Staatspleite und Eurozone | Zyperns Wirtschaft | Staatsbankrott | Russland als Retter | Geschlossene Banken

Verkraftet die Eurozone eine Staatspleite?

Die Frage stellte sich bereits rund um die zunehmend dramatische Situation in Griechenland: Kann die Eurozone eine Staatspleite verkraften? Die Meinungen darüber gingen weit auseinander. Am Ende kam es zu einer geordneten Staatspleite in Griechenland. Mittlerweile ist die Eurozone in Sachen Stabilisierung des Finanzmarktes Stück für Stück weitergekommen. Gerade dieser Tage haben sich die EU-Staaten und das Europaparlament auf eine gemeinsame Bankenaufsicht für die Eurozone geeinigt. 2014 soll diese starten. Dann sollen Bankenkrachs europäisch gelöst werden können, soll die Kapitalisierung der Banken auf stabileren Beinen stehen. "Die Frage nach Staatspleiten wird sich dann so nicht mehr stellen", sagt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria Unicredit.

Derzeit hält er von einer Staatspleite nichts. Nach Bruckbauers Ansicht hätten die EU-Verhandler im Poker um die Hilfsmilliarden mit Zypern über das Hilfspaket zwei rote Linien einzuziehen gehabt: keine Staatspleite, kein Antasten der 100.000-Euro-Einlagensicherung. "90 bis 95 Prozent der Zyprioten wären von einer Sonderabgabe gar nicht betroffen gewesen", so Bruckbauer, "weil sie ohnedies keine 100.000 Euro auf ihren Konten haben." Dass die zypriotische Regierung die Sparer zur Kasse bitten wollte, sieht Bruckbauer als reines Argument im Poker um die Hilfsmilliarden: "Das war gewissermaßen Erpressung." Eine mögliche Kapitalflucht der Wohlhabenden wäre zudem der geplanten Schrumpfung des aufgeblasenen Finanzsystems Zyperns langfristig nicht abträglich. In diesem Sinne sei es jetzt Gebot der Stunde, für die Eurozone mit Zypern nachzuverhandeln.

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Wie geht es Zypern wirtschaftlich?

Zypern ist eine der kleinsten Volkswirtschaften in der Eurozone. Im Jahr 2011 belief sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf 18 Milliarden Euro. Seit 2012 ist Zypern in der Rezession, die Arbeitslosigkeit verdoppelte sich innerhalb eines Jahres auf fast 13 Prozent.

Die Schuldenkrise brachte Zypern immer mehr in die Zwickmühle. Ende 2011 machte der gesamte Schuldenberg des Landes 71,1 Prozent des BIP aus, bis 2014 soll er laut EU-Kommission auf 97 Prozent wachsen.

Besonders Zyperns Bankensektor sorgt für Probleme, er ist für das kleine Land überdimensioniert. Dabei reichen die Schätzungen vom Achtfachen bis zum Zehnfachen des BIP Zyperns. EU-Durchschnitt ist das 3,5-fache der Wirtschaftsleistung eines Landes. Die zypriotischen Banken gerieten auch wegen ihrer Nähe zu Griechenland in Schwierigkeiten. Dazu kommt noch der Vorwurf, Zypern sei zu lax bei der Bekämpfung von Geldwäsche. Nicht zuletzt deswegen landen auch ausländische Gelder häufig auf zypriotischen Konten.

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Wie war das noch mal mit dem Staatsbankrott?

Bei einem Staatsbankrott muss ein Staat selbst offiziell eingestehen, dass er seine Schulden nicht mehr bedienen kann. Denn eine Insolvenzordnung für Länder gibt es nicht. Anders als bei einem Unternehmen existiert kein geregeltes Verfahren, kein Wenn-Dann-Fahrplan.

Ein Land gilt dann als pleite, wenn keine Bank, kein Bürger, kein Land und kein anderer Investor mehr zur Verfügung stehen, um die Schulden des Staates zu begleichen. Als Argentinien zum Beispiel 2002 nicht einmal mehr vom Internationalen Währungsfonds (IWF) Geld bekam, erklärte sich das Land für zahlungsunfähig.

