Man muss Gastgeber entweder sehr lieb haben oder von ihnen erpresst werden, um die eigenen Füße in derartige Staubmilbenhochburgen zu stecken.

Foto: Andrea Maria Dusl

Pro: Ein guter Gast sein
Von Karl Fluch

Es gibt es Einladungen, die sind so angenehm, dass man die Schuhe nicht ausziehen möchte, weil es beim Anziehen noch eine Minute mehr Zeit in einer Gesellschaft kostet, die man zwanglos lieber miede. Im Normalfall bedeutet eine Einladung zu jemandem nach Hause, dass man sich so gut kennt, dass man nicht gleich am Absatz kehrt machen möchte, wenn sich die Tür öffnet. Um dieser Geste willen zieht ein guter Gast die Schuhe aus, so nicht der Gastgeber einen Grund nennt, das nicht zu tun: "I hob grod ins Vorzimmer kotzt", zum Beispiel. Sich der Schuhe zu entledigen ist Zeichen einer erwarteten Gemütlichkeit. Es heißt: Ich fühl mich wie zu Hause. Günstigerweise perforieren dann keine an Pizza Funghi erinnernden Zehennägel die Socken und verströmt kein die Zimmerpflanzen gefährdendes Odeur. Ansonsten kann man die Haxen auch auf den Tisch legen. Mit Schuhen bestünde da schon wieder die Wahrscheinlichkeit, unfreiwillig Reste vierbeiniger Hinterlassenschaften zu kredenzen, ein Wiener Meldezettel einmal vorausgesetzt.

 

Kontra: Ein guter Gastgeber sein
Von Michael Simoner

Brüder und Schwestern des euch heiligen Fußbodens, Sockenpartys sind ja ganz nett, wenn man zwölfeinhalb ist. Doch schnell kommt die Einsicht, dass Umherrutschen auf Parkett und Laminat so graziös wirkt wie Bambi auf dem zugefrorenen Teich. Im Bemühen, die ausgezogene Trittsicherheit wettzumachen, begehen Gastgeber dann oft den Kardinalfehler: Gästeschlapfen. Direkt aus der hintersten Ecke des müffelnden Schuhkastens. Aus Filz. Halb durchgewetzt. Mit wehendem Lurch vom letzten Wischeinsatz. Ins Innere wagt ohnehin nie jemand einen Blick. Man muss Gastgeber entweder sehr lieb haben oder von ihnen erpresst werden, um die eigenen Füße in derartige Staubmilbenhochburgen zu stecken. Auch abgetragene Birkenstocks ("Kannst die da nehmen, Onkel Rudi ist eh nicht da") haben einen hohen Bääh-Faktor. Ein guter Gastgeber erspart seinen Gästen eine derartige Demütigung und lässt deren Zehen, wo sie sind. Außer es handelt sich um den blond geföhnten Schlagermessias, der gerade seine Moonboots Gassi geführt hat. (Rondo, DER STANDARD, 12.4.2013)