Bild nicht mehr verfügbar.

Die britische Künstlerin Mileece kommuniziert mit Pflanzen: "Sie strahlen eine Art Gelassenheit aus."

Foto: dapd/Frank Hormann

STANDARD: Sie haben durch Ihre Arbeit eine Art Sprache mit den Pflanzen entwickelt?

Mileece: Eine musikalische Form von Sprache. Ich umschreibe sie deshalb als ästhetische Sonifikation, weil ich versuche, jene Messwerte, die ich von den Pflanzen erhalte, in anmutig klingenden Sound umzuwandeln.

STANDARD: Dadurch verleihen Sie ihnen gleichzeitig eine Stimme. Was sprechen eigentlich Pflanzen?

Mileece: Man muss sich sehr viel Zeit nehmen, um sie wirklich wahrzunehmen. Ich finde, wir haben uns mittlerweile zu sehr an unseren lauten, schnelllebigen Alltag angepasst. Pflanzen sind genau das Gegenteil. Zwar schreien sie nicht auf, wenn man ihnen ein Blatt abreißt, dennoch spüren sie eine Art Schock.

STANDARD: Was machen Sie genau, um den Pflanzen zuzuhören?

Mileece: Ich messe ihre Bioemissionen mit Elektroden. Die elektrischen Spannungen laufen dann durch einen Verstärker und werden danach digitalisiert. Ein spezieller Code, den ich selber schreibe, generiert daraus Sound.

STANDARD: Als einer Ihrer Hauptbezugsquellen für Ihre Arbeit nennen Sie Cleve Backster, jenen FBI-Verhör-Spezialisten, der durch seine Experimente mit einem Lügendetektor bereits in den 1960er-Jahren herausgefunden hat, dass Pflanzen empfindungsfähig sind. Was hat Sie daran fasziniert?

Mileece: Sobald man beginnt, mit einer Pflanze zu interagieren, bricht man aus diesem anthropozentrischen Weltbild aus und merkt, dass wir Menschen nicht die absolut wichtigsten Geschöpfe sind. Mit meiner Arbeit muss ich somit nichts mehr beweisen. Ich versuche, einen Weg zu finden, diese Empfindungen einem Publikum begreifbar und spürbar zu machen.

Backster und Marcel Vogel, ein IBM-Forschungswissenschafter, haben in diesem Bereich höchst interessante Pionierarbeit geleistet. Nach Backster wurde der Backster-Effekt benannt: seine Entdeckung, dass Pflanzen auf Menschen und sogar auf deren Intentionen reagieren. Wirklich spannend wird es dann, wenn man aufgrund dessen Pflanzen zum Beispiel Rechte erteilen würde; und die Vorstellung, wie dies unsere Ökonomie verändert. Man kommt wieder auf die uralte Frage "Wer dominiert wen?" zurück. Leider werden schon Menschenrechte aufs Gröbste missachtet.

STANDARD: Warum haben Pflanzen scheinbar einen noch geringeren Stellenwert als Tiere in unserer Weltordnung?

Mileece: Da die allgemeine Wissenschaft behauptet, dass sie anders als Mensch oder Tier weder Hirn noch Nervensystem haben, wähnt man sie als leblos. Backster hat versucht, das Gegenteil zu beweisen. Fest steht, wir können ohne Tiere überleben, aber nicht ohne Pflanzen. Bei jedem Atemzug stehen wir praktisch mit ihnen in Verbindung. Unsere Existenz hängt sehr viel mehr von Pflanzen ab, als wir denken.

STANDARD: Welche Erfahrungen machen Sie im Umgang mit Pflanzen?

Mileece: Je mehr ich mich mit ihnen beschäftige, desto mehr Fragen kommen auf. In diesem Sinne wirken sie auf mich wie eine noch relativ unerschlossene Informationsquelle. Wie weiß man, was man wirklich empfindet, ohne dass man etwas genauer kennt? So wie eine Person zum Beispiel oder seinen Partner. Erst nachdem man Zeit miteinander verbringt, lernt man die Komplexität eines Wesens kennen.

STANDARD: Wie stellen Sie sich ein harmonisches Zusammenleben mit der Natur vor?

Mileece: Pflanzen faszinieren mich. Sie strahlen eine Art Gelassenheit aus; sie nähren uns und opfern dafür Leib und Glied. Deshalb sollten wir zumindest versuchen, etwas bewusster und respektvoller mit ihnen umzugehen, und ihnen nicht einfach willkürlich den Kopf abschneiden. (Sandra Pfeifer, DER STANDARD, 23./24.3.2013)