Die Neos wollen vor allem eins: anders sein.

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STANDARD: Sie haben vor gerade einmal acht Jahren maturiert. Hätten Sie damals die Einführung einer Zentralmatura begrüßt?

Scherak: Ich wäre am Anfang sicher kritisch gewesen, weil sich natürlich die Frage nach der Umsetzung stellt. Genau das sehen wir ja jetzt, dass es eigentlich nicht so gut funktioniert, wie es sich alle erwarten. Grundsätzlich ist die Zentralmatura aber der richtige Weg. NEOS will den Schulen unglaublich viel Autonomie geben.  Da muss es eine zentrale Stelle geben, die die Bildungsstandards vorgibt.

STANDARD: Wie stehen Sie zur Gesamtschule?

Scherak: Die ewige Diskussion um Gesamtschule und Gymnasium ist seit Jahren stecken geblieben. Wir wollen viele verschiedene Bildungskonzepte gegeneinander antreten lassen und den Schulen so die Möglichkeit geben, die erprobten Konzepte weiterzuführen. An der Gesamtschule finden wir gut, dass die Laufbahnentscheidung nicht mit neun oder zehn Jahren gemacht wird. Das ist eines der größten Probleme im österreichischen Bildungssystem, weswegen die soziale Durchmischung nicht funktioniert. Kinder werden quasi nach dem Bildungshintergrund ihrer Eltern ausdifferenziert. Ab der mittleren Reife mit 15 Jahren sollen die Kompetenzen abgefragt werden. Bis dahin sollte es unterschiedliche Schulkonzepte geben, die miteinander in Wettbewerb stehen. In der Oberstufe wäre etwa ein Modulsystem besser. Wenn man wegen einem einzelnen Fach ein ganzes Jahr wiederholen muss, macht das keinen Sinn.

STANDARD: Sie bezeichnen sich auf der Website der Neos als „Stimme der Jugend". Warum haben genau Sie die Aufgabe des Jugendsprechers bei den Neos übernommen?

Scherak: Das hat viel damit zu tun, dass ich auch der Vorsitzende der JuLis (Anm: Junge Liberale) bin, die die Neos unterstützen. So wurde ich in den Vorstand von Neos gewählt, als der „Junge von den JuLis",  die ja schon seit Jahren Erfahrung mit der Ansprache von Jugendlichen haben.

STANDARD: In einer jüngst erschienenen Studie ging hervor, dass sich nur knapp ein Viertel der befragten Jugendlichen für Vorgänge in der Politik interessieren. Ist es nicht schwer, Politik für solch eine scheinbar desinteressierte Zielgruppe zu machen?

Scherak: Es ist schwer den jungen Leuten zu sagen, dass Politik extrem wichtig ist. Das Hauptproblem dabei ist aber, dass die Interessen der Jugend seit Jahrzehnten konsequent ignoriert werden. Das beginnt schon mit dem leidigen Pensionsthema, bei dem uns ein Schuldenrucksack umgehängt wird. Wenn man sich ansieht, wie wenige junge Leute im Nationalrat sitzen, scheint es, als würde sich die österreichische Politik nicht für die Jugend interessieren. Oder die Jugendsprecher diverser politischer Parteien, die oft weit über 30 sind. Das sind einige der vielen Gründe, warum sich die Jungen von der Politik nicht mehr vertreten fühlen. Prinzipiell bekomme ich aber tagtäglich mit, dass das politische Interesse bei den Jungen sehr groß ist, etwa bei Straßenaktionen oder im ÖH-Wahlkampf.

STANDARD: Seit 2005 darf man in Österreich ab 16 Jahren wählen. War die Herabsetzung eine kluge Entscheidung?

Scherak: Ich glaube schon. Du kannst ja als 16-Jähriger auch Steuern zahlen und eine Lehre machen. Wenn man den Menschen also diese Pflichten auferlegt, dann muss man ihnen auch die Möglichkeit geben, am politischen Diskurs zu partizipieren. Das Fach Politische Bildung sollte man ausbauen und vom Fach Geschichte lösen, weil Geschichte  immer etwas mit Vergangenem zu tun hat. Politische Bildung ist etwas Aktuelles.

