Die ÖVP hat die Wohnpolitik also (wieder) entdeckt. Ob es mit dem herannahenden Wahltermin im Herbst zu tun hat, weil man der SPÖ nicht ständig hinterherhinken will, wenn sie sich für leistbares Wohnen einsetzt, oder ob es eine Konsequenz aus den missbräuchlichen Veranlagungen der Wohnbaufördergelder in diversen Bundesländern ist - egal, das Thema wurde jahrzehntelang von der Politik auf das Abstellgleis gestellt. Die Abschaffung der Zweckbindung der Wohnbauförderung war eine politische Sünde, weil die Länder die Gelder zunehmend für Kreisverkehre oder das Stopfen von Budgetlöchern verwendet haben. Gleichzeitig sind Grundstückspreise und Wohnkosten, egal ob Miete oder Wohnungseigentum, während der vergangenen drei Jahre bis zu 50 Prozent gestiegen. Auch weil die Fördermittel nicht mehr zweckgebunden eingesetzt werden.

Wenn sich Menschen das Wohnen nicht mehr leisten können, hat das auch nachhaltige Auswirkungen auf das Zusammenleben unserer Gesellschaft. Das Bedürfnis nach humanen Lebensräumen in Zeiten der städtischen Verdichtung muss eben mehr sein als Verkehrsplanung und Architektur. Es geht in erster Linie um die Lebensqualität in den urbanen Räumen und darum, wie wir sie unter Nutzung neuer Technologien und moderner Baustoffe lebenswerter machen können, wie wir natürliche, nachwachsende Ressourcen forcieren und sie effizient und umweltgerecht einsetzen. Dazu braucht es neue Konzepte, neue Ideen, aber auch neue Ansätze in der Politik, die endlich die Baukultur wieder in ihre Agenda aufnehmen muss.

Daher ist es sehr erfreulich, wenn die Politik sich nun - nach den Sozialpartnern, die das bereits beim Europäischen Forum Alpbach getan haben - mit dem Wohnbau und einer sozialen Wohnpolitik zu beschäftigt. Auch wenn sich im August 2012 noch kein Bundespolitiker fand, der sich auf einem Podium der Debatte stellen wollte.

Wohnen in Österreich gilt als einer jener Bereiche, in dem unser Land im internationalen Benchmarking zu den Besten der Welt zählt. Fast die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher leben im Eigenheim. Der durchschnittliche Aufwand, der monatlich für Wohnen ausgegeben wird, liegt unter jenem von Deutschland, Frankreich oder England, wir wohnen also nicht nur gut, sondern auch relativ günstig.

Der überwiegende Teil des österreichischen Wohnungs- und Hausbestands wurde seit 1950 neu geschaffen oder gründlich durch massiven Einsatz öffentlicher Wohnbaufördermittel saniert. Es ist aber bei weitem nicht alles paletti im Wohnland Österreich: Es gibt großen Nachholbedarf im Bereich der Ökologisierung, sowohl im Bewusstsein der Menschen als auch bei der Wohnbauförderpolitik, die Umweltsünden eher begünstigt als diese abbaut.

Die Grundstückspreise sind auch durch die internationale Finanzkrise insbesondere in den urbanen Räumen enorm gestiegen, ebenso die Mieten. Ein Wohnungswechsel für Menschen mit einem Einkommen unter 1500 Euro monatlich ist heute kaum mehr finanzierbar, wenn wir bei der gesellschaftlichen Auffassung bleiben, dass der Wohnaufwand deutlich unter 50 Prozent des Nettohaushaltseinkommens liegen sollte. Unser Problem heißt also nicht, wir haben zu wenige Wohnungen, sondern viele einkommensschwache Bewohner finden keine Wohnung, die für sie leistbar ist.

Für die Politik heißt das wohl, sie muss sich um eine bessere soziale Verteilungsgerechtigkeit im heimischen Wohnungswesen kümmern. Sie muss aber auch dafür sorgen, dass in Zukunft die Durchmischung unterschiedlichster Bevölkerungsschichten auch mit vielfältigem ethnischem Hintergrund besser gelingt; wie zum Beispiel im Nachkriegswien der 1950er- und 1960er-Jahre, durch die Errichtung von Gemeindebauten in Lagen, die vermeintlich den Reichen vorbehalten waren wie etwa im 13. und 19. Bezirk.

Wenn die Wohnungspolitik zu einem Wahlkampfschlager werden soll, dann wird es ein spannender Wettbewerb um das Überwinden von längst überholten und nicht mehr zeitgemäßen Vorschriften. Die beginnen bei der Frage der Stellplätze - in manchen Bundesländern sind bis zu drei Parkplätze pro Wohneinheit vorgeschrieben - bis hin zu teilweise unsinnigen Auflagen für alle Neubauwohnungen, die nur wenige Nutzer benötigen, die aber den Wohnbau heute so teuer machen. Dass Justizministerin Karl das Mietrecht novellieren will, ist allerhöchste Zeit. Es wäre die erste Änderung seit 1993. Die Befristung der Mietverträge hat zur Folge, dass sich vor allem junge und einkommensschwächere Familien den Wohnungswechsel nicht mehr leisten können. Sanierte Mietwohnungen in Gründerzeithäusern sind heute für Angehörige des unteren Einkommensdrittels nicht mehr finanzierbar.

Eine Mietzinsobergrenze ist dennoch keine taugliche Lösung. Vielmehr sollte man nachdenken, die Zu- und Abschläge, die rechtlich möglich sind, taxativ aufzulisten und somit für Wohnungssuchende, aber auch für Gerichte vollziehbar und judizierbar zu machen. Gleichzeitig könnte ein Zuschlag darin bestehen, unbefristete Mietverträge auszustellen.

Es gäbe noch viel mehr Ideen und Vorschläge, die die Politik als Nachholbedarf in ihr Programm aufnehmen könnte. Wer in dieser Frage das Ohr enger an den betroffenen Menschen hat, wird auch bei der Wahl besser punkten. Zumindest das sollte die Parteien beflügeln für eine bessere Wohnbaupolitik mit Zukunftsausblick. (Jörg Wippel, DER STANDARD, 19.3.2013)