Ulrich Thielemann: "Gesetzgeber eigentlicher Beihelfer".

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Werner Doralt: "Summe der Schwarzgelder nicht seriös zu schätzen."

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Erich Wolf: "Bankensektor wird weiter schrumpfen."

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Bankgeheimnis bald Geschichte | Schwarzgeld in Österreich | Folgen für Finanzplatz Österreich | Moralische Pflicht | Verdunkelungsoase

Bankgeheimnis bald Geschichte?

Wie zuvor Luxemburg hat nun auch Österreich die bevorstehende Abschaffung des Steuer- bzw. Bankgeheimnisses von ausländischen Anlegern eingeleitet. Nach heißen Diskussionen am Wochenende und heftigem Widerstand – vor allem von Seiten der ÖVP – erklärt nun Bundeskanzler Werner Faymann, in der EU über einen automatischen Informationsaustausch zu reden. "Wir werden die Verhandlungen gemeinsam mit Luxemburg führen. Jawohl, wir verhandeln", sagte der Kanzler.

Im Kampf gegen Schwarzgeld und Steuerflucht ist es für Faymann zu wenig, nur bei Verdacht auf Straftaten Kontoauskünfte zu erteilen. Dass Steuerflüchtlinge versuchten, über Konstruktionen ihrer Steuerpflicht zu entgehen, müsse abgestellt werden. Daran habe Österreich "alles Interesse der Welt". Man habe kein Interesse, dass da etwas im Dunkeln liege. Dass es so kommen wird, ist nicht ganz überraschend. Schon rund um die Zypern-Krise gerieten mehr oder weniger bedeutsame Steueroasen und -geheimnisse wieder in den Fokus der Kritiker.

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Schwarzgeld in Österreich?

Die Debatte über Offshore-Leaks und das Bankengeheimnis wirbelt in Österreich wieder einmal viel Staub auf. Immerhin geht es um viel Geld, wenn auch nicht exakt zu sagen ist, um wieviel genau. Wieviel Geld Ausländer auf Konten heimischer Banken gelagert haben, wird bei der heimischen Nationalbank festgehalten. Demnach liegen 53 Milliarden Euro ausländischer Provenienz bei Österreichs Instituten, 35 Milliarden davon kommen von EU-Staatsbürgern, Investments in Wertpapiere sind dabei nicht erfasst. Wieviel von den genannten Milliarden Schwarzgeld ist, ist schwer zu beziffern.

Während Steuerexperte Werner Doralt im derStandard.at-Gespräch erklärt, die Summe sei nicht seriös zu schätzen, traut sich der Linzer Ökonom Friedrich Schneider doch eine Zahl zu: Bis zu zehn Milliarden Euro hält Schneider für möglich. Wirtschaftsprüfer Erich Wolf hält im derStandard.at-Gespräch "gefühlsmäßig" sogar eine höhere Zahl für denkbar: "In Österreich trifft es paar Tausend Leute, da kommt man vermutlich durchaus auf 15 Milliarden."

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Folgen für Finanzplatz Österreich?

Die von EU-Ausländern zu zahlende Quellensteuer beträgt 35 Prozent. Das 2012 erzielte Aufkommen von 89 Millionen Euro wird zu drei Viertel in die Wohnländer der ausländischen Anleger überwiesen, den Rest behält Österreich als Entschädigung für den Verwaltungsaufwand ein. Gesetzt den Fall, das Bankgeheimnis fällt, wäre der heimische Finanzplatz betroffen?

"Auf jeden Fall", sagt Steuerexperte Erich Wolf. "Bekanntlich lebt eine erkleckliche Zahl heimischer Banken – etwa im Kleinwalsertal oder auch in Salzburg – von dem Geschäft mit Steuerausländern." Im Endeffekt würde der Bankensektor weiter schrumpfen, glaubt Wolf. Vermutlich ein Schritt in die richtige Richtung, so seine Einschätzung, denn dass Österreich overbanked ist, sei klar: "Niemand hat etwas davon, wenn die Banken immer weniger Geld verdienen und deswegen die Geschäfte immer risikoreicher werden müssen."

