"Leute sollten direkt stimmen können", meint Michael Spindelegger zur Wahl eines Kommissionspräsidenten.

Foto: Thomas Mayer/STANDARD

VP-Chef Spindelegger: "Othmar Karas einen wirklich tollen Job gemacht"

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Westbury Hotel, Dublin, Samstagvormittag. Das informelle Treffen der EU-Außenminister ist noch nicht zu Ende. Aber Österreichs Vizekanzler und Chefdiplomat Michael Spindelegger kann vor Journalisten bereits eine aus seiner Sicht erfolgreiche Bilanz der Gespräche vom Vortag über die von Frankreich und Großbritannien verlangte Aufhebung des Waffenembargos zugunsten der syrischen Rebellen ziehen.

Paris und London hätten die Partner nicht überzeugt: "Unser Ziel ist eine politische Lösung. Wir wollen, dass nicht mehr, sondern weniger Waffen nach Syrien gebracht werden", erklärt er im Interview mit dem STANDARD die Haltung einer großen Mehrheit der EU-Staaten. Aus österreichischer Sicht sei das erfreulich, weil damit eine zusätzliche Gefährdung für die UN-Blauhelme am Golan ausscheide, sagt Spindelegger.

Karas "ein Ass" für die Partei

Fast überschwänglich äußert er sich mit Blick auf die Europawahlen im Jahr 2014 über den Vizepräsidenten des EU-Parlaments und Parteifreund, Othmar Karas. Den beiden wird ein gespanntes Verhältnis nachgesagt. Spindelegger: "Spannungen gab's auch schon mit meinem Vorgänger Josef Pröll, jetzt halt mit mir", erklärt der VP-Chef. Das liege vor allem daran, dass von der VP-Delegation in Straßburg oft "nicht so mitgedacht wird", dass "wir unseren Wählern zu Hause erklären müssen, warum wir gewisse Schritte setzen". Aber: Es sei "absolut richtig", dass Karas als Abgeordneter der Gesetzgebung führend sei.

Karas sei nach der Richtlinie zu Bankenregulierung und Begrenzung der Bankerboni "ein Ass" für seine Partei, bestätigt der VP-Chef eine entsprechende Frage: "Er hat einen wirklich tollen Job gemacht. Er ist Wirtschaftssprecher der ganzen Europäischen Volkspartei, eine unglaublich wichtige Funktion, für uns entscheidend". Was eine erneute Kandidatur bei den Europawahlen angeht, über die Karas erst im Herbst nach den Wahlen entscheiden will, sagt Spindelegger: "Mir ist er absolut willkommen, und das habe ich ihm auch gesagt. Ich würde das gerne sehen, dass er wieder kandidiert."

Frühstück in Dublin mit @tommayereuropa @raimundloew @ratspraesident. Was will man mehr am Samstagmorgen? ;) #Gymnich twitter.com/SchallenbergA/…

— A.Schallenberg (@SchallenbergA) 23. März 2013

Ob Karas auch Spitzenkandidat auf der Liste sein werde, hält er hingegen offen. Darüber müsse im Vorfeld der Wahlen entschieden werden. Prioritär seien jetzt die Nationalratswahlen. Es werde bei den EU-Wahlen aber darum gehen, das Europaprofil der ÖVP zu schärfen, sagt Spindelegger.

Im Europagespräch spricht sich der Außenminister für die Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten aus und räumt schwere Kommunikationsfehler beim Zypern-Krisenmanagement ein. Wer seine besten Freunde unter den EU-Außenministern sind, und über sein Verhältnis zu Kanzler Werner Faymann erzählte er Thomas Mayer. Er selber will im Herbst Bundeskanzler werden – und „wenn ich zwei Legislaturperioden lang Kanzler war" einen internationalen Job dranhängen.

STANDARD: Sie waren gerade beim informellen Außenministertreffen in Dublin, da geht es eher vertrauter zu als bei normalen Ministertreffen. Wem stehen Sie eigentlich am nächsten, mit wem verstehen Sie sich besonders gut?

