Wien - Jährlich sterben in Europa rund 90.000 Männer an einem Prostatakarzinom. Die Erkrankung bringt für Patienten und Ärzte viele Unsicherheiten bei Früherkennung, Diagnose und Therapie mit sich. Zunehmend wollen die Urologen deshalb Überdiagnosen und Übertherapien vermeiden, hieß es am Donnerstag bei einer Pressekonferenz aus Anlass einer Fachtagung in Wien.

"Das Prostatakarzinom ist die häufigste Karzinomerkrankung des Mannes. Alle 7,3 Stunden stirbt in Österreich ein Patient daran. Ein Drittel der Männer ab 50 ist in seinem Leben davon betroffen, drei Viertel aller Männer über 80 Jahre" sagte Karl Pummer, Vorstand der Universitätsklinik für Urologe der MedUni Graz und Präsident der Fachgesellschaft der österreichischen Urologen.

Diagnose im Frühstadium

Einer von sechs Männern erkrankt im Laufe seines Lebens an einem Prostatakarzinom, die Mortalität beträgt jedoch "nur" drei Prozent. Für einen von 33 Männern stellt diese Erkrankung die Todesursache dar. Das bedeutet, dass in vielen Fällen - noch zusätzlich angetrieben durch vermehrte Früherkennungsuntersuchungen (PSA-Bluttest etc.) - diagnostiziert und mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen therapiert wird, obwohl es sich im Einzelfall um gar kein gefährliches Karzinom handelt.

Stephan Madersbacher (Urologie/SMZ-Ost in Wien): "Diese Überdiagnosen sind zu Teil schuld an den Übertherapien. Heute werden 60 bis 80 Prozent dieser Erkrankungen im Frühstadium diagnostiziert. Es werden acht Mal mehr Tumoren entdeckt als Patienten daran sterben."

Antihormonelle Wirkung

Operation oder Strahlentherapie, antihormonell wirksame Medikamente sowie Chemotherapeutika stehen in der Therapie zur Verfügung. Gleichzeitig wollen die Urologen in geeigneten Fällen auch ohne Behandlung auskommen. Der Experte: "20 bis 40 Prozent der Patienten sind für aktive Surveillance geeignet." Behandelt wird erst, wenn sich Anzeichen eines stärkeren Tumorwachstums einstellen.

Da das Prostatakarzinom auf den Wachstumsimpuls des Testosterons angewiesen ist, stellt in der medikamentösen Behandlung die antihormonelle Therapie einen ganz wichtigen Teil dar. Gero Kramer, von der Universitätsklinik für Urologie an der MedUni Wien: "Es kommt dabei fast immer - nach 18 bis 36 Monaten - zum Fortschreiten der Erkrankung. Wir haben geglaubt, dass die Tumorzellen dann unabhängig von den Geschlechtshormonen zu wachsen beginnen. Überraschenderweise haben wir gelernt, dass der Tumor aber extrem Hormon-sensitiv wird." Die Karzinome produzieren dann das Testosteron selbst, erhöhen die Zahl der Rezeptoren dafür oder es kommt auch ohne das Hormon zu einer ständigen Aktivierung der Wachstumssignale.

Auf diese Fälle zielen neue Arzneimittel ab, welche in klinischen Studien eine lebensverlängernde Wirkung eindeutig bewiesen haben. Die Substanz Abiraterone zum Beispiel blockiert die Testosteronproduktion im Körper an mehreren Stellen, Enzalutamide hemmt wiederum die Testosteronrezeptoren. Mit Alpharadin gibt es ein Alpha-Strahler-Arzneimittel, das sich gezielt in die Knochen einlagert und die Entstehung von Metastasen verhindert. Es gibt auch neue Chemotherapeutika. (APA, 21.3.2013)