EVN-Kasse im Roma-Viertel.

Foto: Markus Bey

Der niederösterreichische Strom- und Wasserversorger EVN hat derzeit viele weniger gute, aber eine alte gute Geschichte aus Bulgarien zu erzählen: EVN oder wie das Licht nach Stolipinowo kam.

Stolipinowo am Ostrand der bulgarischen Großstadt Plowdiw ist das größte Roma-Viertel im Land und vielleicht sogar das größte in Europa: 35.000 Bewohner im Sommer, 70.000 oder mehr im Winter. Eine Trolleybuslinie fährt einmal herum, aber von den Roma-Bewohner drinnen hatten sich Staat und Stadtverwaltung nach der Wende 1989 allmählich verabschiedet. Es gab keine Investitionen bei Schulen, Straßen, Trinkwasser, Abwasser und Strom, kaum Reparaturen, dafür Neubauten ohne Genehmigung und den Einzug stromfressender neuer Haushaltsgeräte wie überall sonst in Plowdiw und Bulgarien.

Als die EVN 2004 den Zuschlag bei der Teilprivatisierung der Stromversorgung im Süden Bulgariens erhielt, erbte sie auch Stolipinowo, elektrotechnisch betrachtet ein "mess". 40 Prozent des Stroms gingen gleich im Netz verloren; bei den konsumierten 60 Prozent gab es genau drei Prozent regelmäßig zahlende Kunden. Stromzähler für eine einzelne Wohnung waren die Ausnahme, jeder zapfte Strom beim Nachbarn an, selbst gebasteltete Stromleitungen hingen zwischen den Hauswänden. Weil die Rückstände bei den Stromrechnungen so hoch wurden, schaltete der staatliche Stromversorger 2002 das Licht aus. In Stolipinowo und anderen Roma-Vierteln des Landes begannen Krawalle. Am Ende gab es zeitweise Strom – von 10 Uhr abends bis 8 Uhr morgens. "Niemand wollte Stolipinowo anfassen. Jeder dachte, es ist eine Bombe", erzählt Kalina Trifonowa, eine EVN-Managerin in Plowdiw, die später den großen Umbau im Roma-Viertel leiten sollte.

187 Kilometer neue Leitung verlegte die EVN in Stolipinowo, 17 Umspannstationen wurden errichtet, jeder der 8.500 Haushalte bekam einen eigenen Zähler – und eine eigene Abrechnung. Das Unternehmen investierte nach eigenen Angaben rund drei Millionen Euro, im September 2007 war das Licht zurück, 24 Stunden am Tag. Die Niederösterreicher rutschten irgendwann auch in die Sozialarbeiterrolle. Um ihre Einnahmen sicherzustellen, boten sie den Familien Kurse für Haushaltsplanung an, brachten Stadtverwaltung, Roma-Vertreter und den staatlichen Stromerzeuger NEK an einen Tisch und beschäftigen bis heute Mediatoren aus dem Roma-Viertel, die bei Problemen mit den Stromrechnungen vermitteln sollen. Zahlquote heute laut Frau Trifonowa: 98 Prozent. (Markus Bernath, derStandard.at, 3.4.2013)