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Der Bankenrun blieb vorerst aus, vor allem, weil die zypriotischen Banken seit Tagen nicht mehr geöffnet haben.

Foto: AP/Petros Giannakouris

Zypern lässt das Krisenfeuer in Europa erneut auflodern. Das Land braucht Geld, das Bankensystem der Mittelmeerinsel ist heillos überdimensioniert. Seit mehreren Tagen wird fieberhaft nach einer Lösung gesucht. Unterdessen sind die Banken des Landes geschlossen. derStandard.at hat mit Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim, über "Luftballonökonomie", geschenktes Geld und die Rettung Zyperns gesprochen.

derStandard.at: Was bedeutet die zypriotische Krise für das europäische Bankensystem?

Burghof: Herzlich wenig. Es sei denn, die Sparer in Europa fangen an, sich ernsthaft Gedanken zu machen. Aber ich glaube, den meisten ist bewusst, dass Zypern anders ist als das eigene Land und dass sich die Situation nicht eins zu eins übertragen lässt.

derStandard.at: Was meinen Sie mit anders?

Burghof: Das zypriotische Bankensystem ist ein sehr spezielles. Die Stabilität im Bankensystem ist in anderen Ländern viel größer. Sowohl die Fähigkeit der Banken, zu ihren Verpflichtungen zu stehen, als auch die Fähigkeit der Staaten, zu helfen, wenn es einmal nicht geht, ist zum Beispiel in Österreich oder Deutschland sehr viel weiter entwickelt als in Zypern.

In Zypern sind die Banken völlig überdimensioniert und ganz massiv in Geschäften veranlagt, in denen sie nie hätten sein dürfen. Zusätzlich sind die zypriotischen Banken konzentriert auf Griechenland - das ist eine Risikokonzentration, die nie gut ist. Ganz viele Dinge laufen falsch, und dem gegenüber steht auch noch ein Staat, der nicht dazu in der Lage ist, Steuereinnahmen zu lukrieren. Diese Kombination kann dazu führen, dass man als Sparer einmal sein Geld verliert.

derStandard.at: Teil des zypriotischen Hilfspakets, das am Dienstag im Parlament abgelehnt wurde, war die Zwangsabgabe auf Bankeinlagen. Diese Idee sorgte für einen lauten Aufschrei in Zypern, aber auch anderenorts. Mit dieser Reaktion hätte man doch rechnen müssen.

Burghof: Vielleicht war man ein bisschen blauäugig und hat sich gedacht: Schaut her, wir helfen euch ja, wir helfen euch gegen alle Vernunft. Zypern ist nicht systemisch, das ist mittlerweile klar. Und es gibt eigentlich keinen Grund, Zypern zu helfen. Wir machen es trotzdem, aus vollkommen verqueren Gerechtigkeitsvorstellungen, weil wir auch Griechenland gerettet haben.

Tatsache ist, eigentlich kriegen die alle Geld, das ihnen nicht zusteht. Nämlich das Geld ihrer europäischen Nachbarländer für Verluste, die ihre Banken selber gemacht haben. Wir haben es mit einem gigantischen Vermögenstransfer zu tun. Insofern bin ich nicht schrecklich traurig, dass die Zyprioten das Hilfspaket abgelehnt haben.

derStandard.at: Was wäre die Alternative zur Rettung Zyperns?

Burghof: Den Gürtel enger zu schnallen. Die Länder müssen sehen, dass sie ihre Ausgaben und Einnahmen in ein vernünftiges Gleichgewicht bekommen. Das bedeutet zunächst einmal eine massive Rezession, einen deutlichen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivitäten. Das gilt für Griechenland genauso wie für Zypern, wo vieles staatsgetrieben ist. Das ist Luftballonökonomie. Wenn Sie einen überdimensionierten Staat haben, können Sie sich das alles auf Dauer nicht leisten. Es wird eine Reduktion geben. Diese Einsicht wollen wir aber nicht haben, weil wir die politischen Risiken scheuen. Das wäre eine brutale Desillusionierung über das, was wir glauben, schon erreicht zu haben in diesen Ländern.

derStandard.at: Die Europäische Zentralbank hat heute gesagt, Zyperns Banken bekommen nur noch bis Montag Geld, sollte es kein Rettungspaket geben. Was passiert, wenn die EZB den Geldhahn zudreht?

Burghof: Dann ist das Bankensystem zahlungsunfähig, und man muss sich überlegen, wie man den Zahlungsverkehr wieder organisiert. Nur so kann die Wirtschaft weiter funktionieren. Tatsache ist, die EZB hat vollkommen recht: Die Banken bekommen Liquidität, ohne geeignete Sicherheiten dafür zu haben. Das ist im Grunde genommen, wie wenn Sie Geld auf die Straße schütten. Und das darf man auf Dauer nicht machen. In der Notsituation hat die EZB das eine Weile gemacht, weil sie dachte, es kommt eine Lösung. Aber die Zyprioten haben die Lösung abgelehnt. Damit ist jeglicher Nachsicht die Grundlage entzogen. Die EZB ist nicht beauftragt, irgendwem in Europa Geld zu schenken. Sonst würde ich mich auch sofort anstellen.

derStandard.at: Was sollte man im konkreten Fall Zypern jetzt tun? Die Banken pleitegehen lassen?

Burghof: Richtig. Die Banken pleitegehen lassen, den Staat pleitegehen lassen. Und dann die Staatspleite vernünftig organisieren, damit aus der Staatspleite keine Tragödie wird, sondern ein vernünftiger Neuanfang. Den braucht Zypern. Wenn man Island als Beispiel hernimmt: Das Land war pleite, und man hat eine Revolution gemacht. Sie haben die alten Eliten hinausgeworfen, weil sie es verbockt haben. Island hat sich einen neuen Gesellschaftsvertrag gegeben, der von einer viel größeren Bescheidenheit geprägt ist, aber anscheinend sehr gut funktioniert. Die Isländer haben am Ende die Katastrophe sehr gut gemeistert.

derStandard.at: Kommen wir zurück zu Zypern. Der Bankenrun in Zypern ist so weit einmal ausgeblieben, vor allem, weil die Banken einfach zugesperrt haben. Wie lange kann man Banken eigentlich zulassen?

Burghof: Die Frage ist falsch gestellt. Sie muss heißen: Wie lange muss man Banken zulassen? Die Antwort darauf: bis man eine Lösung parat hat. Wenn Sie die Banken einfach wieder aufsperren, dann nehmen alle ihr Geld heraus, und die Bank ist weg. Das hilft niemandem so richtig, weil es von der Zufälligkeit abhängt, wer der Erste ist und wer sein Geld noch holen kann. Das heißt, man muss klar machen, wer wie viel Geld haben darf. Wer noch etwas ausbezahlt bekommt und wer nicht. Die Lösung für das Problem muss Zypern zügig finden, denn je länger das dauert, desto größer ist der Schaden. (Daniela Rom, derStandard.at, 21.3.2013)