine Produktdesigner Christian Bezdeka - Das Ergebnis heißt Woom, ein Kinderrad mit Upcycling-System

"Radler sind in Wien bis jetzt die ungeliebten Kinder gewesen. Es ist eine wichtige Sache, dass da eine andere Stimmung entsteht", sagt Christian Bezdeka, der sich vor acht Jahren mit seinem gleichnamigen Studio für Produkt- und Grafikdesign in der Favoritenstraße 4-6 selbstständig gemacht hat. Bezdeka und sein Team zeichnen für das Industrie-, Grafik- und Shopdesign vom Citybiker in der Lerchenfelder Straße (Bild) verantwortlich, für den Mountainbiker-Katalog ...

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... und das Shopdesign für den Trek Concept Store in der Hegelgasse (Bild). Hier wurde ein ehemaliger Pferdestall zu einem Fahrradraum umgebaut.

Nach seiner technischen Ausbildung studierte Bezdeka Industriedesign, vor vier Jahren holte er Sebastian Rahs ins Team. Marcus Ihlenfeld ist für das Marketing verantwortlich. "Unsere Mission ist, die Leute aufs Rad zu bringen. Das versuchen wir mit unseren Mitteln umzusetzen", sagt Bezdeka. So ist das Team auch in die Verkehrsplanung in Wien involviert und setzt sich zum Beispiel für die City-Durchfahrten im 1. Bezirk ein.

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Für Simplon gestaltete Bezdeka Rennräder und High-End-Mountainbikes (Bild), gemeinsam mit den Gebrüdern Stitch entwickelte er die Radler-Jeans "Velo Stitch" (derStandard.at berichtete). Sogar in den Handtuch- und WC-Rollenhalter Proox sind Technologien aus dem Fahrradbereich eingeflossen wie eloxiertes glasgestrahltes Aluminium. Im vergangenen Jahr erhielt das Studio Bezdeka dafür den IF-Award. 

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"Ich bin richtig radlnarrisch", sagt der passionierte Stadtradfahrer Bezdeka (oben im Bild). "Es ist nichts so überzeugend wie das Radfahren." Vor drei Jahren ist er Vater geworden. Schon bald stand die Frage im Raum: Welches Rad kriegt der Bub? Das, was sich der Fahrrad-affine Papa vorstellte, konnte er am Markt nicht finden. "Billigst-Kinderfahrräder sehen aus wie Kinderfahrräder, sind aber keine", lautet seine Erkenntnis. Alles sei natürlich eine Frage des Preises und die Qualität dementsprechend schlecht.

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"Kinderräder werden stiefmütterlich behandelt", sagt Bezdeka. "Sie sind geschrumpfte Erwachsenenräder. Doch die Bedürfnisse von Kindern sind völlig andere als die von Erwachsenen." So stimme etwa das Verhältnis zwischen einem Billig-Kinderrad und dem Gewicht des Kindes oft nicht, die Räder seien viel zu schwer. Viele Kinderräder sind mit Rücktritt ausgestattet. "Mach da einmal eine Notbremsung", meint Bezdeka.

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Aber es kommt noch schlimmer: Oft könnten Kinder die Bremshebel nicht bedienen, da die Abstände für ihre Hände viel zu groß seien. Das würde sogar Laufradbremsen betreffen. Rasch war klar: Bezdeka und sein Team wollten ein besseres Kinderrad herstellen. "Wir haben bei der Entwicklung nie auf die Zeit geschaut", erzählt der Produktdesigner. Drei Jahre lang hat es gedauert, bis vor wenigen Wochen das offizielle Ergebnis herausgekommen ist. Es trägt den Namen Woom und ist eine Serie von fünf Kinderrädern aus leichtem, qualitativ hochwertigem und knallrot lackiertem Aluminium. "Die Räder sind so entworfen, wie ich es mir für meine Kinder gewünscht habe", sagt Bezdeka.

