Vor mehr als 25 Jahren habe ich in einem Buch über den Manager der Zukunft einen kapitalen Prognose-Bock geschossen. Ich habe damals vorausgesagt, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Ethik-Ratings für Unternehmen genauso wichtig sein werden wie Finanz-Ratings. Weil Kunden nur noch Produkte von Firmen mit einer hohen Sozial-und Ethik-Bonität kaufen werden. Selten bin ich so danebengelegen.

Aber jetzt kommt Bewegung rein. Es reicht zwar noch nicht zum Boykott, aber zur Empörung allemal. Die Bürger beginnen, mit ihren Fingern auf Unternehmen zu zeigen, die ihren Managern exzessive Gagen zahlen oder zumindest das, was die Bürger für exzessiv halten.

Aber nicht nur Bürger sind empört. Auch viele Topmanager sind es. Sie können nicht verstehen, dass die Menschen ihnen die Millionengagen mehr neiden als einem David Alaba oder den Toten Hosen. Die Grenzen zwischen Gerechtigkeits- und Neiddebatte verschwimmen ja immer.

Der Normalbürger hat keine Schwierigkeiten, den Beitrag von Marcel Hirscher zum österreichischen Skisport zu begreifen und den von Anna Netrebko zum Gelingen einer "Traviata". Daher sind beider Einkommen nur geringfügig neidgefährdet. Aber Manager nimmt der Bürger, wenn überhaupt, nur positiv wahr, wenn sie die Schaffung neuer Arbeitsplätze verkünden oder Politiker beschimpfen.

Dazu kommt, dass sie im Generalverdacht unangenehmer Persönlichkeitseigenschaften stehen und ihren Posten nicht ihren Fähigkeiten, sondern der Pflege der richtigen Seilschaften zu verdanken. Als ganz junger Manager bin ich bei einer Podiumsdiskussion einmal nach einem Rezept für Karriere gefragt worden. Meine damalige Antwort: Ärztliches Rezept gibt es keines, aber die Kombination von überdurchschnittlicher Intelligenz, überdurchschnittlichem Fleiß und durchschnittlichem Charakter ist ein sehr brauchbares Hausmittel. Die Meinung habe ich noch heute - aber auch die Überzeugung, dass die meisten Leute, die keine Karriere schaffen, auch nur einen Durchschnittscharakter haben.

Jetzt liegt eine Reihe von Vorschlägen vor, wie die Manager-Einkommen in sozial verträgliche Bahnen gelenkt werden sollen. Am unbrauchbarsten ist sicher der Vorschlag, der erst jüngst in dieser Zeitung von Christian Felber ausführlich dargelegt worden ist: die oberste Gehaltsebene in einem Unternehmen in ein gesetzlich geregeltes fixes Verhältnis zu dessen unterster Gehaltsebene zu pressen. O sancta simplicitas! Die Verantwortung eines Rezeptionisten in einem Unternehmen mit tausend Mitarbeitern unterscheidet sich nicht von der eines Rezeptionisten in einem Unternehmen, das zwanzigmal so groß ist. Die Verantwortung der Generaldirektoren aber schon. Und der Umfang der Verantwortung ist noch immer der Parameter, der die Höhe eines Gehalts am stärksten bestimmt. Alles andere wäre geradezu obszön ungerecht. Die Ungerechtigkeit würde sich übrigens bei den nachgeordneten Führungspositionen fortsetzen.

Ein Ausweg könnte nur sein, dass der Gesetzgeber unterschiedliche Spreizungen abhängig von Mitarbeiterzahl und Umsatz der Unternehmen vorschreibt. Aber damit würde sich jeder Gesetzgeber heillos überfordern.

Auf den ersten Blick mehr hat der jüngste sozialdemokratische Vorschlag für sich, nicht nur die Boni der Höhe nach zu begrenzen, sondern auch einen Malus für Misserfolg einzuführen. Aber erstens weicht die Sozialdemokratie damit von einem ihrer Kerndogmen ab, den Gewinn eines Unternehmens nicht als ausschließliches Kriterium für Management-Leistung heranzuziehen. Aber das soll ruhig die Sorge der Sozialdemokratie sein. Der zweite Punkt ist wichtiger. Gerade in den Krisenzeiten der letzten Jahre haben viele Unternehmensführer gemeinsam mit den Betriebsräten Modelle der Beschäftigungssicherung entwickelt, die nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet gewesen sind. Sollen solche Manager in Zukunft dafür bestraft werden? Unternehmen sollten vielmehr animiert werden, auch nichtfinanzielle Ziele bonusfähig zu machen!

Es bleibt also nur der Weg, die Topgagen der Manager einer stärkeren öffentlichen Legitimation auszusetzen. Der Vorschlag, dem Aufsichtsrat die Kompetenz über die Gehaltsfindung zu entziehen und sie der Hauptversammlung zu übertragen, ist gut.

Bei uns haben sich zwar nicht so wie in den Vereinigten Staaten die CEOs ihre Einkommen gegenseitig hochgepusht. Und auch das deutsche System, in dem Aufsichtsräte und Vorstände in Sachen Gehälter eine Freunderlwirtschaft der Sonderklasse aufgezogen haben, hat in Österreich nur bedingt Nachahmung gefunden. Und das, obwohl wir sonst in puncto Freunderlwirtschaft nicht zu schlagen sind.

Mit der Entscheidung, die Gehälter samt Bonuszahlungen einzeln von der Hauptversammlung absegnen zu lassen, werden die Gehälter de facto öffentlich - und müssen sich auch entsprechend rechtfertigen lassen. Sonst könnte es ja doch noch zu Kaufboykotten kommen.

Der Einwand von der Verletzung des Datenschutzes gilt nicht. Topmanager sind wie Politiker Personen öffentlichen Interesses. Daher müssen sie wie die Politiker den Verzicht auf Privatheit akzeptieren. (Bernhard Görg, DER STANDARD, 22.3.2013)