Wie lange könnte es dauern, bis eine mögliche Kapitalflucht in Österreich einsetzen könnte? "Kapital ist ein scheues Reh, da reichen Gerüchte", sagt Wolf. Nach seiner Einschätzung ist der Abfluss bereits in Gange.

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Moralische Pflicht?

Dass das Bankgeheimnis Österreich zu einer Steueroase macht, ist für Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann ausgemacht. Es Menschen, die gar nicht in Österreich wohnen, zu erlauben, ihr Geld vor dem Fiskus zu verstecken, sei eines "demokratischen Rechtsstaats unwürdig". Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) würde sich für den Schutz der Privatsphäre von Ausländern einsetzen, dabei aber die ausländischen Steuerbehörden übervorteilen. Der Ökonom sieht im automatischen Informationsaustausch den einzigen Weg, das Image eines Unrechtsstaats abzuschütteln. Dabei vor dem Verlust Tausender Arbeitsplätze zu warnen, sei dreist.

Immerhin lebten diese Banker, Treuhänder und Berater gut von ausländischen Steuerhinterziehern und deren "Schwarzgeldmilliarden". Dass die Profiteure den schwarzen Peter ihren Kunden zuspielen – unversteuertes Geld habe kein Mascherl, die Hände seien einem gebunden – lässt Thielemann gegenüber derStandard.at nicht gelten: "Ohne diese Beihilfe wären diese Straftaten gar nicht möglich". Dienstleister wie die Innsbrucker offshorefirma-gruenden.com würden mit dieser Aussage versuchen, die Menschen für dumm zu verkaufen. Dennoch nimmt der Ökonom vor allem den Gesetzgeber in die Pflicht. Denn der sei der "eigentliche Beihelfer".


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Steueroase Österreich?

"Österreich ist eine Steueroase. Das Bankgeheimnis wird völlig zu Recht kritisiert", schreibt Attac (und zeigt es vor dem Bundeskanzleramt, siehe Bild). "Wir betrachten Österreich als klassische Steueroase oder als Schattenfinanzplatz", sagte vor kurzem auch John Christensen, Gründer des Netzwerk Steuergerechtigkeit, gegenüber der Wiener Zeitung.

Markus Henn, Deutschland-Koordinator des Netzwerks, dagegen spricht nicht gern von "Steueroasen", wie er gegenüber derStandard.at sagt. Ein Begriff solle nicht in die Irre führen, vielmehr gehe es darum, einzelne Praktiken anzuprangern, etwa Stiftungen in Liechtenstein oder Trusts in den Niederlanden. Auch in Österreich gebe es "gewisse Modelle", die es ausländischen Staatsbürgern möglich machten, Steuern zu hinterziehen. Auch hier seien es vor allem Stiftungen – in Verbindung mit Steuerbefreiungen.

Im "Financial Secrecy Index" der intransparentesten Finanzplätze, den das Netzwerk 2011 veröffentlicht hat, liegt Österreich auf Rang 17. An der Spitze liegt die Schweiz vor den Cayman Inseln und Luxemburg. Henn weist allerdings darauf hin, dass dieser Bericht auf dem Stand von Ende 2010 sei und spätere gesetzliche Änderungen nicht berücksichtige. Die Novelle zum Privatstiftungsgesetz etwa trat in Österreich am 1. April 2011 in Kraft.

Die Diskussion um die Aufhebung des Bankgeheimnisses begrüßt er. Dass die Behörden nicht auf Bankdaten zugreifen können, sei "indiskutabel", auch beschränkte Zugriffsmöglichkeiten seien problematisch. So könne der "Teufelskreislauf der Geheimhaltung" nämlich nicht durchbrochen werden, sagt Henn. Ein weiterer Kritikpunkt: Österreich nehme nicht am automatischen Informationsaustausch teil. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) erklärte heute, auch darüber verhandeln zu wollen. (Elisabeth Parteli, Hermann Sussitz, Regina Bruckner, derStandard.at, 9.4.2013)