Wien - Für manche bedeutet Weihnachtsstress, dass sie Geschenke besorgen müssen, obwohl sie kein Geld haben. Wie Sabine H. und Martin S., weshalb die beiden jetzt wegen gewerbsmäßigen Betruges vor Richterin Hannelore Pilz im Wiener Straflandesgericht sitzen.
Tragisches Motiv
Verteidiger Normann Hofstätter fasst es zusammen: "Sie sind geständig, aber es ist ein tragisches Motiv: Sie hatten kein Geld, die Delogierung drohte, und Weihnachten stand vor der Tür."
Die 43-jährige Angeklagte präzisiert am Rande der Tränen: "Wir hätten am 18. Dezember 2011 die Wohnung verloren. Dann haben wir alles Geld genommen, um das zu verhindern", erzählt sie. "Und dann habe ich mir gedacht 'Na super, jetzt kommt Weihnachten, und der Kleine hat nichts.'"
Der Kleine war damals fünfeinhalb Jahre alt und ist geistig behindert. Für den Schulstart wollte ihn das Paar dennoch ausstatten. Also bestellte man im Internet zwei Pakete mit einer Schultasche, Büchern, Kinderkleidung und -DVDs im Gesamtwert von 344 Euro.
Richterin sieht keine Gewerbsmäßigkeit
"Wie haben Sie gedacht, dass das funktionieren soll, wenn Sie kein Geld haben?", will Pilz wissen. "Na ja, wenn eine Mahnung kommt, kann man eine Ratenzahlung vereinbaren." "Sie haben einen falschen Namen und die Adresse Ihres Nachbarn draufgeschrieben, wie soll da eine Mahnung kommen?" H. schweigt.
Die Richterin stellt dennoch schon während der Verhandlung klar, dass sie keine Gewerbsmäßigkeit sieht. "Sämtliche Bestellungen waren während einer Woche. Dazu kommt ein Musterbeispiel für Schadenswiedergutmachung durch sofortige Ratenzahlung." Daher kommt die Frau nicht rechtskräftig mit einer Diversion davon, der vorbestrafe Mann fasst zwei Monate bedingt aus. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 30./31.3.2013)