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Das "heilige Land" Tirol.

Foto: APA/Daniel Karmann

Zu gut gemeint kann elend ins Auge gehen - vor allem bei jenseitig formulierten Artikeln. So geschehen in der Sonntagsausgabe einer traditionellen westösterreichischen Tageszeitung. Wohlmeinend geplant dürfte eine lauschig-positive Pro-Migranten-Story gewesen sein. In Druck ging ein rassistisches Medien-Desaster. Die Chefredaktion hat sich sofort entschuldigt. Auf der Website der Zeitung ist der journalistische Fehltritt allerdings nach wie vor nachzulesen.

Wie ist ein solcher - verharmlost gesagt - Lapsus heutzutage bei einer auf Seriosität bedachten Zeitung möglich? Liegt es an mangelnder Schulung in Sachen Qualitätsjournalismus? An nicht vermittelter Distanz zur eigenen Geschichte, am Sieden im eigenen Saft?

Besagter Artikel porträtiert einen in Innsbruck lebenden, "ordentlich" integrierten Migranten aus Marokko. Wie gesagt, möglicherweise gut gemeint aber strotzend von hier nicht zitablen Vorurteilen. Wir erinnern uns an den Tiroler FPÖ-Wahlkampf 2012: "Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe". Wir erinnern uns noch weiter zurück: 1945 befreiten marokkanische Einheiten als Teil der französischen Armee das "heilige Land" Tirol. Die damalige Vorstellungswelt war auf den Kopf gestellt: Dunkelhäutige Afrikaner befreiten die "helle" Bevölkerung von der Nazi-Diktatur. Schock lass nach - wenigstens heute, annähernd ein Menschenleben danach.

Zukunftskontinent Afrika

Kleiner Blick über alpine Abgründe hinaus: Was tut sich in Afrika selbst? Ökonomisch gesehen ist Afrika der Zukunftskontinent, ausländische Investoren sind entsprechend emsig engagiert. Ein Großteil der heutigen afrikanischen Staaten errang erst 1960, im "Afrikanischen Jahr", Autonomie. Zuvor waren sie vornehmlich französische Kolonien. 53 Jahre sind eine verdammt kurze Zeit, solide demokratische Strukturen zu etablieren. Was sich derzeit in der Zentralfafrikanischen Republik abspielt, ist mehr als ein Trauerspiel.

Triste Situation der Presse- und Informationsfreiheit

Entsprechend trist ist auch die Situation der Presse- und Informationsfreiheit. Auf der Pressefreiheits-Rangliste von Reporter ohne Grenzen nehmen Staaten wie Somalia, Sudan, Ruanda oder Eritrea die hintersten Ränge ein. Auch Mali, bisher in Sachen Pressefreiheit ein Vorzeigeland, ist seit den jüngsten politischen Unruhen wieder abgesackt. Generell gibt es in der Medienlandschaft kaum ein unabhängiges Mittelfeld sondern vornehmlich nur Pro- oder Kontra-Regierungsberichterstattung. Pro ist natürlich ungleich stärker. Gefragt ist weniger Informationsfreiheit als Meinungsmache.

Bestes Beispiel: dieser Tage in Mali die Inhaftierung des populären Journalisten Bukary Ndau. Er hatte den erpresserischen Brief eines Militärs an den interimistischen Präsidenten veröffentlicht. Inhalt: Loyalität nur gegen Geld. Was nicht sein soll, das darf nicht sein, zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

Pro- und Kontra-Berichterstattung

Zurück in die Europäische Union. Ungarn hat sein heftig kritisiertes Mediengesetz nun doch geändert. Die Repräsentanten der regierungsnahen Medienbehörde dürfen nach Ablauf ihrer Amtszeit nicht wiedergewählt werden. Schau, schau. Wie lange diese Amtsperiode dauert? Neun läppische Jahre. Da lassen sich in Sachen Medienpolitik doch einige Weichen stellen. Warten wir ab, wie sich dort auf Dauer das Kräfteverhältnis zwischen Pro- und Kontra-Regierungsberichterstattung die Waage hält. Kontra hat im Moment keine starke Karten, Pro hat Vorfahrt. Ungarn ist nicht irgendwo weit weg, Ungarn ist unser Nachbar. (Rubina Möhring, derStandard.at, 30.3.2013)