Fürs Wegwerfen zu schade: Im Wiener Reparatur- und Service Zen trum wird verkürzte Haltbarkeit zum Thema gemacht.

Foto: David

Kindheitserinnerungen können täuschen. Dass die Waschmaschine meiner Mutter viel länger gehalten hat als meine erste eigene, liegt wohl auch daran, dass sieben Jahre Haltbarkeit in meiner Kindheit (m)ein ganzes Leben waren, heute sind sie nur ein Bruchteil davon.

Mit dieser subjektiven Zeitwahrnehmung lässt sich aber nicht wegerklären, dass Hersteller von Produkten aller Art ganz bewusst für das marktgerechte Frühableben ihrer Produkte sorgen - also absichtlich billige Einzelteile verbauen, die dafür sorgen, dass ganze Maschinen und Geräte früher kaputtgehen als nötig. Jüngst hat wieder eine Studie dokumentiert: Die sogenannte "geplante Obsoleszenz" ist zu einem Massenphänomen geworden.

An vielen Stellen wird von der Industrie mit bewusst eingesetztem Schrott nachgeholfen, dass Produkte vor der Zeit kaputtgehen - auf dass wir möglichst rasch Ersatz kaufen (müssen). Das ist ärgerlich, und es gibt uns ein mieses Gefühl, nämlich das, gelegt worden zu sein. Aber lässt sich das rechtlich verhindern? Dieses absichtliche Verwenden von minderwertigen Bestandteilen - ist das denn nicht Betrug, müsste denn da nicht schon der Strafrichter ...?

Keine Versprechungen

Wahrscheinlich (noch) nicht. Denn zu Betrug und Täuschung gehört nicht nur, dass minderwertige Teile heimlich verbaut werden (schließlich sind Produktionsprozesse an sich nicht öffentlich), sondern wohl auch das ausdrückliche Versprechen des Herstellers oder Verkäufers, dass genau das nicht geschehen ist. Natürlich kennen wir Werbeslogans wie " Verlässlichkeit für viele Jahre". Aber dass das keine ernst gemeinten Versprechen sind, weiß heute jedes Kind.

Nun lässt sich Strafrecht immer ändern oder ergänzen, aber wen sollten wir denn überhaupt anklagen in einer arbeitsteiligen Welt, in der immer mehr Produkte nicht in Österreich, sondern auf drei verschiedenen Kontinenten zusammengesetzt werden? Die Chefetage, die Konstrukteurin, eine oder einen der vielen am Fließband? Und wo, wenn Teile der Produktion im Ausland stattgefunden haben? Strafrechtliche Verfolgung scheint da schwierig.

Erfolgversprechender scheint es schon, den gepflanzten Kunden mehr Rechte einzuräumen. Zum Beispiel das Recht auf längere oder gar unbefristete Gewährleistung für Fälle der geplanten Obsoleszenz. Allerdings bräuchte das Begleitmaßnahmen, mit denen die schiefe Ebene, auf der sich Kunde und Unternehmer begegnen, wieder geradegerückt wird: Der einzelne Verbraucher, die einzelne Kundin wird wegen eines Betrags von ein paar Dutzend oder hundert Euro kaum einen Prozess führen wollen.

Wer tut sich die Kosten und die Zeit denn an an, wegen eines Handys? Damit spekulieren ja die Anbieter vieler relativ billiger, von vornherein mangelhafter Produkte jetzt schon. Unsere Prozessordnung müsste deshalb auch Sammelklagen und Musterprozesse deutlich erleichtern, die stellvertretend für viele geführt werden können. Außerdem müsste die Beweislast anders verteilt werden: Gelingt es dem Kläger, nur zu beweisen, dass gleiche Produkte auffallend oft zur gleichen Zeit oder an derselben Stelle kaputtgehen, müsste der Beklagte beweisen, dass das nicht geplant war.

Dabei könnte neben den Herstellern auch der Handel in die Pflicht genommen werden: Der hat nämlich deutlich mehr Macht, auf die Produzenten jenen Druck zu erzeugen, der nötig wäre, um diesen gezielten Einbau von Murks zu beenden. Er profitiert aber zugleich von dieser Form der erzwungenen, herbeigetricksten Erneuerung.

Letzteres scheint ein wesentlicher Grund dafür zu sein, dass die Politik sich bis jetzt nicht getraut hat, diese Thema überhaupt zu diskutieren. Diese und weitere Vorschläge, die Verbraucherschützer und Grüne in Deutschland und Österreich schon seit einiger Zeit einbringen (wie zum Beispiel eine Ausweispflicht für die "Haltbarkeitsdauer" aller Produkte), sind nicht neu, sie werden aber bis heute net amal ignoriert.

Auch eine Ressourcenfrage

Konservative Politik begrüßt vielmehr das schnelle Austauschen von Konsumgütern, kurbelt es doch "das Wirtschaftswachstum" an. Wie das - auch - zustande kommt, wird gerne ausgeblendet. Natürlich soll in einer freien Marktwirtschaft niemand daran gehindert werden, sich neue Fernseher oder Mobiltelefone zu kaufen, sooft er will, und Werbung dafür sei immer erlaubt, schon weil sie auch unterhaltsam sein kann.

Geplante Obsoleszenz ist aber etwas anderes: Unternehmer, die sie anwenden, handeln wie Gaswerke, die heimlich die Fenster ihrer Kunden öffnen, damit diese mehr Gas verheizen müssen. So schön und gut Produktion und Handel auch sein mögen: Dafür, dass wir im großen Stil nachproduzieren und nachkaufen, was gar nicht hätte ersetzt werden müssen, sollten uns unsere Rohstoffe und unser Börsel zu lieb und zu teuer sein.

Das vorsätzlich herbeigeführte Kaputtgehen von Produkten aller Art ist kein Orchideenthema des Konsumentenschutzes, es betrifft uns alle und schadet uns allen. Diese Praxis abzustellen wird allein nicht das Klima retten. Aber darum geht es gar nicht. Sondern bloß um die Frage: Wer heizt schon gern zum Fenster raus? (Georg Bürstmayr, DER STANDARD, 8.4.2013)