Das Kinder-Bildungsangebot im Sommer wächst stetig: Die Wiener Kinderuni hat schon 4.000 kleine Besucher. Sprachreisen gibt's von Thailand bis Rumänien

Ötzi. Mit ihm hat das mit den Kinderunis einst begonnen. Der 5.000 Jahre alte Mann aus dem Eis hat zwar sicher kein Studium abgeschlossen. Er hat wohl auch nicht in den Ferien Kindern die Wissenschaft nähergebracht. Aber zur Zehn-Jahres-Feier seiner Entdeckung im Ötztal bereitete die Uni Innsbruck 2001 ein spezielles Programm für Kinder vor. Die Junge Uni war geboren – die erste Kinderuni im deutschsprachigen Raum. "Heute machen jeden Sommer 700 Kinder zwischen acht und zwölf Jahren mit", erzählt Silvia Prock, Leiterin der Jungen Uni.

Boom nach dem Pisa-Schock

Die Uni Innsbruck bietet im Sommer jede Woche mehrere Kurse an, meist Ganztages-Veranstaltungen um zehn bis zwölf Euro – inklusive Mittagessen. Von Roboter-Kursen und Trampolinspringen bis zur Analyse mitgebrachter Steine unter dem Mikroskop. "Die Kurse sind so aufgebaut, dass sie Spaß machen", sagt Prock. Dass sie so populär sind, das liege auch am Pisa-Schock: 2003 wurden die Österreich-Ergebnisse der Bildungsstudie als "Absturz" wahrgenommen, seither boomen Bildungsprogramme für Kinder.

Das Sommer-Angebot wird von Jahr zu Jahr dichter. Gab es früher "nur" die klassischen Sprach- und Lernferien, so bieten mittlerweile viele Unis und Fachhochschulen Kurse an: darunter Graz, Steyr, Krems, sogar Rottenmann in der Steiermark und Raabs im Waldviertel. Fünf Kunstunis veranstalten gemeinsam Anfang Juli eine Kreativwoche, das Vienna Open Lab bietet Labor-Wochen an – die Erforschung von Bakterien kostet aber 190 Euro für fünf Tage, während für die meisten Tages-Angebote nur kleinere Beträge fällig sind. In Salzburg gibt es erst 2014 wieder eine Kinderuni, sie weicht heuer der "Kinderstadt": Sieben- bis 14-jährige Kinder simulieren da eine Stadt.

Gekommen sind 1.000

Die Junge Uni Innsbruck war die erste, die Kinderuni Wien ist die größte. Karoline Iber leitet das Kinderbüro der Uni Wien. Sie erzählt: "Bei der ersten Kinderuni 2003 haben wir für 100 Kinder geplant. Gekommen sind 1.000." Mittlerweile sind 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie sechs Unis und Fachhochschulen beteiligt – und 4.000 Kinder pro Jahr. Iber: "Kinder kommen an einen Ort, der normalerweise Erwachsenen vorbehalten ist. Kinder haben oft Spezialinteressen und wissen unglaublich viel über ein Gebiet – zum Beispiel über Wale. Und auf der Uni treffen diese Kinder auf Wissenschaftler, die ihre Begeisterung für ein Thema zum Beruf gemacht haben. Etwa einen Wissenschaftler, der sich mit fleischfressenden Pflanzen beschäftigt." Leiter für Kurse zu finden sei nicht schwer: "Manche planen ihre Urlaube nach unseren Terminen, weil sie unbedingt mitmachen wollen. Die Kinder sind ein spezielles Publikum, sie lassen einen sofort wissen, wenn sie etwas langweilt. Das fordert heraus, macht aber auch Spaß."

Migranten im Fokus

Eltern dürfen nicht in den Hörsaal. "Manche muss man bremsen, weil sie das Kind zu sehr fördern. Daraus wird Überforderung." Umgekehrt hat Iber die Erfahrung gemacht, dass viele Eltern, die im Café auf ihre Kinder warten, über die Kinderuni zum ersten Mal mit einer Universität in Kontakt kommen. "So erleben auch sie diese Welt und sehen, dass die Uni für ihre Kinder eine Option ist."

