Alle wissen, wie es geht, betreiben aber Klientelpolitik und verhindern eine wirkliche, große Reform. Die "bösen Hausbesitzer" gegen die sich als "Eigentümer gerierenden Mieter". Dabei ist allen klar, dass die dramatische Verteuerung von Bau- und Grundstückskosten die wahren Ursachen sind. Tatsächlich würden Mietobergrenzen und eine weitere Verkomplizierung des ohnehin undurchsichtigen Mietrechts die Vermieter nur dazu anspornen, mehr Wohnungseigentum zu schaffen, Wohnungen zusammenzulegen oder illegale Ablösen zu verlangen, was letztlich zu einer Reduzierung des Angebots führen würde. Stattdessen brauchen wir verschiedenste Schritte, um das Angebot zu erweitern.

1. Geförderter Wohnbau: Die Zweckwidmung der zum Teil aus Steuergeld dotierten Wohnbauförderung muss sofort erfolgen. Die öffentliche Hand ist aufgefordert, neue Wege zu suchen, um noch mehr Geld in den Wohnbau zu investieren. Das kann eine neue Form des Bausparens sein genauso wie eine neu einzuführende, in einem Fünf- oder Zehnjahresrhythmus festgelegte gestaffelte Anhebung von geförderten Wohnungsmieten. Diese Erhöhungen müssten deutlich unter den Richtwerten liegen, sodass kein Mieter aus der Gemeindewohnung gedrängt wird und die soziale Durchmischung erhalten bleibt.

Man braucht weder Gehaltsschnüffelei noch Kontrolle. Vielmehr müsste jeder geförderte Mieter durch Übersendung einer Lohn- oder Einkommenssteuererklärung dafür Sorge tragen, dass diese Erhöhungen für ihn nicht greifen. Durch solche Maßnahmen werden die wenigen Wohnbaufördermittel gerechter verteilt und kommen jenen zugute, die sie wirklich brauchen. Grundsätzlich sollte verbilligtes Wohnen von der öffentlichen Hand angeboten werden und nicht private Hausbesitzer per Gesetz gezwungen werden, Mieter zu subventionieren (auch das wäre gerechter als der jetzige Zustand).

2. Radikale Änderung des Mietrechtsgesetzes in ein neues, einfaches und transparentes Gesetz: Die Anachronismen des Mietgesetzes von 1916 und seine zahlreichen Novellierungen sollten endlich beseitigt werden. Es sollte nur zwei Arten von Mietbereichen geben: Wohnungen bis 130 Quadratmeter, die vor 1981 errichtet wurden. Hier sollte ein transparentes, für alle nachvollziehbares Richtwertsystem gelten. (Eine Liste der Auf- und Abschläge sollte im Internet abrufbar und in jedem entsprechenden Mietvertrag enthalten sein.) Es stellt sich dabei die Frage, wieso in Wien, wo die höchsten Durchschnittsgehälter in Österreich verdient werden, die Richtwerte wesentlich niedriger sind als in Graz oder Salzburg.

Alle anderen Mietobjekte sollten frei vermietet werden (Wohnungen über 130 Quadratmeter, Wohnungen, die nach 1981 errichtet wurden, Geschäftslokale, Büros usw.).

Eintrittsrechte sollten generell nur noch für Ehegatten und Lebensgefährten gelten. Für alle anderen sollte ein Eintrittsrecht ausschließlich nach dem Richtwertsystem gelten. Für bestehende Mietverträge sollte eine entsprechende Übergangszeit festgelegt werden. Natürlich würden sich die Mieten für einige verteuern, es würden aber insgesamt wesentlich mehr Wohnungen in den Markt kommen und insgesamt zu einer Verbilligung der Mieten führen.

3. Betriebskosten: Mieter sollten nur jene Betriebskosten zahlen, die sie selbst verursachen. Hausverwaltungskosten, Versicherung und Grundsteuer sollten von den Vermietern getragen werden.

4. Instandhaltungsverpflichtung des Vermieters: Die Vermieter sollten für die Instandhaltung aller technischen Anlagen einer Wohnung zuständig sein (Heizung, Elektrik, Sanitär). Dafür bedarf es einer eindeutigen, im Gesetz festgelegten Pflichtenverteilung.

5. Steuerlicher Anreiz für Investitionen in Ballungszentren: Wir sollten endlich aufhören, unsere Wirtschaft kaputtzusparen. Investitionen in Häuser in städtischen Kernzonen, mit welchen neuer Wohnraum geschaffen wird, sollten steuerlich wesentlich stärker gefördert werden. Jeder so geschaffene neue Arbeitsplatz ist eine wesentlich bessere Sparform.

Große Kompromisse bedürfen großer Anstrengungen. Menschen verstehen, wenn sie mehr zahlen müssen, sofern diese Mehrkosten nicht als ungerecht empfunden werden. Eine Reform des Mietrechts müsste also ein Geben und Nehmen sein, bei dem es am Ende weder Sieger noch Verlierer gibt, aber die ganze Bevölkerung langfristig das Gefühl bekommt, dass Wohnen gerechter und daher billiger wird. (Ariel Muzicant, DER STANDARD, 3.4.2013)