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Schengen II: die Ortstafel der Gemeinde in Luxemburg, wo 1985 der Grundstein des Abkommens für die europaweite Reisefreiheit und Ausgleichsmaßnahmen wie das Fahndungstool SIS gelegt wurde.

Foto: APA/ANDREAS TROESCHER

Wien/Straßburg - Wenn Regine Wieselthaler-Buchmann, die Leiterin der Abteilung für internationale Polizeikooperation, am 9. April im Hochsicherheitsbereich des Bundeskriminalamtes auf die Enter-Taste des Schengener Informationssystem (SIS) drücken wird, wird sie kurz den Atem anhalten. Und, wenn alles gutgeht, den Switch-Over von SIS I. auf SIS II. feiern können. 

Erweiterung europaweiter Fahndungsmöglichkeiten

Die europaweiten Fahndungsmöglichkeiten der Polizei werden damit massiv erweitert. Erstmals werden unter anderem auch verdächtige Wertpapiere, Aktien, Schecks und Kreditkarten in den SIS-Zentralrechner in Straßburg und in das Backup-System im sogenannten Regierungsbunker in St. Johann im Pongau eingespeichert.

Derzeit hängen 28 Staaten am SIS, darunter alle EU-Länder außer Großbritannien, Irland und Zypern, deren Einstieg aber vorbereitet wird. Außerdem haben sich Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein dem größten europäischen Fahndungssystem angeschlossen. Durch das Upgrade auf SIS II. werden die derzeit 47 Millionen gespeicherten Datensätze auf geschätzte 70 Millionen anwachsen. Alle Polizei- und Grenzkontrolldienststellen der teilnehmenden Länder können darauf unmittelbar zugreifen.

Grundsätzlich sind im SIS Daten zur Personen- und Sachfahndung ausgeschrieben. Neu sind neben den bereits erwähnten Finanzdaten:

  • Biometrische Daten Bisher mussten biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Fotos von Verdächtigen extra angefordert werden. Ab nun sind diese Daten sofort verfügbar. Die DNA-Datenbank bleibt abgekoppelt, kann aber über eine verschlüsselte Verlinkung in die zuständige Abteilung eingebunden werden.
  • Sachfahndung Zusätzlich zu schon bestehenden Fahndungen nach Waffen, Banknoten, Personaldokumenten und Kfz werden Zulassungsscheine, Wasserfahrzeuge, Luftfahrzeuge, Baumaschinen und Container in die Liste aufgenommen.
  • Verknüpfung Künftig wird die Möglichkeit geschaffen, Personen- und Sachfahndung zu verknüpfen. "Zum Beispiel um Bewegungsprofile von flüchtigen Straftätern zu erstellen oder Vermisste zu suchen", erklärt Stefan Sturmann vom Bundeskriminalamt. Bisher wurden etwa bei Autodiebstählen Autos und Verdächtige getrennt voneinander gelistet.
  • EU-Haftbefehle Auch die EU-Haftbefehle werden ins SIS II. aufgenommen, die Polizei verspricht sich dadurch rasche Zugriffe. Generell müssen nationale Sicherheitsbehörden Haftbefehle aus anderen SIS-Ländern vollziehen.

    Das Schengener Informationssystem ist eine Ausgleichsmaßnahme für die 1985 erstmals in der kleinen Luxemburger Moselgemeinde Schengen beschlossene Reisefreiheit. Österreich ist seit 1997 im Schengen-Verband und hat seither 2666 ausgeschriebene Personen zur Auslieferung festgenommen. 2482 Personen blieben aufgrund einer österreichischen Fahndung im SIS-Netz hängen.
  • Identitäts-Diebstahl Neu ist auch die "Missused Identity": Personen, in deren Namen ein Delikt begangen wurde, die aber unschuldig sind, können sich im SIS eintragen lassen und so möglichen Problemen auf Reisen vorbeugen. (Michael Simoner, DER STANDARD, 6./7.4.2013)