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Wie mutmaßlich Philippe Verdon in Mali wurde auch Denis Allex (Bild) in Somalia als Geisel genommen - und getötet.

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Der Anruf des Pariser Außenministeriums kam Ende vergangener Woche um ein Uhr nachts: Philippe Verdon sei "wahrscheinlich tot", erklärte ein Diplomat dem schlaftrunkenen Vater. Letzte Sicherheit herrsche allerdings nicht, fügte der Anrufer damals noch an - eine Unsicherheit, die auch bis zuletzt, Tage später, noch geblieben ist. Sicher ist nur, dass Verdon im November 2011 mit einem Kollegen in Mali entführt worden ist. Und sicher ist auch, dass der regionale Ableger des Terrornetzes Al-Kaida die "Hinrichtung" Verdons bekanntgegeben hat, ohne aber bis heute einen Beweis zu liefern.

"Auf dem letzten Video vom vergangenen August sah Philippe verheerend aus", meint sein Vater, der von seinem Sohn nach wie vor nicht in der Vergangenheitsform sprechen will. Eindeutig scheint bloß das Motiv für die Geiselnahme zu sein: "Vergeltung" für den französischen Militäreinsatz gegen die Islamisten in Nordmali.

Mehr als ein Dutzend französische Geiseln sind derzeit in der Hand radikaler Islamistengruppen wie Aqmi oder Mujao. Die Hälfte wurde schon Mitte 2010 verschleppt, lange vor der französischen Operation Serval. Eine französische Familie mit vier Kindern geriet Mitte Februar in Kamerun in ihre Hände. Auf einem Video, das die nigerianische Islamsekte Boko Haram dieser Tage verbreitete, berichtet Familienvater Tanguy Moulin-Fournier von "äußerst harten" Lebensbedingungen: "Wir verlieren jeden Tag an Kraft und werden krank; wir halten nicht mehr lange durch." Mit müder Stimme bittet der Elektroingenieur sein Land, für ihre Freilassung "alles zu tun".

Alles - das Wort klingt den Franzosen zu Hause in den Ohren. Nicht nur den Angehörigen, auch dem Präsidenten im Élysée-Palast: François Hollande hat kürzlich eine verbindliche Losung ausgegeben: Kein Lösegeld mehr! Frankreich kann nicht gegen kidnappende Terroristen Krieg führen und hinter den Kulissen Lösegeldverhandlungen führen.

Bis zu eine Million Euro Lösegeld

Seit den Entführungen im Libanon vor drei Jahrzehnten war es ein offenes Geheimnis, dass Paris für seine entführten Landsleute "zahlte"; laut dem früheren Unterhändler Noël Salz bis zu eine Million Euro. Damit handelte Frankreich anders etwa als Russland, England oder die USA.

Jetzt hat auch Hollande Weisung an alle Botschaften und Geheimdienste erteilt, dass ab sofort "nicht mehr verhandelt" werde. Auch selbsternannte Vermittler seien abzuweisen. Wie zur Bestätigung hatte der Präsident im Jänner eine Elitetruppe in Somalia eingreifen lassen, um den Franzosen Dennis Allex zu befreien. Die Operation endete mit seinem Tod.

Terrorexperten sind skeptisch, ob Hollandes Weisung durchzuhalten ist: Wer einmal Lösegeld bezahlt habe, zahle immer. "Die Angehörigen der Sahel-Geiseln hoffen, dass unter der Hand weiterhin verhandelt wird", schrieb die "Libération" dieser Tage. "Man kann sie verstehen." Vieldeutig meinte auch ein Aqmi-Sprecher zum angeblichen Tod Verons: "Der französische Präsident bleibt allein verantwortlich für das Leben der anderen Geiseln."

Darunter sind die vier Söhne von Moulin-Fournier im Alter von fünf, acht, zehn und zwölf Jahren. Bei einem Empfang im Élysée erklärte Hollande, er denke "jeden Tag" an sie. Aber am Lösegeld-Verbot will er nicht rütteln. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 29.3.2013)