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Ghassan Hitto, US-Amerikaner syrisch-kurdischer Herkunft, wurde in der Nacht zum Dienstag zum ersten Premier einer syrischen Exilregierung gewählt. Er sprach von einer "gewaltigen Herausforderung".

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Istanbul/Damaskus/Kairo - Auf Druck der Arabischen Liga hat die Syrische Nationale Koalition (SNC) in der Nacht zum Dienstag in Istanbul den Premier einer Interimsregierung gewählt. Ghassan Hitto, ein 50-jähriger Manager einer IT-Firma, hatte sich am Wochenende auf der Liste mit zwölf Kandidaten als Favorit herauskristallisiert, nachdem die Muslimbrüder und andere Islamisten sich hinter Hitto gestellt, aber auch Liberale sich für ihn ausgesprochen hatten. Die Tatsache, dass er Kurde ist und damit einer der vielen Minderheiten des Landes angehört, sprach ebenfalls für ihn.

Es sei immer möglich, dass das Regime in Damaskus von einem Moment zum andern falle, erklärte er bei der Ankündigung seiner Kandidatur. Deshalb müsse ein politisches Vakuum und ein Chaos vermieden werden, und dazu sei eine Interimsregierung notwendig.

Nicht alle Mitglieder der Exil-Opposition teilen diese Meinung. Einige Teilnehmer der Istanbuler Konferenz sind deshalb der Wahl ferngeblieben. Haytham Manna kritisierte in einer arabischen Zeitung, dass eine Interimsregierung eine Verhandlungslösung verhindern und die politische Spaltung nur vertiefen würde. Andere äußerten die Befürchtung, eine Regierung, die den befreiten Norden kontrolliere, könne zu einer Teilung des Landes führen.

Herausforderung gewaltig

Die Herausforderung, die vor ihm liege, sei gewaltig, erklärte Hitto in einer ersten kurzen Rede am Dienstag in Istanbul. Alle Anstrengungen seien darauf ausgerichtet, das Assad-Regime zu stürzen und die Bevölkerung zu versorgen. Verhandlungen mit dem Regime schloss er aus. Als Erstes muss er die Minister eines Kabinetts ernennen, Kriterien seien nur Kompetenz und Qualität, kündigte er an.

Geplant sind auch Reisen in befreundete Länder, die die erste Exekutive der syrischen Revolution unterstützen wollen. Diese erhoffen sich von einer Interimsregierung eine Anlaufstelle, über die humanitäre Hilfe und nicht-letale Militärhilfe nach Syrien geschickt werden können. 33 Staaten wollen ebenso wie die Arabische Liga einen Botschafter der syrischen Opposition akkreditieren.

Die regierungstreuen Medien in Syrien berichteten über die Bestrebungen der "Doha-Koalition" - wie die Zeitung al-Watan das Oppositionsbündnis nennt -, eine Interimsregierung zu bilden. Sie sprachen von "wilden Träumen". Die Opposition sei abgehoben von der Realität und den Ereignissen im Kriegsgebiet.

Gerüchte über C-Waffen

In Syrien gingen die Kämpfe auch am Dienstag unvermindert weiter. Regime und Rebellen warfen am Dienstag einander vor, in der Provinz Aleppo eine Rakete mit einem chemischen Sprengkopf abgeschossen und 15 Menschen getötet zu haben. Unabhängige Bestätigungen dafür gab es vorerst keine. Im Libanon herrschte nach einem syrischen Luftangriff auf Rebellenstellungen jenseits der Grenze am Montag Empörung, die USA sprachen von einer "signifikanten Eskalation". (Astrid Frefel, DER STANDARD, 20.3.2013)