In der Volksschule Felbigergasse wird Sprachförderung für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache angeboten.

Foto: derStandard.at/Aigner

Monika Prock mit Direktorin Petra Schwarz.

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Prock muss entscheiden, was mit einer Ausreißerin, die in der Schule aufgetaucht ist, passiert.

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Der Inspektorin werden alle Neuheiten an der Schule gezeigt: Es gibt auch einen Zirkuskurs.

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Sie ist wieder aufgetaucht. Seit Ostern vermisst eine Mutter ihre 13-Jährige Tochter. Sie hat sie bei der Polizei als vermisst gemeldet. Jetzt ruft der Direktor der Schule seine Bezirksschulinspektorin Monika Prock an und fragt, was zu tun ist. "Du musst die Polizei anrufen und melden, dass sie da ist", sagt sie. Die Beamten müssten die Mittelschülerin holen und zur Mutter bringen. "Wenn das nicht passiert, kann es sein, dass sie nach der Schule wieder abhaut."

Monika Prock, 59, ist eine von 121 Bezirksschulinspektoren in Österreich. Sie ist in Wien zuständig für den neunten Inspektionsbezirk, also den 14. Gemeindebezirk. Bezirksschulinspektoren haben die pädagogische und finanzielle Aufsicht über die Volks- und Mittelschulen. Noch im April will die Regierung eine Schulverwaltungsreform beschließen. Die Ebene der Bezirksschulräte, auf der die Inspektoren angesiedelt sind, soll dann abgeschafft werden. Die Bezirksschulinspektoren werden "Regionalmanager" und in die Landesschulräte integriert. Für Prock persönlich wird sich dadurch wenig ändern. In Wien gibt es, anders als in den restlichen Bundesländern, keine Bezirksschulräte. Hier übernimmt der Stadtschulrat diese Aufgaben.

Keine Parteipolitik

Prock ist für 24 Schulen zuständig. Sie kontrolliert das Personal von elf Volksschulen fünf Neuen Mittelschulen, einer Montessori-Schule und drei sonderpädagogischen Zentren. Die Bezirksschulinspektorin hat ihr Büro im dritten Stock im Amtshaus für die Bezirke Hietzing und Penzing. An der Wand hängen Bilder, die sie mit der ehemaligen Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer zeigen. Sie betont aber, dass sie in ihrem Job "farblos" ist. Das habe sie gleich bei der ersten Konferenz mit den Direktoren gesagt. "Das parteipolitische Hakerl auf eurem Kopf könnt ihr bei mir vergessen", habe sie gesagt.

An ihre Bürokästen hinter dem großen Schreibtisch hat Prock A4-große Zettel gehängt, die sie daran erinnern sollen, nicht zu viel zu arbeiten. "Meine Müdigkeit gehört mir", steht auf einem. Müde wirkt sie allerdings gar nicht. Sie erzählt begeistert von ihrem Beruf, den geplanten Verwaltungsreformen und engagierten Direktoren.

Als sie vor elf Jahren gebeten wurde, den Job zu übernehmen, war Prock zunächst unsicher. Sie war damals Lehrerin an einer Polytechnischen Schule und in der Gewerkschaft sehr aktiv. "Ich musste von der Vertreterrolle in die Dienstgeberrolle schlüpfen", sagt sie. Außerdem mochte sie den Lehrerberuf sehr. "Ich vermisse das heute noch und freue mich, wenn ich kurz eine Lehrerin 'vertreten' und ihre Schüler unterrichten darf." Bereut hat sie ihre Berufsentscheidung nie. Sie glaubt, hier etwas bewegen zu können.

Drehscheibe zwischen Verwaltung und Schulen

Ihre Aufgabe sieht sie vor allem darin, eine Drehscheibe zwischen der Verwaltung und Schulen zu sein. Wenn das Ministerium eine Reform beschließe und diese dann über die Landesschulräte bis zu den Lehrern vordringe, sei es wichtig, ihnen zu erklären, warum diese Reform sinnvoll sei. Derzeit tut Prock das vor allem bei der Umsetzung der Reform des Bundesschulaufsichtsgesetzes.

