Ein neuer Roller will die Lücke zwischen Großraum-Riesenschiff und den wendigen, aber brustschwachen 125ern schließen. Zum Frühlingsstart bringt Yamaha den X-Max 400

Die Roller, die wirklich einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen haben, kann ich an einer Hand abzählen. Und das ginge sogar noch nach dem Ferialpraktikum im Sägewerk. Denn ich komm grad einmal auf vier, nachdem einer letztes Jahr aus dem Fingerranking gefallen ist. Die 300er Vespa nämlich. Ja, sie beeindruckte mit Schönheit und Leistung. Und der Eindruck dieses Rollers wäre tatsächlich bald langanhaltend gewesen. Denn bei Regen war es nicht nur ein einziges Mal knapp, dass ich damit Fallstudien gemacht hätte.

Foto: wolf-dieter grabner

Auch mögen die kleinen Räder und die ab Werk montierten Pneus der 300er Super Sport ja an Italienischen Sommertagen in der Stadt ein Spaß sein. Aber wenn es im Hinterland flotter zugeht - auf der Vespa spielt sich Kunstfahrer Alex Jirsa ein wenig mit der 300er - und dann auch noch ein Hauch von England vom Himmel fällt, dann wird die Geschichte zum Thriller. Adrenalin gut und schön – aber am Roller?

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BMW hat mit seinem C 650 GT die Vespa vom Fingerthron gestoßen. Nein, nicht der C 600 Sport, sondern der Kofferbomber ist der im Moment wohl beste Roller, wenn auch was weitergehen darf. Zum Lastenesel passen Antrieb und Fahrwerk einfach besser – und so schlecht ist es dann meist ja auch nicht, wenn man auf zwei Rädern etwas Stauraum hat. Performance-Sieger in der großen Klasse – keine Frage.

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In der kleinen Klasse haben sich zwei Roller in die Erinnerung gebrannt, wie einst die ersten Meter auf der eigenen Maschin. Natürlich ist wieder eine Vespa dabei: die Primavera von Kollegen Fidler, die ich einmal ausführen durfte. Sie ist eine Ausgeburt an Schönheit, so räudig wie sie dasteht. Im Originallack – oder dem, was davon noch da ist. Der Zahn der Zeit durfte mit kariösem Zahn am Blechkleid nagen und seine rotbraune Farbe am Blech hinterlassen.

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Aber die Schönheit zickt, dass man sie am liebsten in den nächsten Baum pfeffern würde. Erst beschleunigt sie nicht, dann hat sie weder Geradeauslauf, noch lässt sie sich um eine Kurve fahren. Und die Bremswirkung der schleifenden Fußsohlen und der weit aufgerissenen Augen ist größer als jene, die man über die Bremshebel induzieren kann. Wer die Reißerische kennt, weiß, dass ich der Kombination aus Schönheit und Eigenwillen schutzlos ausgeliefert bin. Also hab ich auch die Fidler'sche Primavera tief in mein Herz geschlossen.

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Unerwartet hat mich der X-Max 125 von Yamaha getroffen. Nach einer mehrwöchigen Testserie auf beinah allen 125er-Rollern bildete der Yamaha-Scooter den Abschluss. Den krönenden. Obwohl in der Klasse alle Hersteller mit Wasser kochen, ist der X-Max der sportlichste, der agilste Roller, der, bei dem man wirklich meint, dass ein 125er für den Alltag locker reicht. Jetzt stellt Yamaha dem X-Max 125 – und dem X-Max 250, den es inzwischen auch gibt – einen auftrainierten Bruder zur Seite: die X-Max 400.

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Aus 395 Kubikzentimeter schöpft er 31,5 PS und 33,88 Newtonmeter. Also mehr als um 50 Prozent mehr Leistung und Drehmoment wie der 250er. Dabei ist er aber nur 30 Kilogramm schwerer und hält sich in Sachen Fahrverhalten am kleineren 250er an.

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Yamaha hat es schon vor BMW geschafft, eine gehörige Portion Motorrad in den Roller zu kriegen, ohne dabei die Vorteile der Spritzblech-Mobilität hintan zu stellen. Der 400er X-Max steht vorne auf einem 15- hinten auf einem 13-Zöller. Und gescheite Reifendimensionen machen beim Handling schon gewaltig was aus – wie wir ja auch bei Honda sehen.

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Die kann jeder fahren, der ohne Stützräder blessurenfrei mit dem Rad bis zum Bäcker kommt. Optisch zwar nicht so schön, aber halt zum Fahren extrem leiwand ist die Teleskop-Gabel vorne. Für die motorradadäquate Verzögerung knallt Yamaha vorne zwei schwimmend gelagerte Scheibenbremsen ans Gussrad, hinten reicht eine einzelne Scheibe. Durchmesser dort wie da und hier der Scheibe ist 267 Millimeter.

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Wetterschutz? Hakerl drunter. Die große Scheibe passt zu Sonne, Wind und Regen. Passt sie gerade Ihnen nicht, gibt es schon jetzt in der Zubehörliste eine größere und eine kleinere Scheibe. Trittbleche? Hakerl drunter. Sitzkomfort? Hakerl drunter.

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Der Fahrer sitzt angenehm aufrecht und komfortabel. Hinten ist noch ausreichend Platz für den Aufriss. Die beiden Integralhelme passen unter die Sitzbank.

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Schwächen reißt der X-Max 400 nur in Details auf. Er hat keinen ebenen Durchstieg, was das Befördern sperrigerer Sachen verhindert. Braucht man leider im Alltag immer wieder. Die ABS-Version kommt erst in rund einem Jahr, und wozu in aller Welt braucht man auf einem Roller mit Automatik einen Drehzahlmesser – noch dazu als so großes Element?

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Dafür hat der X-Max LED-Rückleuchten, LED-Positionsleuchten, und für die wahren Leuchten unter den Stadt-Scooter-Heizern gibt es im Zubehörkatalog ein Akrapovic-Slip-on-Nebelhorn. Bleibt noch die Frage nach dem Preis: 5.999 Euro kritzelt Yamaha zur Einführung des Modells auf die Auslagenscheiben. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 17.4.2013)

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