Von einem Staatsbankrott sind neben den Gläubigern des Staates auch die Bürger und die gesamte Wirtschaft massiv betroffen. Lohnkürzungen, steigende Arbeitslosigkeit, verfallende Infrastruktur sind oft die Folge. Im Rahmen internationaler Verhandlungen werden oft Schuldenerlässe oder Umschuldungen vereinbart, diese gehen mit einem Verzicht auf einen Großteil der Forderungen einher. Damit soll der Staatshaushalt entlastet werden.

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Russland als Retter Zyperns, eine Option?

Zypern hofft auf weitere Kredite durch Russland. Dass es solche Hilfen geben wird, ist mehr als ungewiss, wiewohl es durchaus Interesse seitens Russlands geben könnte, sagt Politikwissenschafter Gerhard Mangott von der Uni Innsbruck. Kredite gegen lukrative Gegenleistungen – das wäre denkbar, ist aber keineswegs eine ausgemachte Sache, so Mangott. Vor der Küste Zyperns sind vor einiger Zeit reiche Erdgasvorkommen entdeckt worden. Zwischen 2,8 und drei Billionen Kubikmeter Gas könnten dort schlummern.

Theoretisch wäre es also möglich, dass Zypern nun Erdgasrechte an Russland verkauft. Das ist derzeit aber alles noch hypothetisch. Interesse an der Option könnte es schon geben, sagt Mangott. Allerdings wäre eine Entwicklung erst ab 2017 möglich, frühestens ab 2019 wäre das Gas exportfähig. Ob sich das für die Russen rechnet, sei mehr als ungewiss. Auch geopolitisch sei die Lage mehr als unsicher, sei doch keineswegs geklärt, wer diese Gasvorkommen im Endeffekt fördern darf. Auch Israel und die Türkei haben hier ihre Hände im Spiel. Was für Russland in der Sache ebenfalls von Bedeutung sein könnte, wäre möglicherweise noch ein Marinestützpunkt auf Zypern. Eine weitere offene Frage für Mangott: "Wie weit lässt die Eurozone Zypern gehen?" Kredit aus Russland, Hilfsmilliarden aus der Eurozone, wäre das denkbar? Da sind noch viele Fragen offen.

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Geschlossene Banken in Zypern, was nun?

Die geplante Zwangsabgabe auf Bankeinlagen sollte einen nicht unwesentlichen Teil des Euro-Hilfspakets ausmachen. Damit wäre Zypern das erste Krisen-Land der Eurozone, in dem auch Anleger – in der ursprünglichen Form vom Kleinsparer bis zum Großanleger – für die Rettung des Landes zur Kasse gebeten worden wären.

Diesen sogenannten "Bail-In" von Anlegern werten viele Ökonomen als Tabubruch. Er könnte zum Präzedenzfall werden, auch wenn allerorts verlautbart wird, dass die Beteiligung der Anleger ein auf Zypern maßgeschneidertes Modell sei. Christian Enger, Bankenanalyst bei der Erste Group, sieht zumindest große Unsicherheit aufkommen. Nach dem gestrigen Nein des zypriotischen Parlaments zum Rettungspaket, ist die Einbeziehung von Anlegern erst einmal vom Tisch. Wie genau eine solche ausgesehen hätte, und ob eine Beteiligung von Senior-Gläubigern wirklich einmalig gewesen wäre oder doch ein generell neuer Ansatz bei der Ausgestaltung von Hilfspaketen, diese Fragen sind laut Enger aber noch immer offen.

In Zypern ist das Vertrauen in das Bankensystem vorerst einmal zumindest angeknackst. Die Menschen fürchten um ihr Erspartes. Schließlich haben die Banken seit mehreren Tagen geschlossen, und sollen diese Woche gar nicht mehr aufsperren. Ein Bankenrun in Zypern ist nicht auszuschließen, wenn die Türen zu den Bankfilialen wieder geöffnet werden. Die Gefahr besteht, dass dieser Vertrauensverlust auch überschwappt auf andere Länder. (Regina Bruckner, Daniela Rom, derStandard.at, 20.3.2013)