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Im Hintergrund von Grillos Fünf-Sterne-Bewegung soll Gianroberto Casaleggio die Strippen ziehen.

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Gianroberto Casaleggio in einem Video aus dem Jahr 2005.

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Guru, Messias, graue Eminenz. Wenn es darum geht, die Rolle von Gianroberto Casaleggio in Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) zu beschreiben, sind die Vergleiche meist wenig bescheidener Natur. Freilich weist das Aussehen des 1954 in Mailand geborenen Casaleggio in diese Richtung: Silberfäden im welligen, schulterlangen Haar, dezente Brillen und sein ruhiges Auftreten.

Casaleggio, dessen eigene Beratungsfirma Casaleggio Associati an bester Adresse in Mailand residiert, soll nichts anderes als das Hirn hinter dem Erfolg Grillos sein. Er habe in den vergangenen zehn Jahren aus dem losen Fanclub des Komikers Grillo eine Bewegung gemacht, die derzeit alle Trümpfe im Poker um die italienische Regierungsbildung in der Hand hält. Ihre Weigerung, mit Pier Luigi Bersanis sozialdemokratischem Partito Democratico (PD) zusammenzuarbeiten, lässt Neuwahlen wahrscheinlich werden.

Vom Blog zur Bewegung

Der Anfang des Siegeszuges, der in Wahlerfolge zuerst in Parma und auf Sizilien und schließlich auch bei der Parlamentswahl mündete, war der Erfolg von Beppe Beppe Grillos Blog. Dieser zählte schon 2007 zu den weltweit meistgelesenen, zwei Jahre vor der offiziellen Gründung von M5S.

"Ohne das Web hätten Beppe und ich nichts erreicht", sagte Cassaleggio in einem seiner raren Interviews im Jänner zur bristischen Tageszeitung "Guardian". Aber auch offline wurde Grillos Bewegung immer erfolgreicher: Bei den beiden Vaffanculo-Days (sinngemäß "Haut-ab-ihr-Ärsche"-Tag) 2007 und 2008 hörten hunderttausende Italiener Grillos Tiraden gegen die politische Elite des Landes. Im Oktober 2009 gründete er schließlich die Fünf-Sterne-Bewegung.

Parteien und Zeitungen: Zum Aussterben verdammt

Casaleggio betont die Relevanz des Internet für Grillos Bewegung. Er vergleicht Parteien mit Zeitungen. Beide wären zum Aussterben verdammt, weil ihre Vermittlungsfunktion nicht mehr gebraucht werde. So wie Journalisten nicht mehr auf den Vermittler Zeitung angewiesen sei, um die Leser zu erreichen, wären die Parteien als Vermittler zwischen Wählern und Autoritäten obsolet.

Der Grund für den Erfolg des Blogs sei auch die damals einzigartige mediale Situation Italiens gewesen. Silvio Berlusconi kontrollierte fünf der sechs wichtigen Fernsehsender. Die Italiener lechzten nach anderen Informationskanälen, beschreibt Cassalegio die Lage. "Es war als lebten wir innerhalb der Matrix".

Regeln der Selbstbeschränkung

Der Blog habe die Basis für lokale Ableger der Bewegung geschaffen, von denen es mittlerweile mehr als 600 gibt, erklärt Casaleggio. Der nächste Schritt war die Entscheidung, bei lokalen Wahlen Kandidaten aufzustellen und auch bestehenden unabhängigen Listen Platz zu gewähren.

Die Mitstreiter haben sich auf einige von Grillo und Casaleggio aufgestellte Regeln geeinigt. Eine davon ist die finanzielle Selbstbeschränkung. Die Grillini retournierten Gelder, die ihnen nach ihrem Erfolg bei der Regionalwahl auf Sizilien zugedacht waren, und legten sich eine Verdienstobergrenze von 5.000 Euro auf. "Was darüber hinausgeht, geben wir zurück", sagt Casaleggio.

Bröckelnde Autorität Grillos

Eine der Vorgaben des M5S ist, ihre Stimme nicht Kandidaten anderer Parteien zu geben. Eine Vorgabe, die mittlerweile von einzelnen Abgeordneten der Grillo-Bewegung kritisiert und zum Teil auch schon gebrochen wurde. So haben M5S-Parlamentarier für die von Bersani vorgeschlagenen Kandidaten für den Senatspräsidenten gestimmt. Sie hätten eigentlich einen leeren Wahlzettel abgeben sollen. Grillo war empört und forderte die Offenlegung des Stimmverhaltens jedes Einzelnen.

Die Fassade von Grillos Autorität scheint Risse zu bekommen. Auch sein Führungsstil stößt zum Teil auf Ablehnung: Grillo würde die Partei nur über das Internet, respektive seinen Blog, lenken. Direkte Gespräche gebe es nicht. Fraglich ist, wie sich die Grillini bei den Regierungsverhandlungen positionieren. Noch ist Bersani auf der Suche nach Koalitionspartnern. Am Donnerstag möchte er Staatspräsdident Giorgio Napolitano erste Ergebnisse präsentieren.

Vorbild Dschingis Khan

Die Kritikpunkte an Grillos Bewegung sind ihm bekannt, stehen aber seiner Meinung nach nicht zur Diskussion: "Unsere Statuten beinhalten Regeln. Wenn sie die Regeln ändern wollen, sollen sie eine andere Bewegung gründen." Auch Casaleggio wird mittlerweile für sein "diktatorisches Gehabe" angegriffen. Grillo würde nichts mehr machen, ohne vorher Casaleggio zu fragen. 

Die Nachrichtenagentur Reuters beschreibt Casaleggio als hartnäckig und entschlossen. Sein Held sei der Eroberer Dschingis Khan, sein endgültiges Ziel wäre die Abschaffung aller Parteien in Italien. (mka, derStandard.at, 26.3.2013)