Spindelegger: Da gibt es ein paar. Zuerst ist da Miroslav Lajcak, Nachbar aus der Slowakei.

STANDARD: Ein Sozialdemokrat.

Spindelegger: Ja, der gehört zwar nicht zu meiner politischen Parteienfamilie, ist aber ein persönlicher Freund. Mit Janos Martonyi aus Ungarn verstehe ich mich gut. Guido Westerwelle gehört auch nicht zu meiner Parteienfamilie, aber da habe ich ein besonderes Vertrauensverhältnis.

STANDARD: Interessant. Ich habe dasselbe einmal Bundeskanzler Faymann gefragt, der hat sofort Jean-Claude Juncker genannt, einen Christdemokraten. Wenn es schon nicht Parteifreunde sind, woran entscheidet sich das dann, wer einem nahesteht?

Spindelegger: Das sind Dinge der persönlichen Sympathie, wie man miteinander umgeht. Bei den Gymnich-Treffen hat man ja auch einen privaten Kontakt, auch die Partner sind dabei. Das funktioniert bei uns wirklich gut. Ich habe Lajcak mit seiner Frau zum Opernball nach Wien eingeladen. Wir haben miteinander Tennis gespielt. Mit Westerwelle waren wir in meinem Feriendomizil am Mondsee, bei Martonyi war ich in seinem Haus in Budapest, mit ihm und seiner Frau haben wir auch Tennis gespielt.

STANDARD: Liegt es auch an einer grundsätzlichen politischen Linie in Bezug auf Europa, die verbindet?

Spindelegger: Das auch. Aber es hat vor allem persönliche Gründe.

STANDARD: Jetzt müsste ich als Gegencheck fragen, wen sie überhaupt nicht ausstehen können.

Spindelegger: Ein Außenminister kann mit allen.

STANDARD: Er muss zumindest so tun.

Spindelegger: (lacht) Na, ich würde aber sagen, es gibt jetzt niemanden, wo ich das sagen würde. Der Kollegenkreis wechselt auch relativ stark.

STANDARD: Hintergrund der Frage ist, dass es in Brüssel  nicht wenige gibt die sagen. Österreich könnte sich in der EU noch viel stärker in Szene setzen, Initiativen starten, mehr netzwerken, so gut wie es wirtschaftlich und als politisch stabiles Land dasteht. Warum geschieht das nicht, warum der Eindruck, dass das Land sich eher unterverkauft?

Spindelegger: Ich bin eher froh, dass es so ist. Das bedeutet ja auch, dass wir nicht so sehr den Verkauf in den Vordergrund stellen, sondern den Inhalt, und da funktioniert es gut. Wenn man sich super verkauft, führt das zum Gegenteil. Dann heißt es gleich, das sind die Vorzeigeeuropäer, dann gibt es eine Anti-Strömung. Wichtig ist, dass wir unsere Anliegen gut vertreten.

STANDARD: Ich habe aber gar nicht das sich besser Verkaufen gemeint, sondern fehlende Initiativen im Sinne der Gemeinschaft, so wie Juncker das mit Luxemburg seit langem erfolgreich macht, letztlich zum Vorteil seines Landes.

Spindelegger: Das tun wir ja auch. Denken Sie an die Donauraumstrategie, das war unsere Initiative, der jetzt andere folgen. In diesen regionalpolitischen Fragen sind wir sehr aktiv, jetzt auch mit der Alpenstrategie mit Frankreich. Und, ganz aktuell, beim Waffenembargo  über Syrien. Außenbeauftragte Catherine Ashton hat mich gebeten, dass wir uns als erste zu Wort melden in der Debatte, genau deshalb.

