Peter Daniel und Nicole Horn: Von Jus über die Kunst kamen sie zum Design. Hier sind die beiden inmitten ihrer Kollektion von Möbeln zu sehen, die die Essenz der guten alten Stube neu interpretieren soll.

Foto: Peter Rigaud

STANDARD: Sie sind beide als Designer tätig. Hat diese Disziplin mit der Juristerei etwas gemeinsam?

Peter Daniel: Ich glaube, schon. Von der juristischen Methodenlehre her gibt es eine gewisse Logik, und unser Möbelkonzept baut sich auch modular auf. Das heißt, wir haben mit einem Schemel begonnen, dann kam eine Lehne drauf usw. Also wenn man die Logik als gemeinsamen Nenner sehen will, dann sag ich durchaus Ja.

Nicole Horn: Es geht auch darum herauszufinden, wonach die Zeit verlangt.

Daniel: Weil das die Juristen immer wissen (lacht).

STANDARD: Und die jetzige Zeit braucht neue Stuben?

Daniel: Wir denken, dass es wichtiger wird, Räume zu schaffen, die Kommunikation ermöglichen. Die Stube war immer ein Raum des Miteinanders. Wir wollen aber auch etwas Reduziertes, Funktionelles gestalten, das dennoch Wärme, Behaglichkeit etc. mittransportiert.

STANDARD: Der Begriff Stube ist weitgehend aus dem Sprachgebrauch verschwunden.

Horn: Ich glaube, es ist in den letzten Jahren einfach viel an Identität verlorengegangen. Gerade auf dem Land wurde immer mehr darauf geachtet, wie sich der Tourist ländliches Leben vorstellt. Das wird überhöht, in vorauseilendem Gehorsam imaginiert, und dann entsteht nicht selten Kitsch.

Daniel: Es gibt die "gute Stube", den "Stubenhocker", den "Stubenring" in Wien.

STANDARD: Wieso heißt der so?

Daniel: Angeblich waren hier früher Trink- und Badestuben angesiedelt.

STANDARD: Und die Stubenküken?

Daniel: Das weiß ich jetzt nicht.

STANDARD: Ich las, dass diese Tiere früher zum Schutz vor der Kälte im Wohnbereich gehalten wurden. Wann ist eigentlich eine Stube eine gute Stube?

Daniel: Wenn das gestalterische Konzept passt und jene Atmosphäre geschaffen wird, in der Menschen wirklich über einen längeren Zeitraum gemeinsam verweilen.

Horn: Ein Ort, an dem nicht beziehungslos irgendwelche Dinge eingebaut werden, um irgendeinen Effekt zu erzielen. Heute gibt es bezüglich Einrichtung einfach sehr viel Beziehungslosigkeit und sinnlose Behübschung, die im Kitsch endet. Im Alpinen waren immer Funktion und Inhalt ausschlaggebend.

STANDARD: Es scheint, als hätte immer mehr die Küche die Funktion einer Stube übernommen.

Daniel: Das stimmt. Früher war die Stube der einzig beheizte Raum im Haus. Die Küche war durchs Kochen warm, aber das Essen musste dann von dort in die Stube transportiert werden. Heute hat so gut wie niemand mehr Persona, und die Person am Herd will auch nicht mehr allein in der Küche werken. Küche und Stube rückten zusammen, deshalb arbeiten wir auch an einem Konzept mit Intuo und Miele, das im Mai präsentiert wird.

STANDARD: Was können die von Ihnen entwickelten Stubenmöbel?

Daniel: Unsere Stube ist zum Beispiel nicht durch eine Eckbank in eine spezifische Raumgegebenheit fixiert. Das war früher anders. Man hatte zwei Fenster und das war oft die einzige Lichtquelle. Unsere Stube ist mobil. Niemand muss aufstehen, wenn ein anderer auf die Toilette will. Man kann Tische zusammenstellen, was in der Gastronomie häufig nötig ist. Herrgottswinkel haben wir übrigens keinen mehr. Die Schwachstelle bei alten Möbeln war immer der Fußkranz, weil er sich abwetzte. So sind wir bei mattem Edelstahl gelandet.

STANDARD: Bei Edelstahl fällt einem jetzt nicht unbedingt der Begriff Gemütlichkeit ein. Welche Rolle spielt denn dieser im Zusammenhang mit Stube?

Horn: Eine große. Wärme, Wohlfühlen, Behaglichkeit, wie gesagt, das ist das Wesentliche an einer guten Stube. Es geht weniger ums Chillen, sondern ums gemeinsame Kommunizieren, Essen und Trinken.

STANDARD: Ist Facebook ein Feind der Stube?

Daniel: Ich glaube, wir sollten mehr Räume schaffen, in denen man nicht dauernd erreichbar sein muss. Wenn man das mit einer Stube bewerkstelligen könnte, dann wäre das ein moderner, neuer Luxus. Wir leben in einer Zeit des Verinformierens. Wir können all die Information, die wir ständig erhalten, nicht mehr reflektieren. Das Internet ist ja nur ein vermeintliches Vernetzen, das eigentlich immer mehr zu sozialer Isolation führt.

STANDARD: Ihr Konzept "stuben21" soll die Essenz der alten Zirbenstube neu interpretieren. Was ist denn diese Essenz?

Daniel: Wir haben uns sehr viele Stuben in vielen Regionen angesehen. Wir wollten den gemeinsamen Nenner herausfinden. Aus unserer Sicht ist das, was wir bauen, diese Essenz, das fängt beim Fußkranz der Tische an und hört bei der Truhe - als Sideboard umfunktioniert - auf.

STANDARD: Sie wollen mit Ihren Möbeln außerdem Alpines mit Urbanem verbinden. Ist das nicht ein Widerspruch, bzw. wozu?

Horn: Die Trendforscherin Li Edelkoort sagt, der nächste tragende Trend wird eine Osmose von Stadt und Land sein. Das gab's zumindest einseitig schon zu Zeiten der Sommerfrische, als der großstädtische Salon temporär aufs Land transferiert wurde. Ich denke, die Stadt kann viele Bereicherungen durch alpine Traditionen erfahren, gerade was Behaglichkeit und Einfachheit betrifft.

STANDARD: Gibt es ein räumliches Gegenstück zur Stube?

Daniel: Nun, das wären all jene Räume, die besonders kalt, anonym und hochtechnisiert sind.

STANDARD: Aber man liest immer mehr von intelligenten Häusern, von Kühlschränken, die einem den Einkaufszettel aufs Smartphone senden etc.

Daniel: Davon halt ich persönlich nichts.

Horn: Es ist nicht notwendig, die Technik draußen zu lassen, aber es entspricht halt nicht unserer Idee.

STANDARD: Also kein von Ahornholz eingefasster Touchscreen als Tischfläche?

Daniel: Kann man machen, aber ich fänd's schade. Man würde sich ja die schöne Holzplatte versauen.

(Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 5.4.2013)