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In Österreich werden Statistiken der Europäischen Union über Drogenopfer stark angezweifelt.

Foto: APA/dpa/Boris Roessler

Wien - Österreich, die Drogenhochburg Europas? Zumindest nach offiziellen Zahlen des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) gilt Österreich als EU-Land mit der höchsten Rate an Drogentoten.

Sehr augenscheinlich ist diese für Österreich alarmierende Drogen-Statistik in der vor einigen Tagen online gestellten, interaktiven Europakarte der Süddeutschen Zeitung nachvollziehbar. In der Rubrik Drogentote je 100.000 Einwohner rangierte Österreich demnach von 2007 bis 2010 - bis zu diesem Zeitpunkt liegt Datenmaterial vor - mit 2,3 Toten an der Spitze. Deutschland weist im Vergleich 0,8, Italien 0,7, Slowenien 0,2 Tote aus.

Dramatische Spitzenreiterfunktion

Die der Grafik zugrunde gelegten Daten sind laut Auskunft der Süddeutschen Zeitung dem offiziellen Zahlenmaterial des Statistischen Amtes der EU entnommen. Eine Standard-Überprüfung in den diesbezüglichen statistischen Jahrbüchern des Eurostat bestätigt das veröffentlichte Zahlenmaterial und die dramatische Spitzenreiterfunktion Österreichs in der europäischen Drogentoten-Statistik.

Ministerium dementiert

Im österreichischen Gesundheitsministerium zeigt man sich ratlos und verwirrt. Derartiges statistisches Zahlenmaterial sei unbekannt. Der heimische Drogenbericht, der in den europäischen Drogenbericht einfließe und zu einem gänzlich anderen Ergebnis, nämlich einem positiveren für Österreich, komme, basiere auf völlig anderen Zahlen.

Österreich rangiere eigentlich im guten Mittelfeld, keineswegs an der Spitze, heißt es in der Bundesdrogenkoordination des Gesundheitsministeriums. Man könne sich die eklatante Diskrepanz nur so erklären, dass Eurostat eben andere Daten heranziehe. Grundlage der heimischen Drogenopfer-Erhebungen seien vorerst die Totenbescheinigungen.

Gut möglich, sagt Drogenkoordinatorin Johanna Schopper, dass nur die bloßen Totenscheine die Basis für die Eurostat-Statistiken seien. Das Ministerium verwende die Todesangaben auf den Totenscheinen aber nur als Basis für weitere Erhebungen: "Das sind für uns nur Rohdaten. Wir gehen jedem Fall nach, holen uns Obduktionsergebnisse, beschaffen uns Obduktionsgutachten." Daraus entstünden eigenen, genauere Spezialstatistiken, die die Grundlage für den jährlichen Drogenbericht bilden.

Statistik Austria zweifelt an Eurostat-Daten

Das Statistische Amt der Europäischen Union besorgt sich sein Statistikmaterial jedenfalls in den jeweiligen Mitgliedsländern von den dortigen Statistischen Ämtern, in Deutschland etwa vom Statistischen Bundesamt und in Österreich von der Statistik Austria. Hier beim österreichischen statistischen Amt ist man aber ebenso konsterniert über die Daten des Eurostat, die ja wiederum in eigenen, teuren EU-Jahrbüchern publiziert werden und auch eine Grundlage für politische Drogenprogramme bilden.

Bei der Statistik Austria hält man die europäischen Daten von Eurostat für "zweifelhaft". Es seien nur Zahlen aus der Mortalitätsstatistik dargestellt worden, die vollständige Erfassung der drogenbezogenen Todesfälle, wie sie im "Special Register" erfasst würden - das auch im Gesundheitsministerium erwähnt wird - fehlten.

Vergleich ist "gefährlich"

"Trotz jahrelanger Bemühungen um eine Harmonisierung der Statistik der direkten drogenbezogenen Todesfälle zeigen sich noch starke qualitative Abweichungen zwischen den Länderstatistiken", sagt Charlotte Wirl, Expertin für Drogenstatistik in der Forschungs- und Planungsinstitution des Gesundheitsministeriums "Gesundheit Österreich".

Von Ländervergleichen werde daher überhaupt abgeraten, betont Wirl im Standard-Gespräch. Es sei "gefährlich", wenn einzelne, unterschiedliche Kategorien miteinander verglichen werden. Hier im Speziellen bei der Statistik der Drogentoten hänge es davon ab, wie genau die Todesursachen untersucht werden.

Betrachte man trotzdem die Raten zwischen den Ländern, liege Österreich aber durchaus im oberen Drittel, was unter anderem "auch durch die hohe Qualität der Statistik in Österreich zu erklären ist", sagt Statistikexpertin Wirl. (Walter Müller, DER STANDARD, 16./17.3.2013)