Greifen Sie ihn an", sagt Ulrich Bez, "Sie müssen ihn angreifen!" Zögerlich gehe ich zum Wagen, lege ihm die Hand aufs Dach. "Angreifen!", blafft Bez, "Sie müssen ihn fühlen. Tasten Sie die Linien." Der Rapide S steht still da, und ich fasse ihm vorsichtig an die Flanke. Dann streichle ich die Motorhaube, kraule den Kühlergrill, kitzle die Linien, schmiege mich an die Tür, kuschle mich an den Kofferraum, liebkose schließlich den kleinen Spoiler am Heck.

Foto: aston martin

"Sehen Sie", sagt Bez, "den kann man fühlen. Der kommuniziert mit ihnen." Bez macht eine Pause, blickt auf den Wagen, dann schaut er mich an und sagt: "Ich glaube, der mag Sie." Ulrich Bez ist nicht normal. Er baut die tollsten Auto der Welt. Das glaubt er. Er ist der Chef von Aston Martin. Das lebt er. Jedenfalls sind es die schönsten Autos der Welt. "Einen anderen Wagen schließen Sie ab und gehen weg. Nicht so einen Aston Martin. Den schließen Sie ab, dann gehen Sie weg, dann bleiben Sie noch einmal stehen, drehen sich um und schauen den Wagen an. Jedes Mal. Weil es ein Aston Martin ist." Bez redet gerne.

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Und obwohl er sich eigentlich dem Understatement verpflichtet fühlt, ein Aston Martin ist schließlich keine Angeberkutsche, und Bez nicht so auf Superlative steht, das ist etwas für die Lamborghinis und Ferraris, muss er jetzt doch sagen: "Das ist der stärkste und der luxuriöseste viertürige Aston Martin, der je gebaut wurde." Der Rapide S ist derzeit auch der einzige Aston Martin mit vier Türen. "Fassen Sie an", sagt Bez.

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Es ist keine Limousine, auch keine sportliche Limousine, es ist ein Sportwagen, darauf beharrt Ulrich Bez, ein reinrassiger Sportwagen, "mit dem können Sie jederzeit auf die Rennstrecke gehen". Der Zwölfzylinder leistet 558 PS. Das ist ausreichend, findet Bez. "700 PS, Klimbim! Das ist etwas fürs Quartett, fürs Kartenspiel, da können Sie angeben, aber das bringen Sie doch niemals auf die Straße!" Für den Rapide S seien die 558 PS ausreichend, mehr als das.

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Wir sind in Torrent, irgendwo im katalanischen Hinterland, Empordà heißt die Gegend. "Kommen Sie", sagt Bez, "fahren wir." Der Konstrukteur des Wagens ist auch da, er soll uns begleiten. Er darf – erraten – hinten sitzen. Er schaut sehr freundlich, aber wenn man sich kurz wegdreht, hört man ihn wimmern, in böser Vorahnung.

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Mit einem Brüllen springt der Wagen an. "Schön, nicht wahr?" Bez ist schon einmal zufrieden. Er lauscht. "Sie können ruhig zur Sache kommen", sagt er. Der Konstrukteur wimmert. Wir verlassen den Parkplatz des Hotels, durchqueren einige Ortschaften, die Leute winken uns zu, der Rapide sprotzt zurück, kernig, aber freundlich.

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Wir fahren Richtung Pyrenäen, erklimmen erste Hügel, dann geht's in die Berge. "Jetzt machen Sie schon", sagt Bez. Wir wählen eine andere Fahrwerkeinstellung, legen den Wagen stramm auf die Straße, gehen in den Sport-Modus. Der Konstrukteur wimmert , aber gleich ist er nicht mehr zu hören. Der Wagen brüllt, frisst sich in den Asphalt, schwingt sich die Kurven hoch, tobt nach vorn. Irgendwo am Straßenrand stehen zwei Polizisten. Sie winken. "Nette Leute", sagt Bez.

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306 km/h wären möglich, falls das wer wissen mag, und die null auf hundert gehen in 4,9 Sekunden. Drehmoment: 620 Newtonmeter. Und für die dummen Nachfragen: Nein, der fühlt sich nicht an wie die zwei Tonnen, die er wiegt, er ist flink und behände.

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Wir turnen an Girona vorbei, müssen einmal tanken, ja doch, das waren jetzt gute 20 Liter im Schnitt. In Ribes de Freser kehren wir bei Anna ein, es gibt katalanische Jause, Bez mag es gerne einfach, und jetzt erklärt er den Sinn von Luxus. Da braucht man nichts hinterfragen, Luxus ist nicht logisch, folgt keinen Argumenten. "Und wenn die Türen hinten nur für Freunde da sind, die Sie zum Restaurant mitnehmen – wen stört's?" Auch wenn der Rapide S der luxuriöseste aller Aston Martins ist, er ist nicht das teuerste Modell. Das gefällt Bez.

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Wenn man ihn nach Stückzahlen fragt, flüchtet er sich in Ausreden, da kommt er wieder auf den Luxus zu sprechen, was hat das denn mit Stückzahlen zu tun! Jedenfalls ist der Rapide S richtig exklusiv. In Österreich wird er übrigens um 253.500 Euro zu haben sein.

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Irgendwie hat der Konstrukteur, der beim Aussteigen ein bisschen blass um die Nase war, aber immerhin seine eigene Türe hatte, eine andere Mitfahrgelegenheit gefunden, also machen wir uns zu zweit auf den Rückweg. Bez erzählt noch die Geschichte, warum der Wagen nicht weiß ist, sondern morning frost. So heißt nämlich die Farbe. Kälte, England, man kann es sich vorstellen, der silberne Vantage stand draußen vor der Tür, ganz vom Frost überzogen.

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Bez rief: "So eine Farbe will ich haben." Darum sitzen wir jetzt in einem Wagen, der morning frost ist. Man könnte auch weiß dazu sagen, aber nicht solange Bez in der Nähe ist.

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Zurück in Mas de Torrent springt Bez aus dem Wagen, er hat noch zu tun, Frau anrufen, ihr von der Sonne erzählen, schauen, ob der Konstrukteur schon wieder da ist. Ich stelle den Wagen ab, gehe weg, bleibe stehen und drehe mich um. Schau den Aston Martin an. Und tatsächlich, wie er so dasteht, sehe ich es ganz genau: morning frost. So schön. (Michael Völker, DER STANDARD, rondoMOBIL, 6.4.2013)

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