STANDARD: Da sprechen sie jetzt aber wieder etwas an, was eher im Hintergrund läuft, auf professioneller Ebene. Wäre es nicht besser, man würde das vor allem auch für die Bevölkerung viel deutlicher sichtbar machen? Wenn man als Bürger Richtung Europa schaut, bekommt man nicht den Eindruck, dass die Minister, die Regierungschefs zusammengehören, eher das Gegenteil. Nehmen Sie Zypern. Man hat den Eindruck, da reden 50 Spitzenpolitiker quer durcheinander, aber niemand spricht von dem, was für alle in Europa von gemeinsamem Interesse ist. Sehen Sie diese Schwäche nicht?

Spindelegger: Das hängt damit zusammen, dass wir kein Bundesstaat sind, wo einer an der Spitze steht. Es sind eben immer mehrere, die für die Union sprechen. Das hat aber auch seine großen Vorteile. Das Zusammenschweißen erfolgt erst jetzt durch diese Krisensituation. Das Bewusstsein wird stärker, dass wir miteinander unsere Politik nach außer verfolgen müssen. Wenn es gut geht, braucht man die Profilierung nach außen nicht so sehr. Andere Länder  haben einen stärkeren Außenfeind, das ist bei uns in Europa nicht notwendig.

STANDARD: Das müssen sie jetzt ja sagen, aber wirklich glaubwürdig klingt das für mich jetzt nicht.

Spindelegger: Damit muss ich leben.

STANDARD: Mit dem Lissabon-Vertrag wurde ein ständiger Präsident geschaffen, Herman van Rompuy, eine EU-Außenministerin Catherine Ashton. Die sollten Europa ein Gesicht geben, nach außen und innen. Haben Sie wirklich das Gefühl, dass das gelungen ist?

Spindelegger: In Ansätzen Ja. Das ist auf einem positiven Weg, aber noch nicht am Ende angekommen. Nehmen sie das Beispiel Kosovo und Serbien. Wenn Ashton das nicht persönlich in die Hand genommen hätte, dann hätten wir heute noch keinen Dialog zwischen zwei Premierministern, die sonst einander nicht einmal näherkommen wollen. Das ist ein positives Beispiel, das kann nur die Union als Ganzes leisten. Das gilt für die gesamte Balkanpolitik, die östliche Partnerschaft. Da sehen wir, dass gemeinsame Außenpolitik funktionieren kann. Oder das Beispiel Iran, die 3-plus-3-Gespräche. Ashton führt das auch im Auftrag der USA, das funktioniert, es gibt erstmals Fortschritte.

STANDARD: Aber das für uns Europäer intern relevantere Beispiel ist Zypern. Da passieren durch Zugriff auf Sparguthaben Dinge, die für alle EU-Bürger, nicht nur die Zyprer, extrem wichtig sind. Dadurch bekommt die gemeinsame Währung und die Politik dazu eine ganz neue Qualität. Aber es ist offensichtlich auf europäischer Ebene niemand in der Lage, das allen Europäern gleichzeitig, zusammenhängend, plausibel zu erklären. Es gibt ein einziges Tohuwabohu nationaler Politiker, Widersprüche, Beschuldigungen. Es fehlt einfach eine authentische angesehene Figur in Europa, auf die alle EU-Bürger hören, der sie vertrauen können. Die Kommunikation zu Zypern ist doch katastrophal abgelaufen, oder nicht?

Spindelegger: Ich verstehe das schon. Warum hat es nicht funktioniert? Nummer eins, die Troika, die ja unser Expertentool war für alle Länder, die die Programme ausgearbeitet hat, diese Troika hat diesmal nicht einen, sondern verschiedene Vorschläge gemacht. Das war ein Fehler. Das kann so nicht sein. Zum zweiten haben wir einen neuen Vorsitzenden der Eurogruppe, der noch nicht diese Erfahrung hat wie Juncker. Auch das war ein Problem. Es war auch sicher nicht das Gelbe vom Ei, dass man von den gesicherten Spareinlagen was wegnehmen wollte. Aber für mich war klar: Zypern muss selber einen Beitrag leisten. Da führt kein Weg dran vorbei.

