Spezielle Bandagen schützen Hand- und Fingergelenke.

Foto: Chris Waikiki

Wie schützt sich Frau am besten vor körperlichen Auseinandersetzungen? "Schauen dass man so schnell wie möglich das Weite sucht", sagt Sonja Kikuta. Als Trägerin des ISKA und ETF-Kickboxing Weltmeistertitels hätte Kikuta vermutlich kein Problem sich zu wehren. Trotzdem ist körperliche  Selbstverteidigung für sie der allerletzte Weg aus einer brenzligen Situation.

Mit Selbstverteidigung hat Kickboxen vor allem im mentalen Sinne zu tun. Die Teilnehmer lernen Situationen besser einzuschätzen, mit Ängsten umzugehen und die Körpersprache des Gegenübers zu interpretieren. "Ich würde mich nachts nie in einem Tiefgarage stellen, in der Gewissheit, dass ich Weltmeisterin bin. Das ist unverantwortlich, egal wie viele Selbstverteidigungskurse ich absolviert habe", so Kikuta.

"Kampfsport ist nicht Gewalt", betont  Kikuta, die sich auch in der Kampfsportart Taekwondo zweimal den Staatsmeistertitel geholt hat. Schläger und Randalierer werden beim Kickboxen demnach nicht ausgebildet, vielmehr geht es um Körperbeherrschung und Selbstdisziplin. Treffender als der Begriff Kampfsport ist in diesem Zusammenhang daher die Bezeichnung Kampfkunst, die weniger auf das Ergebnis nach außen, als auf das Innere des Übenden abzielt.

Fitness vor Leistung

Dass sich das Kickboxen gerade bei Frauen zunehmender Beliebtheit erfreut, hat jedoch nicht nur mit der mentalen Komponente zu tun, sondern mit dem Fitnessfaktor. Diese junge Kampfsportart fördert als Ganzkörpertraining gleichermaßen Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination. Das alles hat begleitend auch den positiven gesundheitlichen Effekt, dass Fettpölster schmelzen, das Gewebe sich strafft und Muskulatur aufgebaut wird.

"Die meisten Frauen machen Sport um schön zu sein, bei Männern geht es darum sich zu messen", sagt Kikuta, die als Frau im Wettkampfbereich in diesem Metier nach wie vor eine Ausnahmeerscheinung ist. Der "Beauty-Faktor" war ihr zu wenig, Leistung stand für sie immer im Vordergrund. Was sie im Wettkampfbereich neben dem Überschreiten eigener Grenzen, auch gelernt hat, ist zu verlieren. "Im Kampfsport ist das besonders bitter, da schon der zweite Platz immer der Verlierer ist".

2010 hat Kikuta ihren letzten Weltmeistertitel in Alicante geholt, danach hat sie dem Wettkampfsport den Rücken gekehrt. Heute gibt sie ihr Wissen in Kickbox-Kursen mit Begeisterung an Frauen jeder Altersklasse weiter. Zum Beginn einer Trainingseinheit, steht wie bei vielen anderen Sportarten auch, die Aufwärmphase, die das Verletzungsrisiko minimieren soll. Dann werden Kampfstellung, Beinarbeit, Box- und Kicktechniken alleine und gemeinsam mit einem Partner trainiert.

Geduld zur Technik

Das Training von Männern und Frauen unterscheidet sich, so wie auch die Motivation, diesen Sport zu betreiben. "Männer für Technik zu begeistern, ist ein Kunststück. Sie besitzen nicht die Geduld, um monatelang an einer Technik zu üben", sagt Kikuta. Die Arbeit mit Frauen bezeichnet sie als emotionsgeladener. "Wenn eine Frau einen Schlag ins Gesicht bekommt, dann ist das für viele ein Problem. Männern ist das egal", ergänzt sie.

Im Fitnessbereich sind Schläge ins Gesicht jedoch nicht Usus. Trainiert wird mit einem Schlagpolster den das Gegenüber in den Händen hält. Schläge, Haken und diverse Fußkicks landen auf diesen robusten Teilen. Zum Schutz der Hand- und Fingergelenke dienen spezielle Bandagen oder Boxhandschuhe. Kopf, Zahn- Tief- und  Brustschutz ist nur im Wettkampfsport erforderlich.

Gesundheit und Spaß stehen für Kikuta heute im Vordergrund. Dass der Wettkampfbereich nach wie vor Männersache ist, bedauert die diplomierte Krankenschwester. (Regina Walter, derStandard.at, 18.04.2013)