Bild nicht mehr verfügbar.

150 Millionen Dollar kostete der Bau eines Kinderspitals in Basra. Das 2010 fertiggestellte Krankenhaus ist noch immer nicht voll funktionsfähig - und steht am falschen Ende der Stadt.

Foto: AP/al-Jurani

Bagdad/Washington - In normalen Zeiten wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, Robert J. Stein 82 Millionen Dollar (63 Millionen Euro) anzuvertrauen. Doch die Zeiten waren nicht normal, die britisch-amerikanische Koalition suchte händeringend Leute für die Coalition Provisional Authority (CPA), die Behörde, die nach dem Einmarsch im Irak vorübergehend das Land verwalten sollte. In North Carolina war Stein wegen Kreditkartenbetrugs acht Monate lang im Gefängnis gesessen, im südirakischen Hilla ernannte man ihn zum Finanzchef eines CPA-Sektors und übertrug ihm die Verantwortung über das Budget.

Stein bunkerte das Geld, zu ziegelsteindicken Päckchen gebündelte Hundertdollarscheine, in einem Tresor und bezahlte damit die Aufträge, die er vergab. Einmal war eine alte Polizeiwache in Babylon abzureißen, dann in Kerbala eine Bibliothek zu renovieren, wobei allein die Vernetzung des Lesesaals mit dem Internet mit stolzen 498.900 Dollar zu Buche schlug. Auffallend oft kam Philip Bloom zum Zug, ein amerikanischer Geschäftsmann, der im rumänischen Bukarest ein kleines Firmenimperium aufgebaut hatte.

Bloom revanchierte sich, indem er regelmäßig fünfstellige Summen auf ein Konto der Bragg Mutual Federal Credit Union in North Carolina überwies. Schmiergeld, das nicht direkt an Stein floss, sondern an dessen Gattin, um die Sache zu vertuschen. Im Laufe der Zeit legte sich das Ehepaar vier Granatwerfer, zwölf Maschinengewehre, zwei Grundstücke, einen Lexus-SUV und 18 Armbanduhren der Marke Breitling zu, um nur ein paar Beispiele aus einer langen Liste zu nennen. Als Stein im Dezember 2004 nach zwölf Monaten seinen Posten in Hilla räumte, dürfte er geglaubt haben, nun habe er ausgesorgt.

Iraker nicht konsultiert

Gut acht Jahre später ist der Affäre Stein/Bloom ein eigenes Kapitel gewidmet in einem Abschlussbericht, in dem amerikanische Rechnungsprüfer zusammenfassen, wie im Irak Steuergelder verschleudert wurden. Seit April 2003, als Saddam Hussein aus Bagdad floh, flossen rund 60 Milliarden Dollar aus Washington ins Zweistromland. Knapp die Hälfte war für die Ausbildung von Soldaten und Polizisten bestimmt, der Rest für die Reparatur der Infrastruktur. Mindestens acht Milliarden wurden in den Sand gesetzt, konstatiert nun Stuart Bowen, der Generalinspektor für den irakischen Wiederaufbau.

Bowens Report sorgt auch deshalb für Wirbel, weil Amerikas öffentliche Kassen leer sind und die nächste Bilanz des Finanzfiaskos bald folgen dürfte: In Afghanistan werden die USA 90 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern ausgegeben haben, bevor sie nächstes Jahr zum Rückzug blasen - mit ähnlich bescheidenen Ergebnissen wie zwischen Basra und Mosul. "Der größte Fehler war, die Iraker nicht zu konsultieren", schreibt Bowen. "Zu oft haben wir durchgezogen, was wir uns in den Kopf gesetzt hatten, ohne zu fragen, was der Irak tatsächlich brauchte."

Da ist etwa eine Kinderklinik in Basra: 94 Betten, 2004 für 50 Millionen Dollar geplant, 2010 für die dreifache Summe im Rohbau fertiggestellt, aber noch immer nicht funktionsfähig. Hätte man sich vor dem ersten Spatenstich umgehört, so Bowen, hätte man leicht herausfinden können, dass das Krankenhaus "am falschen Ende der Stadt" liegen würde, in einer potenziell gefährlichen Ecke. In Falluja, einer der Hochburgen sunnitischer Aufständischer, wurde eine Kläranlage trotz enormer Risiken weitergebaut. 2014 geht sie in Betrieb, fünfeinhalb Mal teurer als anfangs gedacht - und viel zu klein. Um die umliegenden Wohnviertel zu versorgen, hätte sie vier Mal so groß konzipiert werden müssen.

Hinzu kamen immer wieder Fälle dreisten Betrugs. So erhielt die Anham LLC, ein Logistikunternehmen mit Sitz in Virginia, den Auftrag, zwei zentrale Lagerhallen zu betreiben: eine am Flughafen Bagdads, die andere im Hafen Umm Qasr am Golf. Was Anham der US-Regierung dafür in Rechnung stellte, überstieg jede Vorstellungskraft. Ein einfacher Kontrollschalter, für den man im Baumarkt sieben Dollar berappen muss, kostete 900 Dollar. Plastikrohre für Installationsarbeiten waren 56-fach überteuert. Im Pentagon, wo die Quittungen eingingen, fiel die Halsabschneiderei trotzdem zunächst nicht weiter auf. (Frank Herrmann, DER STANDARD, 19.3.2013)