STANDARD: Aber es war doch eine gewaltige Entscheidung nicht nur für Zypern, sondern für alle Europäer in der Eurozone, auch riskant. Es kann doch politischen Anführern in Europa nicht egal sein, dass das auch entsprechend kommuniziert wird. Wenn sie als Vizekanzler mitbeschließen müssten, dass die österreichischen Sparer über Nacht gut 50 Milliarden Euro abgeben müssen, um den Staatsbankrott abzuwenden, so viel wäre das im Verhältnis, dann ginge es doch ans Eingemachte der Republik. Würden Sie dann nicht alle Hebel in Bewegung setzen, um das den Bürgern und Partnern entsprechend zu erklären?

Spindelegger: Das muss man zugeben, das ist im konkreten Fall nicht gut erfolgt. Das war sicher auch ein Fehler. Daraus muss man sicherlich für die Zukunft lernen, so etwas muss kommunikativ vorbereitet werden.

STANDARD: Was fällt Ihnen da an Verbesserung ein? Hätte Van Rompuy eine Rede an die Union in Europa halten müssen?

Spindelegger: Das glaube ich wieder weniger. Da müssten gar nicht die höchsten Ebenen der Union sofort involviert werden. Es gab noch einen dritten Punkt, den man anführen müsste, dass nämlich ein gerade neu gewählter zypriotischer Präsident einen Deal gemacht hat, der dann in seinem Parlament keine einzige Prostimme bekommen hat.

STANDARD: War Anasthasiadis überfordert?

Spindelegger: Jedenfalls ist so etwas normalerweise nicht der Fall. Wenn ein Präsident verhandelt und abschließt, sollte man annehmen können, dass jener Teil des Parlaments, der ihm nahe steht, auch dafür ist. Es muss da ja zumindest eine Rückkoppelung geben. Das alles war eine Kombination von Dingen, die zu einer sehr schlechten Kommunikation geführt hat.

STANDARD: Wäre das nicht ein Grund zu sagen, man muss für Spitzenjobs in der EU endlich Leute haben, die den Bürgern europaweit bekannt sind, die hohe Reputation haben und die in einer solchen Krisensituation über die nationalen Grenzen hinweg glaubhaft etwas vermitteln können.

Spindelegger: Deswegen glaube ich, dass es das Beste wäre, wenn wir den Kommissionspräsidenten in Europa direkt wählen, denn das ist die beste Legitimation, die man haben kann. Er wäre nicht ausgesucht von 27 anderen Regierungschefs, sondern direkt vom Volk gewählt.

STANDARD: Im Mai 2014 gibt es Europawahlen, welche Bedeutung haben die in diesem Zusammenhang?

Spindelegger: Zunächst einmal haben sie die Funktion, dass man die eigenen Kandidaten für das Parlament nominiert, zu zeigen, wer das bessere Europakonzept für die Zukunft hat. Man kann als Partei deutlich machen, wie man zu Europa steht. Ich nehme zum Beispiel nicht an, dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagen wird, dass er zum Proeuropäer geworden ist. Das wird er nicht tun.

STANDARD: Haben Sie für die ÖVP schon eine Vorstellung, wie man sich präsentieren wird?

Spindelegger: Ich habe mich ja in der Gruppe der Außenminister auch deshalb engagiert, um einen Entwurf für die Zukunft zu machen, das werden wir fortsetzen. Nur muss es zu einem Zeitpunkt kommen, wo es relevant ist. Vorher haben wir noch eine andere kleine Wahl zu schlagen.

STANDARD: Die Nationalratswahlen, die für Sie wohl etwas wichtiger sein dürfte.

Spindelegger: Es ist die Wahl, die im Herbst ansteht. Die Europawahl ist dann später.

STANDARD: Sie könnten ja jetzt schon das Europaprofil der Partei schärfen.

