Wien - Gene sind eine Sammlung von Informationen, die der Körper bei Bedarf abliest und weiterverarbeitet, wenn es ihm Spaß macht. Keinesfalls würden "egoistische Gene" dem Organismus ihren Willen aufzwingen, wie dies sein Oxford-Kollege Richard Dawkins behauptet, erklärte Denis Noble von der Universität Oxford Montag Abend bei einem Vortrag anlässlich der "Rupert Riedl Lecture in Science and Society 2013" in Wien.

Dawkins, der 1976 mit seinem Buch "Das egoistische Gen" bekannt wurde, sei zwar ein exzellenter Erzähler, betonte Noble: Was er schreibe, sei aber schlichtweg falsch. Die Gene hätten sich nicht in tapsigen Organismen ("Damit sind Sie gemeint!") verschanzt und würden sie kontrollieren, wie Dawkins behaupte, sondern sie seien in intelligenten Wesen gefangen und werden von ihnen und der Umwelt geformt, so Noble. "Ihre Erhaltung ist vollkommen abhängig von dem Spaß, den wir erleben, wenn wir uns fortpflanzen", sagte er.

Proteine bestimmen, was abgelesen wird

Als man die DNA entdeckte, habe man bald gelernt, dass sie die Vorlage für Eiweißstoffe sei und nicht umgekehrt. Daraus hätte man fälschlicherweise geschlossen, dass keine Information von Eiweißstoffen zur DNA fließen würde, denn man habe die DNA-Regulation nicht bedacht. "Es sind Eiweißstoffe, die Gene ablesen und bestimmen, welche davon gelesen werden", erklärte Noble.

"Gene tanzen wie Marionetten zur Melodie des Organismus und seiner Umwelt", sagte er. Zieht niemand an den Fäden, seien sie zur Untätigkeit verdammt. Die DNA sei freilich lebenswichtig, aber man habe Ursache und Wirkung vertauscht. Auch sei die DNA nicht der einzige Überträger der Erbinformation, andere Informationen würden ebenso von einer Generation an die nächste weitergegeben. So hätten etwa Forscher die DNA eines Karpfen in eine befruchtete, aber zellkernlose Goldfisch-Eizelle verpflanzt - herausgekommen sei nicht ein Karpfen, sondern ein Mittelding zwischen Goldfisch und Karpfen.

Ersetzbare Gene

Die einzelnen Gene sollten sich auch nicht zu wichtig nehmen, denn sie sind ersetzbar. Die Organismen würden einen Ausfall gut kompensieren: Eine Studie habe gezeigt, dass acht von zehn Genen (einzeln) ausgeschaltet werden können, ohne dass man einen Effekt sieht, so Noble.

Der emeritierte Oxford-Professor Denis Noble ist Physiologe und Systembiologe. Er verwendet mathematische Modelle, um biologische Systeme zu verstehen. In den 1960er Jahren entwickelte er das erste mathematische Modell des Herzschlags. 2006 veröffentlichte er mit "The Music of Life" ein populärwissenschaftliches Buch über die Systembiologie.

Die "Rupert Riedl Lecture in Science and Society 2013" ist nach dem Wiener Zoologen Rupert Riedl (1925-2005) benannt, der für seine Arbeiten in der Meeresforschung und zur Evolutionären Erkenntnistheorie bekannt ist. Der Vortrag wurde vom Department für Theoretische Biologie der Universität Wien gemeinsam mit dem Konrad Lorenz Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung (KLI) organisiert. (APA/red, derStandard.at, 19.03.2013)