Rekonstruktion des Aussehens von Palatodonta bleekeri: Seine Zähne unterschieden sich deutlich von denen später lebender Pflasterzahnechsen.

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Das Schädelfossil des in Winterswijk gefundenen Tiers.

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Zürich/Bonn - Reptilien verdanken ihren evolutionären Erfolg ursprünglich der Fähigkeit, sich an trockene Umgebungen anzupassen. Dennoch haben sie im Lauf der Jahrmillionen zahlreiche Gruppen hervorgebracht, die völlig unabhängig voneinander zu einer aquatischen Lebensweise zurückkehrten. Eine der frühesten widmeten sich Forscher der Universitäten Zürich und Bonn: den Placodontiern bzw. Pflasterzahnechsen.

Keine Schildkröten, aber in ähnlicher Rolle

Die Pflasterzahnechsen entwickelten sich wenige Millionen Jahre nach dem gewaltigen Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze und lebten in den flachen, küstennahen Regionen des Tethys-Meeres - bis zum nächsten Massenaussterben am Ende der Trias, vor 200 Millionen Jahren. Sie entstanden in etwa im selben Zeitraum wie die Ichthyosaurier, hatten sich aber deutlich weniger an ein Leben im Wasser angepasst: Ihre Beine waren kaum zu Flossen umgeformt, die Körper plump und stark gepanzert. Alles in allem ähnelten sie Schildkröten, mit denen sie aber nicht verwandt waren.

Das namengebende Merkmal der Placodontier war ihr Gebiss: Ihr Oberkiefer besaß im Gaumen und auf dem Kieferknochen je eine Reihe plattenförmiger Zähne, während der Unterkiefer nur eine Zahnreihe aufwies –  ideal, um Muscheln und Krustentiere zu zerbeißen. Allerdings musste sich dieses charakteristische Gebiss erst entwickeln.

Fund aus der Frühzeit

Ein vor kurzem  in den Niederlanden gefundener Schädel eines jungen Placodontiers brachte nun neue Erkenntnisse zum Ursprung dieser Tiergruppe, wie die Universität Zürich berichtet. Laut den Forschern um Torsten Scheyer von der Universität Zürich handelt es sich beim Schädelfund aus Winterswijk um die ursprünglichste Form aller bekannten Placodontier. Das Jungtier der Spezies Palatodonta bleekeri lebte vor 246 Millionen Jahren. Sein rund zwei Zentimeter großer Schädel ist sehr gut erhalten, und seine Merkmale heben ihn von den bisher bekannten Placodontiern ab.

Die bislang bekannten ursprünglichsten Vertreter dieser Gruppe weisen die charakteristische Doppelbezahnung im Oberkiefer auf und haben kugelförmige Zähne. Die namengebenden plattenförmigen Zähne traten erst bei den voll entwickelten Placodontiern auf. "Das Winterswijker-Exemplar hat im Unterschied zu allem bisher Bekannten keine plattenförmigen oder kugeligen Knackzähne, sondern eher kegelförmige, spitze Zähne, sodass beim Zubeißen die spitzen Zähne des Unterkiefers präzise in den Raum zwischen Gaumen- und Oberkieferknochenzähnen griffen", sagt Schleyer. Palatodonta bleekeri war offenbar darauf spezialisiert, weiche Beutetiere festzuhalten und zu durchdringen - etwa Quallen, die auch für heuige Meeressschildkröten eine wichtige Nahrungsquelle sind.

Dass es sich beim neuen Fund tatsächlich um einen Placodontier handelt, belegt die für die Gruppe typische doppelte Zahnreihe im Oberkiefer. "Die Doppelbezahnung des Fundes kombiniert mit seinem hohen Alter lassen den Schluss zu, dass es sich um einen sehr ursprünglichen Placodonten handelt, aus dem sich dann die späteren Formen entwickelt haben." 

Die alte Heimat

Aber nicht nur die evolutionäre Entwicklung, sondern auch die ursprüngliche Heimat dieser Tiergruppe hat sich durch den Fund konkretisiert. Frühere Funde ließen sowohl eine Entstehung in den Schelfmeergebieten des heutigen China als auch in Europa zu. Aufgrund des hohen Alters des niederländischen Fundes und seiner ursprünglichen Form gilt die europäische Entstehung der Pflasterzahnechsen nun als erwiesen. (red, derStandard.at, 31. 3. 2013)