Der indische Yogi Prahlad Jani (83) kommt eigenen Angaben zufolge seit Jahrzehnten ohne Nahrung und Flüssigkeit aus.

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Manche Menschen können sich ausschließlich von Licht ernähren und sind nicht auf Essen und Trinken angewiesen - das ist die Kernaussage des umstrittenen Dokumentarfilms "Am Anfang war das Licht" aus dem Jahr 2010, der vergangene Woche wegen seiner Ausstrahlung im ORF-Hauptabendprogramm für heftige Entrüstung im Internet und bei einem Teil der 473.000 Zuseher sorgte.

Göttliche Erscheinung

Im Film wird etwa der indische Yogi Prahlad Jani (83) porträtiert, der angibt seit einer göttlichen Eingebung im Alter von acht (laut Film-Pressetext) beziehungsweise elf (laut einem Untersuchungsbericht) Jahren nichts mehr gegessen, getrunken oder ausgeschieden zu haben. Drei Engel hätten ihm gesagt, dass er fortan keine feste oder flüssige Nahrung mehr zu sich nehmen müsse. - Gesagt, getan.

Nach langen Jahren der Meditation in einer Höhle im Regenwald unterzog sich Jani einer zehntägigen Untersuchung in einer indischen Privatklinik. Obwohl er jeden Tag gewogen wurde, gibt es im offiziellen, sieben Seiten knappen Untersuchungsbericht keine einzige Gewichtsangabe. Skeptiker Ulrich Berger, der sich mit dem Film so intensiv auseinander gesetzt hat wie sonst wohl nur der Regisseur und Ö3-Filmkritiker Peter-Arthur Straubinger selbst, verweist aber in einem Blogeintrag auf eine Powerpointpräsentation des Untersuchungsleiters Sudhir Shah, aus der hevorgeht, dass der Guru in den zehn Tagen von 42 auf 38 Kilogramm abmagerte - ein Verlust von fast zehn Prozent seines ohnehin extrem niedrigen Körpergewichts.

Im Gegensatz zum Gewicht scheinen die Veränderungen des Harnblasenvolumens, die zweimal täglich mittels Ultraschall gemessen wurden, im offiziellen Bericht auf. Während das Volumen in den ersten Tagen deutlich nach oben und unten schwankt, fällt es am siebenten Tag auf 7,2 Kubikzentimter ab, was de facto einer leeren Blase entspricht. Wichtiges Detail: An jenem Tag nahm Prani ein Vollbad; der Schluss liegt nahe, dass er die Blase auf natürlichem Weg ins Badewasser entleert hat. Diese Möglichkeit schließt auch Regisseur Straubinger nicht explizit aus, schreibt aber: "Für die ersten sieben Tage kann das definitiv ausgeschlossen werden, da er nicht baden durfte." Für die Tage danach veröffentlichte Straubinger keine Messwerte der Blasenfüllung mehr, im Untersuchungsbericht fehlen diese Angaben gleich völlig.

Auch verschweigt der Film, dass der Untersuchungsleiter Sudhir Shah Vorstand der Jainistischen Ärztegemeinschaft ist, die Nahrungslosigkeit als Ideal ansieht. Zudem lassen einige der verwendeten Formulierungen vermuten, dass die Klinik nicht ganz unvoreingenommen an die Untersuchung herangegangen ist - etwa wenn in offiziellen Texten geschrieben wird, dass man eine "neue naturwissenschaftliche Dimension eröffnen" wolle, indem man dieses "wundervolle Phänomen" untersucht.

Gescheiterte Versuche

Nicht nur der Yogi Jani, auch der Schweizer Lichtnahrungs-Anhänger Michael Werner unterzog sich für den Film einer wissenschaftlichen Untersuchung, bei der er sich zehn Tage lang nur von Wasser und ungesüßtem Tee ernährte. Dabei verlor er 2,6 Kilogramm; die Berner Studienleiter kamen zum ernüchternden Schluss, dass es sich um einen normalen "Fastenzustand" handelt wie er nicht anders zu erwarten war. Für Straubinger ist der Gewichtsverlust von einem Viertelkilo täglich allerdings "wenig spektakulär und ändert nichts am Gesamtergebnis".

Auch dass die im Film porträtierte australische Esoterikerin Jasmuheen ihren Versuch, tagelang ohne Essen und Trinken auszukommen, wegen Dehydrierung abbrechen musste, erwähnt Straubinger nicht; wegen fehlender Lizenzrechte hätte er das TV-Experiment nicht zeigen dürfen, begründet er im Nachhinein die Auslassung. Jeder könne es selbst nachsehen, indem er nur drei Minuten bei Google sucht, argumentiert Straubinger. Im Film ist von dem gescheiterten Versuch freilich kein Wort zu hören.

Was sagt die Schulmedizin?

"Nach all dem was wir Mediziner wissen, ist es nicht möglich nur von Licht zu leben. Was mich aber stört und was ich nicht verstehe ist, dass manche Leute nicht zulassen, dass es Dinge gibt, die wir noch nicht erklären können", sagt Anton Luger, Leiter der Klinischen Abteilung  für Endokrinologie und Stoffwechsel am AKH Wien, der ebenfalls im Film vorkommt. Das gerade wieder aufgeflammte "Gegackere von selbsternannten Hütern der Wissenschaft" fände er abstoßend und höchst unwissenschaftlich.