Spindelegger: Theoretisch ja, aber wenn ich mich an die letzten Europawahlen erinnere, so ist damals nicht das Profil von irgendeiner Partei besonders geschärft worden.

STANDARD: Sie sind Parteichef, sie könnten es ja tun. Kritiker sagen, die ÖVP ist in Bezug auf Europa etwas zurückgefallen, neuerdings präsentiert sich die SPÖ als die Europapartei schlechthin.

Spindelegger: Kritiker gibt's immer, aber es ist inhaltlich einfach nicht richtig. Die ÖVP ist nach wie vor proeuropäisch. Wir wollen, dass es eine Erweiterung Richtung Balkan gibt. Wir sind auch dafür, dass wir Kompetenzen an die Union abgeben müssen, wenn es notwendig ist, um das Gemeinschaftsinstrument zu stärken. Wir wollen auch den Euro auf jeden Fall behalten und werden auch dafür argumentieren.

STANDARD: Trotzdem wird von Spannungen in der ÖVP berichtet, vor allem mit der VP-Delegation im Europaparlament, Stichwort Othmar Karas. Woher kommt das, was stört sie daran.

Spindelegger: Die gab's vor meiner Zeit auch schon auch. Ich war als Europaminister früher dabei, da gab es die Spannungen mit meinem Vorgänger Josef Pröll, und jetzt gibt es die Spannungen halt mit mir. Die wird es auch mit meinem Nachfolger geben. Wer im Europäischen Parlament ist, lebt in einer etwas anderen Welt als der, der in Österreich Politik macht.

STANDARD: Mich wundert das aber, denn man könnte doch annehmen, dass eine Multiplikation von Innenpolitik und den Europapolitikern eine Partei noch stärker macht, in Ihrem Fall die ÖVP. Man sieht auch, dass wir immer stärker von europäischen Themen dominiert werden, die Innenpolitik isoliert ja gar nicht mehr funktioniert, weil Europa so tief hineinreicht in innenpolitische Entscheidungen. Oder ist das ein falsches Kalkül?

Spindelegger: Das ist schon ganz richtig. Aber nichtsdestotrotz müssen wir unseren Wählern zu Hause erklären, warum wir gewisse Schritte setzen. Da habe ich manchmal nicht den Eindruck, dass das bei den Europaparlamentariern so mitgedacht wird.

STANDARD: Das stört Sie?

Spindelegger: Stören nicht in dem Sinn, man kann ja unterschiedliche Meinungen haben.

STANDARD: Wo ist dann das Problem, dass sie ein eigenes Spiel spielen?

Spindelegger: Der Punkt ist ein anderer: Wir müssen doch dem Bürger ein Gefühl dafür geben, dass das, was wir tun, nachvollziehbar ist. Das wird mit zunehmender Entfernung immer schwieriger. Auf der Gemeindeebene geht es leicht, beim Bund schon schwer, in Europa aber sehr schwer. Ich erwarte mehr Verständnis, dass es nicht nur wichtig ist, in einem Ausschuss im EU-Parlament eine gute Arbeit zu machen, sondern dem Bürger zu Hause mitzunehmen. Das war damals schon schwierig, als ich 1995 selber Europaabgeordneter war, heute ist das noch viel schwieriger.

STANDARD: Nehmen wir den Abgeordneten Karas, es heißt, dass Sie zwei sich persönlich nicht so gut verstehen. Aber jenseits dessen, hat er als Ausschussmitglied im Bereich der Bankenregulierung, auch bei Limits für Bankerboni, bei einer auch für Österreich extrem wichtigen Gesetzgebung führend mitgemacht

Spindelegger: Absolut richtig.

STANDARD: Der müsste ja eigentlich ein Ass sein für Ihre Partei, den müssten Sie ja durch ganz Österreich schicken, um die Leute über die Bankenregulierung aufzuklären, nicht?

