Die niederländische Arche Noah ist 150 Meter lang - in ihrem Inneren tummeln sich 1600 lebende Tiere.

Foto: Schweighöfer

Wer sich dem Hafen von Dordrecht nähert, einem altholländischen Städtchen rund 20 Kilometer südöstlich von Rotterdam, sieht ihren mächtigen gewölbten Holzbug schon von weitem aus dem Hafenbecken ragen. Wie eine Art Raumschiff, aber dann aus einer fernen biblischen Vergangenheit, liegt sie an der Kaimauer. Erwachsene wundern sich, Kinder deuten voller Begeisterung sofort auf die beiden Giraffen, die hoch oben auf dem Bug und auch 150 Meter weiter hinten am Heck ihre Hälse neugierig übers Wasser strecken - zwei Plastikkopien in Originalgröße.

Originalgetreue Kopie

"Auch die Arche ist eine originalgetreue Kopie ihres biblischen Vorbilds", versichert ihr Erbauer Johan Huibers, ein 54-jähriger Bauunternehmer und Zimmermann aus Nordholland. Er steht am Eingang bei der Reling, um die ersten Besucher an diesem Morgen an Bord zu lassen. "Auch Noahs Arche war aus Kiefernholz mit drei Stockwerken und einer Zugangstür an der Backbordseite."

300 Ellen lang war sie, 30 hoch und 50 breit. Das stehe genauestens im Alten Testament beschrieben, weiß Huibers. Auch daran hat er sich gehalten und der Einfachheit halber seinen eigenen Ellenbogen als Maß aller Dinge genommen: "Und der misst 51 Zentimeter."

Viereinhalb Jahre Bauzeit

Aber während Noah 120 Jahre brauchte, um seine Arche zu bauen, hatte der Niederländer nur viereinhalb Jahre nötig - sowie eine Bank und einen Bekannten, die bereit waren, ihm 3,5 Millionen Euro zu leihen. Damit konnte sich der gläubige Protestant einen Traum erfüllen - genauer gesagt einen Albtraum, wie er für Holland nicht typischer sein könnte: "Eines Nachts träumte ich, dass mein Land von einer Sintflut heimgesucht wurde und große Teile in den Fluten der Nordsee verschwanden."

Als er am Tag darauf in einer Buchhandlung zufällig auf ein Buch über die Sintflut stieß, war es für ihn eine klare Sache: Er würde Noahs Arche nachbauen, um dessen Geschichte erzählen zu können - und mit ihr die vielen anderen Geschichten aus der Bibel: "Jeder hat schon einmal von der Sintflut gehört, nicht nur die Bibel berichtet davon, auch z. B. der Koran." So könne er auf ungewöhnliche Weise Gottes Wort verkünden und seine Mitmenschen mit dem Inhalt der Bibel vertraut machen. Denn die ist für Huibers eine "Gebrauchsanleitung für das Leben".

Das kleine Vorgängermodell

Zunächst baute er sich ein kleineres Modell. Das kreuzte zwei Jahre lang durch die Niederlande und zog 240.000 Besucher an. Huibers hat es inzwischen verkauft. Die Verkaufssumme und auch die Eintrittsgelder hat er zur Finanzierung des Baus der großen Arche genutzt. Kosten: insgesamt 4,1 Millionen Euro.

Auf einem Streifzug durch den Bauch dieser gigantischen Arche erfährt der Besucher anhand von Filmen und Musik, Bildern und Demonstrationen alles über das Leben von Noah. Zum Beispiel wie er mithilfe von Wasserrädern das Holz für sein Schiff sägte. Oder wie er sich jeden Tag in die Stadt begab, um seine Mitmenschen zu warnen, aber nur ausgelacht wurde. Und wie er schließlich die Tiere auswählte, die an Bord seiner Arche kommen durften. "Dann fing es an, 40 Tage und 40 Nächte zu regnen."

1600 Tiere an Bord

Bei exotischen und gefährlichen Tieren wie Löwen, Tigern und Elefanten hat es Archenbauer Huibers bei Plastikkopien belassen. Doch gut 1600 Tiere tummeln sich zum Erstaunen vieler Besucher lebensecht an Bord: Ponys, Hunde, Ziegen, Eichhörnchen sowie Hunderte von Vögeln.

Wer sich davon mit eigenen Augen überzeugen will, hat noch bis Ende August Zeit - zumindest in Dordrecht. Denn dann soll auch diese Arche Noah auf Reisen gehen, fünf Jahre lang. Wohin genau, weiß ihr Erbauer noch nicht: "Richtung Rotterdam oder Antwerpen, vielleicht auch Hamburg." Nur eines ist sicher: "Enden wird die Reise in Israel." (Kerstin Schweighöfer aus Rotterdam, DER STANDARD, 30./31.3.2013)