Neulich beim Abendessen saßen ganz schön viele Scheidungskinder beisammen. "Nach der Scheidung", erzählt eine Freundin zwischen Huhn und Schokotarte, "haben wir unseren Vater kaum noch gesehen." Kleine Pause: "Aber davor auch fast nie." Dann lacht sie. Ich kenne dieses Lachen gut. Es ist ein Lachen, das man sich mühevoll antrainiert hat, über Jahrzehnte, um irgendwann die manchmal schmerzlichen Umstände der eigenen Kindheit und Jugend anekdotisch verwertbar zu machen. Gegen so ein Lachen ist gar nichts einzuwenden. Es ist wichtig, es hilft.

"Warum lasst ihr euch nicht endlich scheiden?" Das, erzählt ein anderer Freund, hat er eines Tages seine Eltern gefragt (damals, als er selbst so alt war wie unsere Kinder jetzt), weil ihm die ewigen Streitereien mehr als auf die Nerven gingen. Die Antwort, die er zu hören bekam, war einigermaßen unorthodox: "Weil wir bereits geschieden sind." Aha. Die Wohnung des Freundes, wo wir gerade fröhlich um einen großen Tisch saßen und unsere Biere tranken, war eine Generation vor uns eine Art Scheidungs-WG, von der die davon betroffenen Kinder zunächst gar nichts wussten. Die Eltern sind eines Tages ausgezogen. Getrennt voneinander, versteht sich. Auch ein Modell, aber offensichtlich keines, das sich sehr durchgesetzt hätte.

Durchgesetzt hat sich, dass Kinder heute, wie es im Fachjargon heißt, zunehmend "multilokal" leben: zwei Elternteile, zwei Wohnungen, zwei soziale Umfelder, zwei Alltagspraktiken. Alles bekannt. Öfter auch zwei Orte, sprich verschiedene Städte. Die steigende Zahl an Kinder-Begleitservice-Angeboten von Bahn- und Fluggesellschaften zeugt davon. Aber auch wenn diese "Multilokalität" nur ein paar Straßenzüge voneinander entfernt stattfinden und funktionieren soll, bedeutet das genügend - nicht nur logistische - Herausforderungen für alle Beteiligten.

Risiken? Nebeneffekte? Spätfolgen? Chancen? Erforscht sind diese neuen Lebensstile unserer Kinder, in die wir sie da gehievt haben, noch kaum. Der Faktor Zeit, so viel ist auch ohne Empirie offensichtlich, spielt eine große Rolle. Denn Zeit bedeutet nur noch die halbe Zeit. Was früher in neun Wochen Sommerferien Platz hatte, muss jetzt in der halben Zeit stattfinden. Alles vorgeplant, alles durchorganisiert. Und was Eltern oft vergessen: Kindern und Jugendlichen, die pendeln, bleibt weniger elternfreie Zeit. Sie wollen oder müssen ihre verfügbare Zeit zwischen zwei Eltern aufteilen. Lustig ist das nicht. Zumindest nicht immer. Aber vielleicht irgendwann zum Lachen. Wenn es eines Tages anekdotisch verwertbar wird. (Mia Eidlhuber, derStandard.at, 24.3.2013)