Spindelegger:: Das ist er ja auch. Erstens hat Othmar Karas einen wirklich tollen Job gemacht. Er ist der Wirtschaftssprecher der ganzen Europäischen Volkspartei, eine unglaublich wichtige Funktion, für uns entscheidend. Er hat uns sehr geholfen bei Basel III...

STANDARD: ...den neuen EU-Richtlinien für bessere Eigenkapitalausstattung der Banken.

Spindelegger: Damit das eine richtige Dimension annimmt, was vor allem für die kleinen Genossenschaftsbanken wichtig ist, wie eine Raiffeisenbank von Waidhofen an der Thaya zum Beispiel.

STANDARD: Er hat auch einen guten Draht zum Parlamentspräsidenten Martin Schulz.

Spindelegger: Das ist mir weniger wichtig. Mir ist wichtig, dass er in Straßburg und Brüssel einen guten Job für Österreich macht. Und das tut er absolut. Und das werden wir auch versuchen wieder zu stärken. Wenn es Konfliktfelder gibt, werden wir die ausräumen.

STANDARD: Wird er wieder Kandidat sein für die ÖVP bei den Europawahlen. Er hat uns vergangene Woche gesagt, er werde das erst nach den Nationalratswahlen entscheiden, was mich wiederum gewundert hat. Ich wäre eher davon ausgegangen, dass jemand, der so hoch positioniert ist wie Karas und Einfluss hat, jedenfalls antritt.

Spindelegger: Mir ist er absolut willkommen, und das habe ich ihm auch gesagt. Ich würde das gerne sehen, dass er wieder kandidiert. Wenn er selber sagt, er will das erst nach den Nationalratswahlen entscheiden, muss ich auch damit leben.

STANDARD: Wäre er auch Spitzenkandidat?

Spindelegger:: Das werde ich jetzt nicht vorweg sagen, wenn er noch nicht einmal weiß, ob er wieder antritt. Ich greife da gar nicht vor, sage auch nicht, wer bei mir auf der Bundesliste steht. Das muss ja dann zeitnah entschieden werden. Das ist heute, mehr als ein Jahr vor der Europawahl, noch zu früh.

STANDARD: Es gibt die Idee der europäischen Parteifamilien, dass sie jeweils gemeinsame Spitzenkandidaten aufstellen, und dass jener Kandidat, dessen Partei europaweit die meisten Stimmen erreicht, von den Regierungschefs automatisch als Kommissionspräsident nominiert wird. Wie sehen Sie das?

Spindelegger: Das ist ein Vorschlag zur Diskussion, den man aber gut abwägen muss. Dafür spricht, dass die oder der dann stärker ins Licht der Öffentlichkeit rückt, in jedem EU-Land ins Zentrum rückt. Auf der anderen Seite begibt man sich mancher Möglichkeit. Wenn man sich festlegt, gibt es nur zwei Kandidaten, einen Christdemokraten oder einen Sozialdemokraten.

STANDARD: Warum ist das ein Nachteil?

Spindelegger: Da gibt es nur noch die Frage: Hü oder hott, und nicht ein breiteres Feld, aus dem man auswählen kann. Es würden dann vermutlich einige fähige Regierungschefs als Kandidaten für den Kommissionspräsidenten ausscheiden, weil nicht davon auszugehen ist, dass sie im Amt gleichzeitig für das Europäische Parlament kandidieren.

STANDARD: Ist das vielleicht nicht so gut konstruiert im EU-Vertrag, dass die Regierungschefs den Kommissionspräsidenten aussuchen, aber das Parlament ihn mit Mehrheit wählt?

Spindelegger: Ja, ich glaube dass wir das anders regeln sollten in Zukunft. Wir sollten sagen, neben den Wahlen zum Europaparlament wird auch der Kommissionspräsident direkt gewählt, aber direkt von den Bürgern in Europa. Das würde eine Fortentwicklung der Demokratie bedeuten und würde ihm eine unglaublich starke Rolle geben.

STANDARD: Also in einem Präsidialmodell?

