Schlittschuhlaufen inmitten von Palmen: In der spanischen Stadt Sevilla ist das ohne Kunsteis, dafür auf Plastikplatten möglich.

Foto: Xtraice

Was Adrián Ortíz in Sevilla auf die Beine gestellt hat, mag in zweifacher Hinsicht paradox erscheinen. Dem 29-jährigen CEO von Xtraice gelang nichts Geringeres, als das 2004 gegründete Unternehmen mit synthetischem Kunsteisersatz in Form spezieller Plastikplatten zum Weltmarktführer zu machen. Und das bei einer landesweiten Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 52 Prozent.

Francisco Ortíz, Vater von Adrián, entdeckte auf einer Messe in den USA ein kanadisches Plastik, auf dem man mit konventionellen Schlittschuhen eislaufen konnte. Er beschloss, dies weiterzuentwickeln. Nicht ohne Rückschläge, denn ein erster selbstfinanzierter Plastikeisplatz schmolz in der andalusischen Sommerhitze dahin.

In Kooperation mit der Universität Sevilla gelang schließlich  der Durchbruch. So bescheinigen skandinavische Eishockeyverbände, deutsche Ingenieursbüros und die Universität Washington Xtraices Qualitätsvorsprung gegenüber seinen Mitkonkurrenten. "Man könnte inmitten der Sahara eislaufen", sagt Ortíz. "Man würde aber vermutlich an einem Hitzschlag sterben." Xtraice-Eisplatten selbst halten einer Hitze bis weit über 200 Grad und Frost bis Minus 100 Grad Celsius stand.

Selbst Disneyland entschied sich, in seinen Themenparks Xtraice einzusetzen, auch wenn 200 Quadratmeter stattliche 70.000 Euro kosten. "Unser Produkt ist keinesfalls kostengünstig in der Anschaffung", sagt Ortíz. Montiert sei es dafür rasch, abmontiert ebenso, Wartungskosten fallen keine an, und man gewähre je nach Dicke zwischen sechs und zwölf Jahre Garantie.

Xtraice-Platten brauchen klarerweise im Gegensatz zum geläufigen Kunsteis in Hallen keinen Strom. Auf einer der sieben spanischen Kunsteishallen wie die in der Sierra Nevada bei Granada fallen 30.000 bis 40.000 Euro an Stromkosten monatlich zur Kühlung an. Ein Quadratmeter verbraucht so viel wie ein Einfamilienhaus, vom Wasser ganz zu schweigen. So bezeichnet Ortíz Xtraice voller Überzeugung als "Öko-Eis". Gebrauchte Platten lassen sich recyceln.

Verkäufe in die ganze Welt

Nicht einzig die Florida Panthers trainieren mittlerweile auf spanischem Plastikeis für die NHL, die Eishockey-Profiliga in Nordamerika. Auch die größte Eislaufbahn Japans besteht aus Xtraice, und in Chicago kann man selbst im 59. Stockwerk mit Blick über die Metropole Kurven ziehen. Im August eröffnet Xtraice zwei neue Eislaufplätze in Dubai.

Ortíz' Team umfasst in Sevilla 28 Mitarbeiter, die großteils mit Marketingaufgaben betraut sind. Die Kunsteisplatten werden in Écija bei Sevilla und in Valencia gefertigt – von einem Unternehmen, an dem Xtraice beteiligt ist. "Wären wir nur in Spanien tätig, wären wir vor Jahren pleitegegangen," räumt Ortíz ein.

Das weltweite Büronetz von Boston und Miami in den USA über Brasilien, Hongkong, das indische Madras bis zu Treviso in Norditalien sei im Wesentlichen für die Krisenresistenz von Xtra ice verantwortlich. Das Image der Marke Spanien sei international beschädigt, der Ruf und das Vertrauen verspielt. Ortíz: "Wir sagen Kunden in den USA, wir sind eine amerikanische Firma."

Dort starte man auf einem Nischenmarkt mit Mini-Eislaufpisten von neun oder zwölf Quadratmetern durch. Mehr als 300 Pisten unterschiedlichster Größe hat man bis jetzt weltweit verkauft. Xtraice-Paneele hat man in 55 Staaten geliefert – von der Mongolei und Japan über Frankreich und Spanien bis in die USA und Lateinamerika.

Den Jahresumsatz von drei Millionen Euro (2011) will man über Risikokapital für die Expansion binnen drei Jahren nicht weniger als verdreifachen. Darum wagt Ortíz heuer noch den Sprung auf den deutschen Markt. (Jan Marot aus Sevilla/DER STANDARD, 10.4.2013)