Wasja Oblomow bei seiner Nummer "Ein mieses Volk haben wir", einer Satire auf die Haltung der russischen Staatsmacht gegenüber den Bürgern.

Foto: Videoclip Oblomow

STANDARD: Sie sind einer der wenigen Musiker, die bei den Demos aufgetreten sind. Warum?

Oblomow: Ich war bei der ersten Kundgebung nach den Wahlen, als die Menschen gegen die Fälschungen protestierten. Es waren ganz unterschiedliche Leute da. Zusammengeschweißt hat sie ihr Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit und Unehrlichkeit. Beim zweiten Meeting wurde ich zum Auftritt eingeladen. Ich habe lange gezweifelt, weil unklar war, wer noch auftritt. Viele Künstler haben unter irgendeinem Vorwand abgesagt, nach dem Motto: "Ich unterstütze das, aber ich kann nicht." Ich habe dann für mich entschieden: Da ich mit den Wahlen nicht einverstanden bin, ist es sinnvoll, das offen zu sagen.

STANDARD: Wie war es dann?

Oblomow: Als ich auf die Bühne kam, hatte ich Angst. Demos waren etwas völlig Neues. Es war sehr kalt. Viele Leute waren da und viel Polizei. Es war nicht klar, ob es Verhaftungen gibt und was passieren wird. Als Musiker war das eine seltsame Erfahrung. Ich bin vorher nie auf Meetings aufgetreten. Die Menschen, die trotz Frosts auf dem Sacharow-Prospekt waren, kamen sicher nicht, um ein Konzert zu hören. Ich habe gesagt, dass ich für keine Partei agitieren werde und niemanden unterstütze. Aber ich will, dass die Obrigkeit ihre Bürger achtet. Mir gefällt nicht, wenn in der Duma Abgeordnete sitzen, die nicht gewählt worden sind. Laut Verfassung liegt die Macht beim Volk, und daran sollten wir erinnern. Dann habe ich mein Lied Womit beginnt Heimat gesungen, und das war es.

STANDARD: Wie war die Reaktion?

Oblomow: Ich habe bis zum letzten Akkord nicht gewusst, wie das Publikum reagieren wird, aber sie haben applaudiert und es ziemlich gut aufgenommen.

STANDARD: Und wie hat die Obrigkeit auf Ihren Auftritt reagiert?

Oblomow: Persönlich hat mich niemand angegriffen, aber hier passiert sowieso alles hinten herum. Bei einem Stadtgeburtstag hat die Verwaltung plötzlich gefordert, meinen Auftritt abzusagen. Am Ende einigten sich die Organisatoren aber mit den Beamten. Einzige Bedingung war, dass wir unser Konzert beenden, wenn an anderer Stelle das "richtige Konzert" beginnt. Konzertveranstalter werden aber oft gefragt, warum sie mich irgendwohin mitnehmen.

STANDARD: Sie sind auch nicht im Staats-TV zu sehen. Dort sind stattdessen immer die gleichen Künstler. Gibt es keinen Weg rein?

Oblomow: Natürlich gibt es politische Vorgaben, aber man muss zugeben: Die ewig gleichen Gesichter sind deswegen zu sehen, weil die breite Masse das so will. Das Fernsehen lebt von der Quote, und die Schnulzensänger machen Quote. Das Fernsehen macht nur wenige Experimente.

STANDARD: Sie sind trotzdem sehr erfolgreich. Wie sind Sie eigentlich zur Musik gekommen?

Oblomow: Meine Mutter gab mich mit sieben Jahren in die Musikschule zum Klavierunterricht. Da habe ich später die Rockgruppe Tschebosa gegründet. Wir hatten Auftritte, und erste Lieder wurden im Radio gespielt. 2007, schon in Moskau, stellten wir das zweite Album fertig. Nebenbei habe ich dann solo das Lied Magadan über die Wirklichkeit des Musikerdaseins in Russland gemacht. Zu meinem Erstaunen kam das gut an.

STANDARD: Sie haben als Rocker angefangen und wurden als Rapper Wasja Oblomow bekannt.

Oblomow: Eigentlich war das als Scherz neben meiner eigentlichen Karriere gedacht. Ich war überrascht, dass es gefragt war. Inzwischen sind zwei Alben heraus.

STANDARD: Was steckt hinter der Figur Wasja Oblomow?

Oblomow: Der Name wurde innerhalb weniger Minuten erdacht, als wir das Video zu Magadan ins Internet stellten. Die Texte für Wasja Oblomow behandeln ein konkretes gesellschaftliches Thema. Es geht nicht um Einsamkeit und Herzschmerz. Wir machen das entweder lustig oder traurig, es soll ja nicht langweilig sein.

STANDARD: Woher kommen die Einfälle dafür?

Oblomow: Nichts entsteht aus dem luftleeren Raum. Es sind Probleme, die uns im Alltag begegnen.

STANDARD: Die Texte sind kritisch. Zählen Sie sich zur Opposition?

Oblomow: Ich schere nie alle über einen Kamm. Unter dem Begriff Opposition laufen viele herum. Die Demonstranten sind damals für mehr Ehrlichkeit auf die Straße gegangen. Sie kamen nicht wegen der Leute auf der Bühne. Ich bin für Ehrlichkeit, und das bedeutet doch, einfach nur ein normaler Mensch zu sein.

STANDARD: Hat sich irgendetwas geändert durch die Proteste?

Oblomow: Putin wurde wiedergewählt. Insofern nicht. Aber wir haben erfahren, wie vielen Menschen es nicht egal ist, wie es weitergeht. Es gab vorher Momente, wo es schien, dass allen alles egal ist. Das ist es eigentlich auch, wogegen Wasja Oblomow ansingt: Ich singe nicht gegen die Obrigkeit, sondern gegen die Gleichgültigkeit der Menschen.

STANDARD: Womit sind Sie denn unzufrieden, was möchten Sie ändern?

Oblomow: Mir gefällt die Korruption nicht. Was mit den Autorenrechten passiert, ist schrecklich. Die Mehrzahl der CDs in unserem Land ist illegal gepresst. Weil die Piraten die Polizei mit Millionenbeträgen bestechen, wird das Problem nicht gelöst. Das trifft uns Künstler und mich persönlich finanziell. Mir gefällt die Steuererhöhung für Einzelunternehmer nicht. Sie verdoppelt sich heuer und im nächsten Jahr noch einmal. Viele Unternehmer werden so entweder in die Pleite oder in die Schattenwirtschaft getrieben, weil sie ehrlich nicht bestehen können. Das ist nicht richtig. Bei den Wahlen hat mir nicht gefallen, dass meine Stimme nicht gezählt wurde. Man gab mir nicht die Chance, selbst zu entscheiden. (André Ballin, DER STANDARD, 23./24.3.2013)