Spindelegger: Man hätte dann eine Reihe von Kandidaten zur Auswahl, die Leute sollten direkt stimmen können. Dafür bräuchte man zuvor natürlich eine entsprechende EU-Vertragsänderung.

STANDARD: Sollten auch die von den Nationalstaaten entsandten EU-Kommissare über die Listen bei den EU-Wahlen bestimmt werden, nach dem Muster: Die stimmenstärkste Partei schickt ihren Listenersten nach Brüssel?

Spindelegger: Das würde ich deshalb für gar nicht günstig halten, weil derjenige auch wieder ausscheiden kann, dann braucht man wieder einen Ersatz. Man begibt sich auch dann vieler Möglichkeiten. Stellen Sie sich vor, es bekommt jemand eine politische Zuständigkeit in der Kommission, mit der er ein Leben lang noch nichts zu tun gehabt hat, aber er ist halt der Spitzenkandidat. Das kann nicht funktionieren. Da hätte der Kommissionspräsident kaum eine Auswahlmöglichkeit für seine Kommission, das wäre nicht gut.

STANDARD: Stichwort Kanzler Faymann und Sie. Man hat den Eindruck, dass Europapolitik in der Regierung parteipolitisch instrumentalisiert wird, es Rivalität dazu gibt, dass es nicht mehr einen übergreifenden Konsens gibt wie in früheren Regierungen in der Anfangszeit der EU-Mitgliedschaft. Stimmt das?

Spindelegger: Das sehe ich nicht so. Wir haben uns in allen wesentlichen Fragen miteinander abgesprochen, haben das auch durchgetragen, wie jetzt wieder beim Thema Waffenembargo in Syrien. Der Kanzler hat genau das gesagt, was ich im Außenministerrat gesagt habe, und umgekehrt.

STANDARD: Sie haben das Verhältnis zu ihm „konstruktiv" genannt, das klingt unterkühlt.

Spindelegger: Es ist auch nicht meine Aufgabe, mit dem Parteichef der Sozialdemokraten ein Bussi-Bussi-Verhältnis zu haben, ganz im Gegenteil. Es ist ein konstruktives Arbeitsverhältnis, und es funktioniert. Wir haben das für Österreich Wesentliche gemeinsam durchgetragen. Das Wichtigste war das Sanierungsprogramm für Österreich. Dadurch haben wir das Triple-A der Ratingagenturen wieder bekommen.

STANDARD: Faymann hat in Bezug auf EU-Politik eine bemerkenswerte Entwicklung zum begeisterten Europäer gemacht. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Spindelegger: Ich habe bei meiner ersten Pressekonferenz als Außenminister beim EU-Gipfel Ende 2008 in Brüssel gesagt, als er damals neuer Regierungschef war, dass ich glaube, dass der Spirit of Europe jeden irgendwann erwischt. Und das ist jetzt eingetroffen.

STANDARD: Man hat fast den Eindruck, die SPÖ versucht die ÖVP europapolitisch in Begeisterung zu überholen, stört Sie das?

Spindelegger: Auf diesen Wettbewerb lasse ich mich gerne ein.

STANDARD: Welche Rolle wird Europa bei den Nationalratswahlen spielen?

Spindelegger: Wie bei allen rein nationalen Wahlgängen eine untergeordnete.

STANDARD: Wo sehen Sie die Unterschiede zur SPÖ in der Europapolitik.

Spindelegger: Wie auf nationaler Ebene auch. Wir sind nicht für diejenigen da, die viel Geld ausgeben und umverteilen wollen. Wir sagen, wir brauchen eine vernünftige Entwicklung und Ideen, wie wir die Wirtschaft beflügeln können und dadurch gut bezahlte Arbeitsplätze entwickeln. Das gilt in Europa wie in Österreich.

STANDARD: Ein großer Unterschied war auch immer bei der Sicherheitspolitik, die ÖVP wollte früher die Nato-Option öffnen. Kann das wieder kommen? Bedauern Sie, dass das durch Volksbefragung und das Ja zur Wehrpflicht aus dem Spiel genommen wurde?

