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Juncker: Europa muss sich besser kennen und lieben lernen.

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Wien - Bei der Halbzeit seiner Rede hatte Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker wahrscheinlich auch den allerletzten Zuhörer im Festsaal der WU Wien deprimiert. Juncker war am Montagabend gekommen, um seine Vision von der Zukunft der EU zu skizzieren und sein Fazit fiel trist aus.

Europa befindet sich laut dem früheren Chef der Eurogruppe am absteigenden Ast. Die wirtschaftliche Bedeutung des Kontinents nimmt ab, in 20 Jahren werden China und die USA die EU in punkto Wirtschaftsleistung überholt haben. Europas Anteil an der Weltbevölkerung schrumpft stetig. Die politische Bedeutung der EU sei schon heute nur marginal: Immer wenn wichtige außenpolitische Entscheidungen anstehen, gerieren sich die EU-Politiker "wie verschreckte Hühner".

Doch es gibt Hoffnungsschimmer. Wenn es der EU gelingt zusammenzurücken - oder zumindest nicht weiter auseinanderzudriften - könne der alte Kontinent seine gemeinsamen Stärken ausspielen und seinen Wohlstand absichern, sagte Juncker bei der von Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid moderierten Diskussion der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Mit dem Euro habe man zudem einen Trumpf im Ärmel, um sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten - zudem sei der Euro das effektivste außenpolitische Instrument der EU.

Danach folgte Junckers eigentlich zentraler Punkt: Um Europa zu erhalten, müssten die Menschen, insbesondere die Jugend, erneut vom gemeinsamen Projekt überzeugt werden. Hohle Phrasen und der Hinweis darauf, dass sich die EU als Friedensprojekt bewährt habe, reichten nicht länger aus.

Doch Juncker blieb einige der von ihm selbst verlangten Antworten schuldig: Denn die größten Probleme der Eurozone - die hohe Arbeitslosigkeit, das mangelnde Wachstum - sprach er zwar an. Konkrete Lösungsvorschläge hatte er aber nicht parat. Juncker forderte eine wachstumsfreundliche Konsolidierung des Staatshaushalts. Spanien, Italien und Co versuchen allerdings genau das seit Krisenausbruch vergebens.

Abseits davon konnte Juncker mit gut gemeinten Ratschlägen aufwarten - so forderte er etwa, dass sich die Europäer besser kennen, ("Was weiß ein Lappe schon über einen Nordluxemburger?") und mehr "lieben lernen".

Das Publikum ließ ihm die Lücken in der Argumentation durchgehen: In der langen Fragerunde ging es eher um seine persönliche Zukunft und die Lage in Frankreich - was vom Kernthema wieder wegführte.

Was Juncker klar erkennen ließ war, dass er mit der für Zypern im ersten Anlauf gefundenen Lösung nicht einverstanden war. Bereits im Standard-Interview hatte er zuvor klargemacht, dass er die Zwangsbesteuerung von Guthaben unter 100.000 Euro ablehnt. "Ich hätte mir einen schonenderen Umgang mit den Kleinanlegern gewünscht. Ich bin peinlich berührt, dass ich das so sehen muss, weil ich mir eigentlich vorgenommen hatte, die Ergebnisse der ersten Sitzung, die ich nicht leite, nicht kommentieren zu müssen. Das ist nicht sehr kollegial, aber ich kann auch nicht sagen, dass ich mit der Lösung einverstanden wäre." (szi, DER STANDARD, 20.3.2013)