Facettenaugen liefern gleichsam Pixel für Pixel einen Blick auf die Welt. Bei Trilobiten waren die Kristalllinsen groß, um eine hohe Lichtausbeute zu gewährleisten.

Foto: Brigitte Schoenemann/Uni Bonn

Bonn - Trilobiten zählen aufgrund zahlloser Fossilienfunde zu den bekanntesten Tiergruppen des Erdaltertums. Die mit keiner heute lebenden Gruppe unmittelbar verwandten Gliederfüßer existierten vom Kambrium bis zum Massenaussterben vor 251 Millionen Jahren in den Weltmeeren. Die einige Zentimeter großen Tiere lebten mit einem schützenden, kalkverstärkten Chitinpanzer versehen am Meeresgrund und ernährten sich dort vermutlich von Pflanzenresten, Aas und organischen Stoffen im Schlamm. 

Deutsche Forscher haben sich nun näher mit dem Gesichtssinn der Trilobiten beschäftigt. Und der war vergleichsweise modern, wie die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn berichtet. Brigitte Schoenemann vom Steinmann-Institut der Uni Bonn stellte ihre diesbezüglichen Forschungsergebnisse zusammen mit Euan N.K. Clarkson von der Universität Edinburg in "Nature Scientific Reports" vor.

Verblüffend gut erhaltene Augen

Während ihres sehr langen Daseins sah diese erfolgreiche Tiergruppe verschiedene Arten von Meeresräubern kommen und wieder gehen. "Die Trilobiten waren eine nahrhafte Mahlzeit, weil sie viel Protein enthielten", sagt Brigitte Schoenemann. Um diesem Schicksal zu entgehen, rollten sich die Trilobiten bei einem Angriff blitzschnell zusammen und entzogen sich ihren Häschern.

"Damit die Trilobiten auf diese Weise rechtzeitig flüchten konnten, mussten sie ihre Fressfeinde im dämmrigen Licht am Meeresgrund rechtzeitig erkennen", sagt Schoenemann. Bei der Untersuchung, wie die Augen der Trilobiten genau funktionierten, machte die Forscherin die Entdeckung, dass in rund 400 Millionen Jahre alten Trilobiten-Fossilien aus Deutschland und Marokko sogar die Feinstrukturen in den Facettenaugen außerordentlich gut erhalten waren. Computertomografische Aufnahmen zeigten, dass nicht nur die Linsen, sondern sogar die Sinneszellen und Zellen mit anderen Funktionen in den Facettenaugen der fossilisierten Trilobiten deutlich zu erkennen waren.

Noch höher aufgelöste Bilder aus der Europäischen Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble ergaben einmalige Einblicke in die sensorischen Strukturen der Augen. Selbst der Sehnerv, der die Signale zum Gehirn leitet, ist in einer Versteinerung deutlich zu erkennen. "Erstmals konnten wir damit ein sensorisches System, ein Sinnesorgan, darstellen, das rund 400 Millionen Jahre alt ist", sagt Schoenemann. Die Linsen bestanden bei den Trilobiten aus Kalzitkristallen, darunter befanden sich die Sinneszellen. An die Sinneszellen wiederum waren Strukturen gekoppelt, wie sie beim heute noch lebenden Pfeilschwanzkrebs zur Vorverarbeitung von Informationen dienen. 

Wenig Licht, wenig Schärfe

"Die Facettenaugen dieser Urtiere waren bereits erstaunlich modern", fasst Schoenemann die Analyseergebnisse zusammen. Ihr Bauprinzip ist bis heute etwa in den Augen von Insekten und vielen Krebsen erhalten. Ein wichtiger Unterschied zu vielen heutigen Gliederfüßern liegt in der Zahl an Facetten: Die war bei den meisten Trilobiten vergleichsweise gering.

Schoenemann sieht darin eine Anpassung an die schlechten Lichtverhältnisse auf dem Meeresgrund. Ausreichendes Lichtangebot ermöglicht, viele Linsen auf den Augen zu platzieren, was eine hohe Auflösung ermöglicht. Bei wenig Licht sind hingegen große Linsen gefragt, um möglichst viel Licht für die Sinneszellen einzufangen - dafür mussten sich die Trilobiten mit einem unscharfen Bild von ihrer Umgebung begnügen. (red, derStandard.at, 22. 3. 2013)