STANDARD:An manchen Schulen wurde ein gesondertes Fach Politische Bildung bereits eingeführt. Inwieweit sollte man die Schulen Autonomie für solche Maßnahmen gewähren?

Scherak: Die Direktoren sollten auf jeden Fall Personalautonomie haben und sich ihre Lehrer auszusuchen können. Es gibt viele großartige Lehrer in Österreich, aber auch solche, die nicht die Leistung bringen, die erwartet wird. Die wird man jedoch nicht los. Im Zusammenhang damit muss es auch Finanzautonomie für die Direktoren geben, damit sie selbst über die Verwendung der Gelder entscheiden können. Wenn es um die Lehrpläne geht, muss die Autonomie auch sehr weit gehen. In Bildungsstandards muss festgelegt werden, was ein Jugendlicher mit 15 Jahren  können muss. Wie man zu diesen Kompetenzen kommt, sollte nicht das Ministerium festlegen.

STANDARD: Derzeit darf man als Jugendlicher, abhängig vom Bundesland, unterschiedlich lang fortgehen. Ist diese föderalistische Lösung sinnvoll?

Scherak: Gerade im Zusammenhang mit dem Jugendschutzgesetz sicher nicht. Es kann nicht sein, dass man etwa in Wien und Niederösterreich verschiedene Regelungen hat. Was den Föderalismus betrifft, haben wir bei NEOS eine klare Ansage: Wenn die Länder Kompetenzen haben wollen, dann müssen sie auch die Finanzhoheit übernehmen. Aber im Jugendschutzbereich macht eine einheitliche Regelung sicher Sinn.

STANDARD: Ab welchem Alter sollte man als Jugendlicher am Abend wie lange fortgehen dürfen? Und wer soll das entscheiden: der Staat oder die Eltern?

Scherak: Die Eltern sollen natürlich ein großes Mitspracherecht haben, aber in irgendeiner Art und Weise sollte der Staat schon einen Richtwert vorgeben.

STANDARD: Was halten Sie von den Vorstößen der Innenministerin in Richtung Drogenpolitik, etwa verstärkte Haartests?

Scherak: Das hat mich ziemlich schockiert. Anscheinend ist es in der ÖVP Normalität, der Jugend andauernd irgendwelche Tests abzuverlangen, damit man sie ja auch kontrollieren kann. Generelle Haartests einzuführen halte ich nicht für den richtigen Weg.

STANDARD: Befürworten Sie eine liberalere Drogenpolitik?

Scherak: Wir sind in Bezug auf unser genaues Programm noch im Entstehungsprozess. Diesbezüglich  gibt es noch keine offizielle Position der NEOS.

STANDARD: Und Ihre Meinung?

Scherak: Das wichtigste ist, dass wir junge Leute, die einmal mit Drogen in Kontakt kommen, nicht mehr sofort kriminalisieren. Jedes Mal mit dem Strafrecht zu kommen macht keinen Sinn und kann Karrieren zerstören. Prävention ist viel wichtiger: Man muss den Jugendlichen sagen, dass Drogen einfach Gefahren bergen. Man sollte Verwaltungsstrafen oder Mahnungen aussprechen, bei denen man eine Geldstrafe zahlen muss,.

STANDARD: Gibt es Aspekte, die sie in die jugendpolitische Debatte einbringen wollen, über die derzeit noch zu wenig diskutiert wird?

Scherak: Mir ist sehr wichtig, dass man den Jugendlichen zeigt, dass grundsätzlich nicht der Staat für alles verantwortlich ist. Die Jugend wird immer individualistischer und sie nehmen immer mehr Dinge selbst in die Hand, was ich auch sehr gut finde. Aber es gibt trotzdem eine große Gruppe, die sich einfach darauf zurücklehnt, was man ihnen seit Jahrzehnten vorgelebt hat, dass man sich am Schluss immer auf den Staat verlassen kann. Es wäre wünschenswert, wenn die Jugend mehr Eigenverantwortung übernehmen würde. (David Tiefenthaler, DER STANDARD, 17.4.2013)