Rudolf Sarközi, der Chef und die Seele der österreichischen Roma.

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Wien - Rudolf Sarközi ist ein Mann, dessen Herz bummvoll ist. Das merkt man nicht nur - aber schon auch - daran, dass ihm der Mund zuweilen übergeht. Aber genau so einen, der nicht still duckmäusert, brauchte es wohl Ende der 1980er-Jahre. Sonst hätte ihm wahrscheinlich niemand zugehört. Und die Roma wären immer noch dort, "wo sie damals gestanden sind: Das war Elend, Not, Ausgrenzung und Nichtbeachtung."

Nicht nur dem Rudolf Sarközi reichte es damals. Erst recht, wenn er seine alte Heimat in Oberwart besuchte und beobachten musste, wie die Jungen behandelt wurden. "Alle sind in die Diskotheken gegangen, nur die 'schwarzen Murln' haben sie rausgeschmissen." Die Jungen wollten sich das nicht mehr gefallen lassen, Sarközi hat den durchaus auch brisanten Unmut ins Politische kanalisiert.

Unwissenheit über Kultur

Über den Bund sozialistischer Freiheitskämpfer, bei dem Sarközi Mitglied war, wurde das Thema auf einen SPÖ-Parteitag gebracht. Wenig später wollte er es im Parlament behandelt wissen. Zwei burgenländische Abgeordnete, "der Ernst Piller von der SPÖ und der Paul Kiss von der ÖVP, haben die Petition eingebracht", einstimmig wurde sie angenommen.

"Viele Abgeordneten waren wirklich überrascht. Die haben ja nicht gewusst, dass wir eine eigene Kultur und Sprache und ein Siedlungsgebiet haben." Weil die Roma das aber haben - im Burgenland und, quasi als Filiale, in Wien - sind sie seit 1993 die sechste autochthone Volksgruppe des Landes. "Früher waren wir Zigeuner, das gibt es jetzt nicht mehr."

Geboren im KZ

Wie weit der Weg gewesen ist von den Zigeunern zu den heutigen Roma, zeigt die Biografie des Volksgruppenchefs geradezu exemplarisch. "Ich bin ja im KZ auf die Welt gekommen, 1944 in Lackenbach." Nach der Befreiung zog die Mutter in ihren Heimatort Unterschützen. Telutni Schica, wie der Ort nahe Oberwart auf Roman heißt, gab es nicht mehr.

Die Ausgrenzung sehr wohl. Sarközi besuchte die achtklassige Volksschule, "aber mit meinem Namen hab ich nirgends eine Lehrstelle gefunden. Mit 18 hab' ich den Lkw-Schein gemacht, wollte Berufskraftfahrer werden." Wie viele Roma suchte er die Anonymität der Großstadt. Rudolf Sarközi wurde Wiener. Als Betriebsrat in der MA 48 ging er in Pension und schaukelt seither neben dem "Kulturverein österreichischer Roma" weiterhin den Volksgruppenbeirat im Bundeskanzleramt, dessen Vorsitzender er ist.

Vom Rand in die Mitte

Zwei Dinge habe die Anerkennung als Volksgruppe vor allem gebracht: "Die Bildungsgeschichte ist das Allerwichtigste. Gleich danach kommt aber das Soziale, die gesellschaftliche Anerkennung. Mit Veranstaltungen haben wir uns vom Rand in die Mitte gebracht." Und so heißt auch das Buch, das der Verein zum 20-jährigen Jubiläum der Anerkennung herausgebracht hat.

Das Abschieben in die Sonderschulen hat sich aufgehört, mittlerweile studieren Roma, "es wächst eine ganz andere Generation heran, die von all dem nichts mehr weiß." "All das" - das ist auch der Holocaust, in dem von 7000 burgenländischen Roma nur 400 überlebten - dürfe nicht vergessen werden. "Das spezielle Gedenken ist ein unbedingtes Muss."

Namensvetter

Insgesamt, meint Sarközi, ist Österreichs Romapolitik der vergangenen 20 Jahre europaweit vorbildlich. Das habe er 2010 auch der EU-Kommissarin Viviane Reding geschrieben, als "mein Namensvetter, der Nicolas Sarkozy" die rumänischen Roma aus dem Land geworfen hat, "das ist auch der Kommissarin zu weit gegangen."

Nun müsse jedes EU-Land eine Strategie für Roma-Integration erarbeiten. "Wir sind die größte Volksgruppe, man schätzt zwischen zehn und zwölf Millionen." Die neue Perspektive in der Volksgruppenpolitik, "die ich begleite, solang mich meine Füße noch tragen", heiße Europäisierung. "Die EU gibt ja viel Geld her. Aber unten kommt nie was an." (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD, 6./7.4.2013)