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Irgendwie wundert es eine/n nicht, wenn man von Gutinformierten hört, dass sich immer mehr jugendliche Flüchtlinge – und volljährige ebenso – aus Österreich wieder absetzen, um auf eigene Faust weiterzureisen, in die wenigen europäischen Staaten, wo sie bessere Chancen haben.

Foto: APA/Techt

Eine weitere Asylnovelle, das so genannte BFA-Einrichtungsgesetz, steht kurz vor dem Beschluss – eine, die das gesamte Asyl- und Fremdenwesen organisatorisch umkrempeln soll. Am Mittwoch oder Donnerstag, also am 20. oder 21. März, wird sie dem Nationalratsplenum zum Beschluss vorgelegt und von ÖVP und SPÖ wohl beschlossen – womit die Regelungen für den Umgang mit Flüchtlingen und "Fremden" in Österreich von Neuem ihrem Ruf als Dauerbaustelle gerecht werden, auf der es immer schwieriger wird, den Überblick zu bewahren.

Zuletzt wurde in diesem Zusammenhang aber nicht über das große Ganze, also die Errichtung eines Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ab 2014 als solches, gestritten. Sondern über eine ganz konkrete Einzelbestimmung, mit der eine härtere Gangart eingeschlagen werden soll. Und zwar just gegen eine Gruppe, die unter den AsylwerberInnen zu den Schwächsten gehört: Jugendliche, die jünger als 18 Jahre und allein, ohne Eltern oder sonstige Angehörige, auf der Flucht sind.

Diese – meist junge Burschen aus Afghanistan, aber etwa auch aus Pakistan oder Somalia – haben in den vergangenen Jahren vermehrt in Europa um Schutz ersucht. Nun sollen sie in Österreich verpflichtet werden, im Herkunftsstaat oder anderswo aktiv nach ihren Eltern oder weiteren Verwandten zu suchen, in der Regel durch einen Suchauftrag ans Rote Kreuz. Oder aber sie sollen die Adresse von Angehörigen nennen, so sie wissen, wo sich diese befinden.

Gefährliche Suche

Nun kann eine solche Suche für Angehörige im Herkunftsstaat gefährlich sein. Rot-Kreuz-ExpertInnen warnen, es bestehe das Risiko, das Augenmerk repressionsbereiter Behörden und ziviler Autoritäten auf die Zurückgebliebenen zu richten. Doch Einwände wie diese stoppten die Reformfreudigkeit nicht. Wie es ausschaut, dürfte die im schwarz regierten Innenministerium entworfene Regelung, von Koalitionspartner SPÖ mit abgesegnet, 2014 wie ursprünglich geplant in Kraft treten. Denn entgegen anderslautenden Gerüchten und Berichten und trotz vorhergehender Kritik durch ExpertInnen, Grüne und einzelne SPÖ-MandatarInnen haben ÖVP und SPÖ im Innenausschuss vergangenen Mittwoch keinen wirksam entschärften Entwurf beschlossen.

Und das kam so: Davor war geplant gewesen, dass die neue Mitwirkungspflicht für alle unter-18-jährigen unbegleiteten Flüchtlinge gelten solle, also auch für kleine Kinder. Das war scharf kritisiert worden, etwa vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt. Nun, im Entwurf für den Innenausschuss, wurde der Geltungsbereich auf 14- bis 18-Jährige eingeschränkt. Doch kleine Kinder schaffen es nie und ältere Unter-14-Jährige auch nur äußerst selten, sich auf eigene Faust aus fernen Ländern bis nach Österreich durchzuschlagen. Also wird die geplante Neuregelung für fast alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Österreich gelten.

Heißt unterm Strich: Die angebliche Entschärfung des Erstentwurfs ist keine solche, sondern nur ein Fall von Kinderrechtskosmetik. Denn um Kinderrechte geht es hier, so wie sie laut UN-Kinderrechtskonvention in Österreich in Verfassungsrang sind, was aber aufgrund eines Vorbehalts fürs Asyl- und Fremdenrecht nicht immer gilt. Um Kinderrechte, mit denen in Gestalt der geplanten Minderjährigen-Mitwirkungspflicht zynisch umgegangen wird.

Pflichtverlagerung

Denn mit besagter Neuregelung soll die EU-Statusrichtlinie umgesetzt werden, die die Unionsstaaten verpflichtet, nach Angehörigen unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zu suchen, sobald diese Asyl oder subsidiären Schutz bekommen haben. Österreich nun macht daraus eine Pflicht für die Jugendlichen selbst. Und streicht (in den Erläuterungen zum BFA-Gesetz) dazu noch heraus, dass man hierzulande, die Richtlinie überbietend, schon während des Verfahrens mit der Angehörigensuche beginnen wolle.

Mit einer verpflichtenden Angehörigensuche, die junge Flüchtlinge in der Praxis um Asyl- und Bleibechancen in Österreich bringen wird. Denn verweigert ein/e Jugendliche/r die Suche, so kann dies als Nicht-Mitwirkung im Asylverfahren gewertet werden. Sein oder ihr Vorbringen kann als unglaubwürdig bezeichnet, der Asylantrag abgelehnt werden – es sei denn, der/die AsylrichterIn sieht die Gründe für die Mitwirkungsverweigerung als plausibel an.

Wirkt der oder die Jugendliche hingegen am Verfahren mit, indem er oder sie Eltern oder Familie ausfindig macht, so sind, wenn er oder sie kein Asyl oder subsidiären Schutz bekommt, Ausweisung und Abschiebung weit einfacher durchzusetzen. Dann weiß man ja, wohin man ihn oder sie zurückschicken kann: zum Zweck einer "Familienzusammenführung" in den Herkunftsstaat. Also dorthin, wo das Problem, das zur Flucht geführt hat, begann.

Irgendwie wundert es eine/n nicht, wenn man von Gutinformierten hört, dass sich immer mehr jugendliche Flüchtlinge – und volljährige ebenso – aus Österreich wieder absetzen, um auf eigene Faust weiterzureisen, in die wenigen europäischen Staaten, wo sie bessere Chancen haben. (Irene Brickner, derStandard.at, 16.3.2013)