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Am Beginn der kindlichen Fahrradevolution steht das Laufrad, am Ende das 24 Zoll-Rad. Die Räder heißen schlicht 1, 2, 3, 4 und 5. Sie kosten nicht mehr als hochqualitative Kinderräder. So ist Fahrrad Nummer 1, das Laufrad, um 169 Euro zu haben, die Nachfolger um 249, 299, 369 und 499 Euro. Die beiden größten Räder mit 20 und 24 Zoll sind mit einer Achtgangschaltung ausgestattet.

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Ein Upcycle-System lässt die Räder mit den Kindern mitwachsen. Für eine Einmalzahlung von 47 Euro bekommen die Kunden beim Kauf des nächstgrößeren Rades innerhalb von 24 Monaten 40 Prozent vom Kaufpreis des alten Rades zurück. "Damit haben wir das Problem gelöst, das alle Eltern haben: Wir kaufen lieber ein Billigstrad, weil das Kind sowieso in zwei Jahren rausgewachsen ist", sagt Christian Bezdeka. Auch die Verschleißteile sind einfach austauschbar. Sie werden upgecycelt und gebraucht günstig weiterverkauft.

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Bei der Entwicklung des Woom gab es zahlreiche Details, an denen zu feilen war, und bei allen Entscheidungen spielten Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Schadstofffreiheit eine tragende Rolle. Alleine durch die Rahmenproduktion im benachbarten Tschechien können je nach Rahmengröße bis zu 1,7 Kilogramm CO2 pro Rad eingespart werden. Zusammengebaut werden die Räder in einer eigenen Werkstatt in Wien mit vier Arbeitsplätzen. Die Reifen der kleinen Räder sind giftfrei. Die Aussage "Die Reifen greift eh keiner an" stimme nämlich vor allem bei kleinen Kindern nicht, sagt Bezdeka.

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Kurbeln, Tretlager, Seile, Sattel, Griffe und Reifen sind vom TÜV Deutschland zertifiziert. Der Lack kommt vom österreichischen Hersteller Tigerlacke mit Sitz in Wels. Die Fahrräder sind mit zwei Bremsen ausgestattet, was den Vorteil hat, dass die Kinder von Anfang an richtig bremsen lernen.

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Woom-Kinderräder werden in Eigenmarke vor allem über den Online-Shop vertrieben, sind aber auch bei einigen Händlern und Shops erhältlich. So können Testfahrten absolviert werden. "Das ist aber gar nicht unbedingt notwendig", betont Bezdeka, "denn es gibt ganz klare Maßangaben, so dass es zu keinem Fehlkauf kommen kann." Diese sind samt Anleitung zur Vermessung des Kindes auf der Website aufgelistet. "Zu den ergonomischen Voraussetzungen von Kinderrädern gibt es statistische Erhebungen bis ins letzte Fingerglied", weiß Bezdeka. Anhand dieser Daten sei man draufgekommen, was die Hersteller alles falsch machen, zum Beispiel Erwachsenenmaße eins zu eins auf Kinder umzulegen.

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 Vier Generationen Woom-Prototypen wurden anhand dieser ergonomischen Daten geplant und in der Praxis an den eigenen und fremden Kindern getestet. Unterstützung kam von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt AUVA: Ein Bus voll Woom-Prototypen wurde bei Radsicherheitstrainings für Kinder im Livebetrieb getestet.

Jedes Woom kann auch aufgerüstet werden: mit Pumpe, Helm, Werkzeugset, Handschuhen oder geschirrspülerfesten Trinkflaschen ohne Weichmacher. Aktuell in Planung ist eine Schultasche, die in den Gepäckträger integriert ist: "Ich will das Gewicht weg vom Kinderrücken auf den Packeltrager verlagern." Am diesjährigen Bikefestival wurde das Woom zum ersten Mal in der Öffentlichkeit präsentiert, am 18. April bereits das hundertste Rad verkauft. "Es läuft super an", freut sich Bezdeka. (Eva Tinsobin, derStandard.at, 30.4.2013)

Links

woombikes.com 

bezdeka.com

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