Spindelegger: Nein, für mich war klar, dass das die richtige Entscheidung war. Wir brauchen auch in Zukunft ein Heer aus dem Volk und für das Volk. Die Dimension Nato-Beitritt, die früher relevant war, hätte als Konsequenz ein Berufsheer gehabt, um nicht einem Grundwehrdiener zumuten zu müssen, im Beistandsfall irgendwo im Ausland tätig sein zu müssen im Rahmen der Nato. Für mich hat sich das Fenster der Nato.

STANDARD: Ist das definitiv abgeschlossen, das Kapitel Nato?

Spindelegger: Ich sage niemals nie, es kann sich was Neues ergeben, das ist in der Politik immer so. Aber ich derzeit nichts, was plötzlich aufpoppen könnte und uns veranlasst, unseren Kurs sicherheitspolitisch zu ändern.

STANDARD: Schränkt das nicht die außenpolitischen Spielräume für Österreich ein?

Spindelegger: Ich sehe das weniger. Es ist kein großer Nachteil für Österreich. Wir sind in dieser Struktur der Union mitgewachsen, und wir haben auch unsere Felder eben wegen der Nichtmitgliedschaft in der Nato ausgenützt. Dadurch haben wir bei anderen eine gewisse Reputation.

STANDARD: Warum ist es eigentlich so, dass österreichische Politiker auf EU-Ebene nichts werden, keine interessanten Posten bekommen?

Spindelegger: Es ist jetzt nicht die Zeit, einen Kommissionspräsidenten zu finden, auch nicht, einen Hohen Beauftragten für die Außenpolitik oder den Ratsvorsitzenden. Aber wenn jemand da ist und das will, dann muss er voll und ganz unterstützt werden, egal von welcher Partei er kommt. Da habe ich keinen Schmerz, auch wenn das ein Sozialdemokrat wäre.

STANDARD: Aber es fehlt offenbar auch am Drang, sich auf europäischer Ebene zu profilieren. Nehmen Sie ihren neuen Europasprecher Werner Amos, der wurde in Brüssel noch nie gesehen, warum?

Spindelegger: Wir haben jetzt März, mit der Volksbefragung ein starkes Thema gehabt, das wird sich ändern.

STANDARD: Ich hätte jetzt auch Laura Rudas sagen können, seit fünf Jahren an einer Schlüsselstelle ihrer Partei, aber noch nie auf europäischer Ebene aufgefallen. Ist das nicht doch symptomatisch für österreichische Politiker? Es fehlt einfach dieser Drang, sich international zu profilieren.

Spindelegger: Ich habe diesen Eindruck nicht. Nehmen Sie Reinhold Lopatka, der hat bevor er Staatssekretär wurde, seine Kontakte in Brüssel immer gehalten. Aber grundsätzlich keine Frage, da gibt es immer noch Dinge, wo wir besser werden müssen. Ich persönlich habe es immer befruchtend gefunden, diese Kontakte, diese Internationalität zu nützen, diese Möglichkeiten mit andern reden und zu lernen.

STANDARD: Wie sieht das bei Ihnen persönlich aus? Ihre Frau hat viele Jahre als Kabinettschefin beim Rechnungshof in Luxemburg gearbeitet, sie sind von Wien gependelt. Würde Sie ein hoher internationaler Posten reizen? Jetzt werden Sie sicher sagen, Sie wollen Bundeskanzler werden.

Spindelegger: Stimmt, ja. Das will ich werden, Erster bei den Nationalratswahlen.

STANDARD: Dann frage ich mal so: Wenn Sie es dann waren, würde  Sie dann ein Job in der EU reizen?

Spindelegger: Wenn ich zuerst zwei Legislaturperioden Bundeskanzler gewesen bin, dann Ja. (Thomas Mayer, DER STANDARD (Langfassung), 25.3.2013)