Nahost-Beauftragter Andreas Reinicke.

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Brüssel/Wien - Aufmerksam verfolgt man in Brüssel den Israel-Besuch von US-Präsident Barack Obama: Der EU-Sonderbeauftragte für den Nahost-Friedensprozess, Andreas Reinicke, drückt in einem STANDARD-Gespräch die Hoffnung aus, dass daraus der "Auftakt einer neuen Initiative" wird - auch wenn das Weiße Haus betont, dass Obama nicht mit Verhandlungsplänen im Gepäck in den Nahen Osten komme. Das "Zuhören", das sich Obama verschrieben habe, sei der richtige Ansatz, aber "wir erwarten eine strukturierte neue Phase", sagt Reinicke.

Lang erwartete Bedingungen - Wahlen in den USA und Israel vorüber, neue Regierung in Israel - seien nun gegeben: "Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns bleibt, aber wir sehen die Zweistaatenlösung in Gefahr." Der Beginn einer neuen Initiative sollte deshalb "noch in dieses Jahr" fallen, das zwanzig Jahre israelisch-palästinensisches Grundsatzabkommen (Oslo I) markiert.

Als Nahost-Diplomat braucht man eine starke Begabung zum Optimismus. Die Diskussion, ob Präsident Mahmud Abbas wie von ihm gedroht die Palästinensische Autonomiebehörde, ein Produkt des Oslo-Prozesses, wirklich auflösen könnte, wenn es keine Fortschritte gibt, sollte man laut Reinicke gar nicht aufkommen lassen: Abbas sei ein guter - und säkularer - Partner für Israel.

Innerpalästinensische Lösung als Stolperstein

Aber wird nicht diese alte säkulare Politikerklasse, zu der Abbas gehört, soeben von den arabischen Umbrüchen hinweggefegt? Gerade angesichts der strategischen Veränderungen in der Region sei es umso wichtiger für Israel, dass es in seiner unmittelbaren Nachbarschaft eine friedliche Regierung, einen "positiven Staat" bekomme. Und wenn Abbas einen Deal schafft, dann würde ihn das zweifellos stärken. Reinicke betont auch die Arabische Friedensinitiative von 2002, die in den vergangenen Jahren "nicht genügend gewürdigt" worden sei.

Ein Stolperstein bleibt die innerpalästinensische Versöhnung. Wie würde die EU diesmal auf eine Fatah-Hamas-Regierung reagieren? Reinicke: "Wir haben klar gesagt, dass wir eine Versöhnung zwischen den Fraktionen hinter Präsident Abbas wollen, in dem Rahmen, den er selbst 2011 skizziert hat. Wenn das gelingt, werden wir das unterstützen."

Über möglichen Druck auf Israel spricht man in der EU nicht gerne, lieber über "Umsetzung unserer Rechtsposition" zur Nichtanerkennung der Annexionen von Ostjerusalem und des Golan und der Besetzung des Westjordanlands. Reinicke macht darauf aufmerksam, dass laut israelischen Medien auch die USA gerade wieder darauf pochen: Bei der Rede Obamas sollen nur Studenten von israelischen Universitäten, die innerhalb der 1967er-Grenze liegen, eingeladen sein - das heißt nicht aus der neuen Universität Ariel. Die Tendenz geht übrigens auch in der EU dahin, statt von "besetzten Gebieten" von "Palästina" zu sprechen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 20.3.2013)