Gerade Migrantinnen und Migranten hätten oft zu wenig Einblick in das Bildungssystem. Die Kinderuni in Wien ist gratis, "aber selbst das ist manchmal noch zu viel", sagt Iber. Deshalb gibt es Patenschaften: Für 50 Euro wird ein Kind aus einer Sozialeinrichtung oder einem Flüchtlingsheim von Kinderuni-Mitarbeitern abgeholt, mittags verpflegt, wieder heimgebracht und zur abschließenden "Sponsion" gebracht. Iber glaubt, dass einige Kinder so später den Weg an die Uni schaffen, die es sonst nicht geschafft hätten.

Patenschaften gibt es auch für die Forschungswochen in Grünau, die die Kinderuni ebenfalls anbietet (380 Euro inkl. Verpflegung). Dort studieren Kinder wie einst Konrad Lorenz das Verhalten der Graugänse. Außerdem geht die Kinderuni in Wiener Parks und andere Bundesländer "on tour".

Großes Angebot

Die Kinderunis sind – je nach Anbieter – für Kinder bis 14 Jahre konzipiert. Doch auch für ältere Kinder und Jugendliche gibt es ein ständig größer werdendes Angebot an Sprach- und Lernferien. Und zwar in allen denkbaren Kombinationen aus Unterrichtsfächern, Sprachen und Sportarten ab 300 Euro pro Woche aufwärts. Je nach Anbieter und Programm kann der Preis vierstellig werden. Für Englisch-Sprachferien gibt es Angebote quer über die USA verteilt, in Kanada, Malta und Großbritannien – sogar in Kombination mit Arbeitspraktika. Selbst Thailändisch und Rumänisch können Kinder in den Ferien lernen.

Wie auswählen?

Bei der Wahl des passenden Kurses helfen ein paar Regeln: Soll vor allem das aktive Sprechen verbessert werden, ist eine internationale Gruppe von Vorteil. Das Kind sollte alleine in der Gastfamilie wohnen und von Native Speakers unterrichtet werden, um die Sprache möglichst gut zu trainieren. Außer es handelt sich um die erste Auslandsreise des Kindes, das die Muttersprache als Sicherheitsnetz braucht. Dann sollte es nicht alleine bei einer Gastfamilie wohnen und von Lehrern unterrichtet werden, die auch Deutsch können. Die wichtigsten Kriterien für die richtigen Lernferien sind dieselben wie bei der Auswahl der passenden Kinderuni-Kurse: das Interesse und die Wünsche der Kinder. (red, derStandard.at, 17.4.2013)

Links

Junge Uni Innsbruck
Kinderuni Wien
Kinderuni Steyr
Kinderuni Graz
Kinderuni Kunst
Mini Salzburg
Universitätszentrum Rottenmann
Vienna Open Lab - Summer Science Camps
Junge Uni Waldviertel

Einen Überblick über alle Angebote finden Sie auch beim Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung.

Weitere Tipps und eine Kurz-Übersicht zu Feriensprachkursen des Bildungsministeriums.

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Kinderunis 2013 mit 15 Projekten

Foto: Kinderbüro der Universität Wien/Barbara Mair
Foto: Kinderbüro der Universität Wien/Barbara Mair
Foto: Kinderbüro der Universität Wien/Barbara Mair
Foto: Kinderbüro der Universität Wien/Barbara Mair
Foto: Kinderbüro der Universität Wien/Barbara Mair
Foto: Kinderbüro der Universität Wien/Barbara Mair
Foto: Kinderbüro der Universität Wien/Barbara Mair
Foto: Kinderbüro der Universität Wien/Barbara Mair
Foto: Kinderbüro der Universität Wien/Barbara Mair
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