Konnte auch die psychischen Erkrankungen im Konzern auf die Hälfte des heimischen Durchschnittswertes aller Arbeitnehmer senken: Eva Höltl, Leiterin des Gesundheitszentrums der Erste Group.

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Die Leistungsfähigkeit ist im Lebensverlauf schwankend, wird im Erwerbssystem aber statisch betrachtet, sagt Arbeitsmedizinerin Eva Höltl, Leiterin des  Gesundheitszentrums der Erste Bank. Dann kämen die Altersfragen, dann die Versorgungsmodelle wie Berufsunfähigkeitspensionen. Das trage weder der Wirklichkeit beider Seiten noch dem Kostenminimierungsanspruch Rechnung. Länger krank gewesen, dann vom Chefarzt arbeitsfähig geschrieben, und alles geht im Job so weiter wie vorher – das stellt sich meistens als Illusion und schließlich Frustration für Firmen und Arbeitnehmer heraus und endet dann oft mit Trennung vom Arbeitgeber, Ausscheiden aus dem aktiven Erwerbsleben.

"Ort der Wiedereingliederung"

Die Betroffenheit ist groß, auch angesichts der rund 900.000 psychisch Erkrankten in Österreich, die zwar nicht chronisch krank sind, wie Höltl betont (75 Prozent Heilung nach zwei Jahren), aber eben nicht wie die Raketen zurückkommen. Ob Heilung erfolgen kann, hänge stark vom dem ab, was in der Rehabilitationsphase geschehe, so die Ärztin: "Ein Jahr Krankenstand, bis alles angeblich wieder gut ist" sei kein Erfolgsrezept, weil das Menschen aus ihrer sozialen Umgebung, der Arbeit, nehme. Für sie ist der "Ort der Wiedereingliederung" das Unternehmen, das in diesen Phasen angemessen zu fordern und zu fördern habe. Die Erste mit 7000 Mitarbeitern in Österreich macht das via strukturiertes Wiedereingliederungsmanagement, im Rahmen dessen zwei Monate flexibles Wiederkommen in enger Absprache mit den Führungskräften geboten wird. Es gehe darum, allen Beteiligten zu ermöglichen, in ihrer Rolle zu bleiben, und nicht darum, Führungskräfte zu Hobbypsychologen zu machen. Daher: Struktur. Schulungen und Checklisten, Anleitungen, wie Gespräche zu führen, Fragen zu stellen, Zwischenvereinbarungen zu treffen sind. Erfahrungsgemäß komme sonst das soziale Gefüge im Job auch durcheinander und/oder Wiedereinstieg werde zu einem "Riesengequatsche".

Es gebe eben nicht nur "krank" oder "gesund", so Höltl, die mittlerweile 50 Erfolgsbeispiele vorweisen kann und unter anderem auch eine Arbeitsgruppe im Sozialministerium zu diesen Fragen leitet. Ziel dahinter ist das Absenken der Invaliditätspensionen. Ob dieses konzerninterne Wiedereingliederungsmanagement nicht sehr kostenintensiv sei? Wesentlich billiger und nachhaltiger als nach Hause schicken oder ins Versorgungssystem, so Höltl. Dass alle Unternehmen solches ohne Unterstützung schaffen können, bezweifelt sie. Entsprechende Förderstrukturen müssen aber erst noch geschaffen werden.

Höltl hat dabei eine starke Stimme, wie ihre Bilanz zeigt: Seit 2005 leitet sie das Gesundheitszentrum der Ersten und konnte bis jetzt laut Analyse der Wiener Gebietskrankenkasse den Anteil der psychischen Erkrankungen auf die Hälfte des Durchschnitts aller heimischen Arbeitnehmer (elf Prozent bundesweit) senken.

Prävention

Wie? Mit ebenfalls strukturierter Prävention, die auf Früherkennung durch speziell geschulte Führungskräfte baut. "Klug sensibilisieren", so Höltl. Beim gegenwärtigen Druck angesichts der Tatsache, dass 25 Prozent der Bevölkerung als "psychisch vulnerabel" gelten, glaubt sie, dass kein Unternehmen von diesen Fragen nicht betroffen ist. Und hält diesbezüglich die Novelle des Arbeitsschutzgesetzes, die verlangt, psychisch belastende Faktoren zu evaluieren, auch für eine "Chance, Abläufe im Unternehmen konstruktiv anzusehen und Spielräume sowie Verbesserungspotenziale zu sehen" und auf der Basis eines respektvollen Menschenbilds Konzepte zu entwickeln. (Karin Bauer, DER STANDARD, 13./14.4.2013)