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Ein riesiger Datensatz gibt Aufschluss über geheime Geschäfte in Steueroasen.

Foto: ap/David McFadden

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Grafik: APA

Medien aus aller Welt haben einen Datensatz immensen Ausmaßes über geheime Steuerschlupflöcher und dubiose Briefkastenfirmen rund um den Globus ausgewertet. 86 Journalisten in 46 Ländern lieferten damit schier unglaubliche Ergebnisse. Dazu einige Fakten: Gemessen an den Gigabytes ist der Datensatz 160-mal größer als jener der Wikileaks-Affäre aus dem Jahr 2010. Die 2,5 Millionen Dokumente enthalten Daten von 130.000 Personen aus mehr als 170 Ländern, darunter Politiker, Unternehmer, Oligarchen, Waffenhändler und Spekulanten.

Zwei geheime Informanten sandten die Unterlagen vor einem Jahr auf einer Festplatte per Post dem Internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) zu. Zur Auswertung der Dokumente arbeitete das ICIJ mit Journalisten von "The Guardian", der BBC, "Le Monde", "Washington Post", The Canadian Broadcasting Corporation, der "Süddeutschen Zeitung" (SZ), dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) und weiteren 31 Medien zusammen.

Die EU-Kommission dringt in einer ersten Reaktion auf eine bessere Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten. Sie sollten Steuerparadiese besser identifizieren und auf "Schwarze Listen" setzen. Ein Sprecher der Kommission forderte die Mitgliedsstaaten auf, zunächst einmal gemeinsam zu definieren, was eigentlich ein Steuerparadies ist. Die EU-Kommission hatte im Dezember einen Aktionsplan vorgelegt, um den Kampf gegen Steuerhinterzieher und Steuerparadiese europaweit abzustimmen und zu verschärfen. Darin werden die Mitgliedstaaten aufgerufen, nach gemeinsamen Kriterien Steuerparadiese auszumachen und diese dann auf Schwarze Listen zu setzen.

Aus der Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat es zum Thema "Offshore-Leaks" geheißen, eine Summe der Steuerhinterziehung in Österreich zu schätzen, sei "Kaffeesudleserei". Niemand könne abschätzen, wie hoch die Steuerflucht insgesamt sei. Die Oasen würden durchaus auch von der internationalen Staatengemeinschaft geduldet und auch angeboten - "zu unserem Entsetzen", wird Wirtschaftstreuhänder-Chef Klaus Hübner von der Austria Presseagentur zitiert.

Das Deutsche Bundesfinanzministerium hat die die beteiligten Medien unterdessen um die Unterlagen gebeten. "Wir gehen davon aus und begrüßen es, wenn nunmehr die relevanten Unterlagen an die zuständigen Steuerbehörden der Länder übermittelt werden", sagte der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Behörden könnten dann zügig Ermittlungen aufnehmen und entsprechende Verfahren einleiten.

Die Operation "Offshore-Leaks"

Sebastian Mondial, der an dem Projekt "Offshore-Leaks" mitgearbeitet hat, gibt in einem Interview mit dem NDR einen Einblick in seine Arbeit: "(...) Millionen von Dokumenten, vor allen Dingen E-Mails, ungefähr 1,5 bis zwei Millionen, je nachdem, ob man Doppelte raus zählt oder nicht. Wenn man das auf ausgedruckte DIN-A4-Seiten umrechnen würde, wären das wohl zwischen fünf und sieben Millionen Seiten. Dazu kommen noch zwei Datenbanken, die rund 2.000, 3.000 Einträge zu verschiedenen Offshore-Firmen haben." Und über seine Arbeit: "Das Schwierigste ist bei so einer Menge, dass man nicht mehr perfekt arbeiten kann, dass man nicht mehr sagen kann: Ich sichte jetzt alles. Die reine Lebenszeit der beteiligten Journalisten würde nicht ausreichen, jedes Dokument einzeln zu lesen und vernünftig einzuordnen und zu sichten. Deshalb war es auch am Anfang ohne spezielle Software nahezu unmöglich, durch diese Daten durchzudringen."