Die Qualitätsentwicklung in der Schule soll mit der "Schulqualität Allgemeinbildung" verbessert werden. Jede Schule muss einen Entwicklungsplan erarbeiten, in Wien wird zusätzlich ein Schulportfolio erstellt. Der Bezirksschulinspektor bespricht diese Pläne in sogenannten Bilanz- und Zielvereinbarungsgesprächen. "Das ist toll, aber auch sehr zeitaufwendig", erklärt Prock. Die Schulen seien nicht immer vom Mehraufwand begeistert, hier müsse sie Überzeugungsarbeit leisten. Die Reform tritt im September in Kraft, in der Volksschule Felbigergasse wird sie bereits jetzt umgesetzt.

"Das sind meine Prinzessinnen"

Die Direktorin der Volksschule, Petra Schwarz, ist laut Prock eine ihrer engagiertesten Mitarbeiterinnen. Wahrscheinlich zeigt die Bezirksschulinspektorin deshalb diese Schule besonders gerne her. Alle Lehrerinnen - es sind ausschließlich Frauen -, die ihr über den Weg laufen, schütteln Prock die Hand und grüßen sie. "Wie geht's?",  fragt Prock. Eine Lehrerin erzählt ihr vom heutigen Volleyballturnier. Sie ist ein bisschen entsetzt darüber, dass die andere Klasse auch so gut war wie ihre. Die Stimmung ist locker, es wird viel gelacht. "Das sind meine pädagogischen Prinzessinnen", sagt Prock über die Lehrerinnen.

"Es waren schon alle sehr aufgeregt, als ich angekündigt habe, dass du heute kommst", berichtet Direktorin Schwarz der Bezirksschulinspektorin. Sie habe ihre Lehrer aber beruhigt und ihnen gesagt, sie sollten so sein wie immer. Wenn Prock die Volksschule Felbigergasse sonst besucht, ist meistens ein Fest der Anlass. "Ich komme selten an die Schulen, weil ich so viele administrative Aufgaben habe", erklärt Prock. Sie würde gerne jede Schule einmal im Jahr besuchen, das gehe sich aber selten aus.

Planung des nächsten Schuljahres

Die Bezirksschulinspektorin überprüft jede einzelne Arbeitsstunde ihrer Lehrerinnen und Lehrer. Mehrstunden muss sie gegenüber ihrem Chef, dem Landesschulinspektor, begründen können. Zudem erhebt sie, wie viele Lehrer, Klassen und Unterrichtseinheiten im Bezirk für das nächste Schuljahr gebraucht werden. Die Arbeit dafür beginnt schon jetzt, im April. Im September steht der Plan, der aber meistens noch einmal geändert werden muss. Viele Kinder würden während des Schuljahres vom Gymnasium in die Neue Mittelschule wechseln, Prock muss dann neue Klassen eröffnen. Damit sie Zeit für all das hat, unterstützt sie ihre Sekretärin. "Die Doris ist mein Zerberus. Manche sagen, da kommt man leichter zum Bundespräsidenten als zu dir", erklärt Prock und lacht.

Ist die Inspektorin streng, wenn sie prüft? "Nein, gar nicht", sagt Direktorin Schwarz. "Es muss eine Kommunikation auf Augenhöhe geben", meint Prock. Es gebe zwar vielleicht noch Inspektoren alter Schule, die mit erhobenem Zeigefinger agieren, sie habe aber eine andere Einstellung. "Da sprechen Fachleute miteinander." Schwarz lobt auch den Umgang mit Beschwerden über Lehrer im Bezirk. "Eltern übergehen uns oft und beschweren sich über Lehrerinnen gleich bei der Inspektorin." Prock würde das nicht zulassen und immer zuerst auf die Lehrerin und die Direktorin verweisen.

Eltern von der Palme bringen

Das Beschwerdemanagement, wie es Prock nennt, nimmt einen großen Teil ihrer Arbeit ein. Eltern beschweren sich vor allem, wenn Volksschullehrerinnen den Kindern nicht die Noten geben, die sie für einen Übertritt ins Gymnasium brauchen. Sie würden dann vor ihr im Büro sitzen und drohen, die Volksschullehrerin zu klagen. "Ich erkläre ihnen dann, dass sie mich klagen müssen, weil ich die endültige Verantwortung dafür habe, dass die Noten auch den Leistungen der Kinder entsprechen - und dass sie die Karte ihres Anwalts gerne da lassen können." Meist würde dann nichts weiter geschehen. "In meiner gesamten Karriere habe ich vielleicht drei Eltern nicht von der Palme gebracht."

Manchmal gibt es allerdings tatsächlich Probleme mit Lehrern, die ihren Pflichten nicht nachkommen. Wenn Lehrer ihre Anweisungen bewusst nicht befolgen, ruft Direktorin Schwarz die Bezirksinspektorin an und fragt, wie sie damit umgehen soll. "Wenn das Problem massiv ist, komme ich und schaue mir die Jahresplanung an, die Schularbeiten, die Korrekturen der Hausübungen und die Tests. Manchmal befrage ich die Schüler", sagt Prock. Nach der Inspektion führt sie mit dem Lehrer oder der Lehrerin ein Gespräch und gibt ihr Zeit, sich zu verbessern. In zwei Fällen nützte aus das nichts, sie musste mit einem Disziplinarverfahren drohen. Die betroffenen Lehrer hätten es dann vorgezogen, in Pension zu gehen.

Verwaltungsreform sinnvoll

Prock ist Mitglied der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) und Vorsitzende der AG Schulaufsicht. Sie vertritt alle Bezirksschulinspektoren in den Verhandlungen über die Schulverwaltungsreform mit dem Unterrichtsministerium. Dass die Bezirksschulräte abgeschafft werden, sei schon jahrelang im Gespräch. Dadurch werde mehr Verantwortung an die Bezirksschulinspektoren übertragen, sagt Prock. "Wie viele Lehrerinnen und Lehrer in einem Bundesland oder in einem Inspektionsbezirk eingesetzt werden, beschäftigt derzeit vier Ebenen: den Landesschulrat, den Bezirksschulrat, den Bezirksschulinspektor und das Kollegium."

Mehr Sorge als die Abschaffung der Bezirksschulräte bereitet Prock die Ankündigung, dass bis 2018 zwanzig Prozent der Dienstposten bei der Schulaufsicht im Pflichtschulbereich eingespart werden sollen. Den Einsatz von weniger Inspektoren österreichweit und vor allem für Wien kann sie sich nicht vorstellen. "In Wien haben wir schon immer die Aufgaben des Bezirksschulrates erfüllt. Jetzt sollen wir mit weniger Personal auch noch die neue Qualitätsentwicklung umsetzen, das wird sich nicht ausgehen."

Prock hat sich inzwischen auch die Integrationsklassen in den mobilen Klassen der Volksschule Felbigergasse angesehen. Im Herbst sollen sie abgerissen werden, ein Neubau ist geplant. Auch dafür ist die Bezirksschulinspektorin zuständig. Als sie ins Auto steigt, läutet ihr Telefon wahrscheinlich zum zehnten Mal an diesem Vormittag. "Ich bin am Weg ins Büro, besprechen wir das dann", sagt sie. Auch der Direktor der Ausreißerin hat noch einmal angerufen. Die Schülerin ist in der "Zehnerpause" mit einer Freundin abgehauen, bevor die Polizei gekommen ist. "Sag der Mutter und dem Amt für Jugend und Familie Bescheid, dass ihre Tochter da war, auch wenn das Mädchen Angst vor der Mutter hat. Wir sind dazu verpflichtet", rät Prock. (Lisa Aigner, derStandard.at, 16.4.2013)