Was das ICIJ als "Global Impact" bezeichnet, ist die Praxis der Steuertricks der letzten 30 Jahre. Die Dokumente decken auf, wie Reiche und Kriminelle mithilfe von Briefkastenfirmen, Offshore-Konten und anderen Mitteln wie beispielsweise Trusts ihre Vermögen versteckten und zweifelhafte Geschäfte abwickelten, berichtet die "SZ". Das Blatt hat eigenen Angaben zufolge monatelang die Fälle nachrecherchiert und penibel überprüft.

Gunter Sachs unter den Prominenten

Der prominenteste Fall unter den hunderten deutschen Steuertricksern ist der 2011 verstorbene Industriellenerbe Gunter Sachs. Er soll vor seinem Ableben Teile seines Vermögens in Firmenkonstrukte gesteckt haben, die ihren Sitz in Steueroasen wie den Cook-Inseln im Südpazifik und in Panama haben. Seine Nachlassverwalter weisen das laut der Zeitung zurück. Sollten allerdings doch Steuern hinterzogen worden sein, könnte das für die Erben des einstigen "Playboys" Nachzahlungen zur Folge haben.

Suche nach Marcos' Milliarden

Die älteste Tochter des ehemaligen philipinischen Diktators Ferdinand Marcos, Maria Imelda Marcos Manotoc, soll den Dokumenten zufolge Trusts auf den Britischen Jungferninseln besitzen und sie verschwiegen haben. Die philippinischen Behörden wollen nun ermitteln, ob dort Teile der fünf Milliarden Dollar geparkt waren, die Marcos durch Korruption anhäufte und mit denen er in den 1980er Jahren das Land verlassen hatte. 

Weiters berichtet die Zeitung von zwei Briefkastenfirmen des Wahlkampfmanagers von Frankreichs Präsident François Hollande auf den Cayman-Inseln. Jean-Jacques Augier bestritt gegenüber dem Blatt allerdings, damit illegale Geschäfte zu betreiben. Auch russische Oligarchen und Politiker werden schwer belastet: Die Frau des stellvertretenden Regierungschefs Igor Schuwalow, Olga, und zwei Topmanager des Energiekonzerns Gazprom sollen Geld in Steueroasen versteckt haben. Alle drei lehnten laut ICIJ eine Stellungnahme ab. Die "SZ" berichtet zudem über dubiose Geschäfte der Töchter des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev, Arzu and Leyla, die während des Baubooms Millarden mit versteckten Firmen verdienten. Ebenfalls genannt werden in den Dokumenten 103 griechische Offshore-Firmen. Das örtliche Finanzministerium kündigte bereits an, die Informationen auswerten und und auf mögliche illegale Aktivitäten oder Gesetzesverstöße überprüfen zu wollen. Die meisten Offshore-Unternehmer kamen aus China, Hongkong, Taiwan, den GUS-Staaten und der ehemaligen Sowietunion. Beliebtester Parkplatz für steuerflüchtiges Geld sind die Britischen Jungferninseln.

"Eine Geheimwelt wurde enttarnt"

"So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen. Eine Geheimwelt wurde endlich enttarnt", zitiert das ICIJ Arthur Cockfield, einen Rechtsprofesser und Steuerexperten der Queen's University in Kanada, der Einsicht in die Akten hatte. Er habe sich wie in einer Szene des Filmklassikers "Der Zauberer von Oz" gefühlt: "Man zieht den Vorhang zurück und entdeckt den Zauberer, wie er an seiner geheimen Maschine arbeitet."

Die Reichen der Welt haben einer Studie des Tax Justice Network aus dem Jahr 2012 zufolge Finanzvermögen von 21 bis 32 Billionen Dollar (bis zu 26.230 Milliarden Euro) in Steueroasen gebunkert. Dadurch seien den Staaten Einkommensteuern in Höhe von bis zu 280 Milliarden Dollar entgangen. Allein in der Schweiz sollen Österreicher laut Ex-SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter 16 bis 20 Milliarden Euro Schwarzgeld bunkern. Und das, obwohl es offiziell gar keine "Steueroasen" mehr gibt.

Das Tax Justice Network ist eine Nichtregierungsorganisation, die einen weltweiten Kampf gegen Steuerflucht führt. Die Studie verwendet Daten der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Vereinten Nationen und der Nationalbanken. Untersucht werden nur Finanzvermögen. Sachvermögen wie Immobilien, Goldbestände, Yachten und Rennpferde etwa werden nicht berücksichtigt. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 4.4.2013)