Nur wenn man ungewohnte und unerklärbare Phänomene zulässt, kann sich Wissenschaft weiterentwickeln, so Luger. Gerade in der Medizin würde man dauernd Dinge sehen, die es nicht geben darf: Krebskrankungen, die völlig unerwartet verlaufen und an ein Wunder grenzen. "Wir wissen viel mehr nicht als wir wissen. Nur sehr einfach gestrickte Menschen glauben, dass man alles erklären kann", sagt Luger.

Dem indischen Sonnenmeditationslehrer Hira Ratan Manek, der laut eigenen Angaben seit 1995 fast ausschließlich von Sonnenlicht und Wasser lebt und sich für den Film einen halben Tag am Wiener AKH untersuchen ließ, glaubt Luger allerdings "gar nichts": "Ich würde ausschließen, dass er sich ernsthaft von Lichtnahrung ernährt. Wir haben ein paar Untersuchungen gemacht, aber bewiesen wurde nichts. Er hat auch anständige Fettspeicher gehabt, was mit seiner Geschichte nur schwer in Einklang zu bringen ist." Für eine ernsthafte Untersuchung unter ständiger Beobachtung in Wien hätte man nicht die Mittel gehabt, eine solche würde sechsstellige Euro-Beträge kosten, ergänzt der Stoffwechselexperte.

"Ich möchte jedoch die Möglichkeit zulassen, dass Energie anders als über den Mund aufgenommen werden kann - auch wenn ich gelernt habe, dass so etwas nicht sein kann. Für mich ist der Film aus dem Grund interessant, weil er die Möglichkeit eröffnet, dass man dieses Phänomen vielleicht einmal erklären kann", so Luger. Er würde allerdings nie jemandem empfehlen, auch nur zwei Tage lang nichts zu trinken: "Klar ist, dass das nicht für alle geht."

"Bewusste Auslassungen"

Immer wieder führt Straubinger das Argument an, dass im Film auch etliche Skeptiker zu Wort kommen würden. Ulrich Berger, Vorstand der "Gesellschaft für Kritisches Denken", meint jedoch: "Die Kritiker im Film sagen bloß sehr Allgemeines - etwa, dass es keine Studien gibt und sie sich das nicht vorstellen können. Die Kritik geht aber nicht spezifisch auf die Behauptungen ein." Dabei gebe es berechtigte Einwände, die allerdings ausgeblendet und weggelassen würden: "Meiner Meinung nach ganz bewusst, um die Message zu transportieren, dass Lichtnahrung funktioniert und belegt sei."

Eine Verknüpfung mit Themen wie Biophotonenmessung, Quantenphysik und Bewusstseinsforschung gebe dem Film laut Berger den Anschein von Wissenschaftlichkeit, die aber nicht da ist: So auch die Methode der Kirlianfotografie, mit der in der Esoterikszene die "menschliche Aura" visualisiert wird, die aber in der Wissenschaft keine Rolle spielt und als "nutzlose Spielerei" (Berger) qualifiziert wird. "Das alles sind Hintergründe, die man nicht weiß, wenn man den Film einfach so schaut. Der Zuseher sieht nur einen Arzt im weißen Kittel und muss glauben was der von sich gibt", so Berger.

Handverlesene Grenzwissenschafter

Auch die Auswahl der "Experten" ist laut Berger bedenklich: "Vor allem in der zweiten Hälfte des Films kommen nur noch handverlesene Grenzwissenschaftler vor, die in der Esoterikszene einschlägig bekannt sind." Etwa der indisch-amerikanischen Quantenphysiker Amit Goswami, der "fachlich völlig unbekannt und schon lange kein aktiver Wissenschaftler mehr ist". Auch Biophotonen-Experte Fritz-Albert Popp ("Wir leben nicht von Substanzen, sondern von Informationen. Wesentlich ist nicht die Verbrennung, sondern die Lichtspeicherung. Der Mensch ist ein Lichtorganismus.") oder der als "Bewusstseinsforscher" titulierte Parapsychologe Dean Radin könnten mit ihrer (streitbaren) Expertise nichts zum Phänomen Lichtnahrung beitragen, so Berger.

Straubinger hätte auf der ganzen Welt nach Fürsprechern gesucht, kritisiert Berger: "Es stellt sich schon die Frage, warum man nicht etwa Anton Zeilinger interviewt, wenn man glaubt dass die Quantenphysik etwas zum Thema beitragen kann. Wir haben eine Reihe von exzellenten Quantenphysikern in Wien, die alle natürlich nicht gefragt wurden - wohl aus gutem Grund."

"Nach der umfassenden Recherche und dem vielen Material, das ich im Laufe von zehn Jahren gesammelt habe, hätte es in Wirklichkeit massiver Manipulation bedurft, die Möglichkeit der Existenz von Lichtnahrung kategorisch auszuschließen. Deshalb musste ich die Antwort offen halten", entgegnet Regisseur Straubinger wiederum in einer Replik auf die medialen Vorwürfe.

Kein Platz für Kritik?

In der anschließenden ORF-Diskussionsrunde nach Ausstrahlung der Doku argumentiert der Regisseur weiter, dass er viel wegschneiden musste, weil der Film sonst zu lang geraten wäre. "Das halte ich für eine Schutzbehauptung, denn natürlich hätte er Kritik unterbringen können, wenn er nur gewollt hätte. Inhaltlich gibt es genug Redundantes, das man weglassen hätte können", sagt Berger.

Von Berger nicht angesprochen, aber zumindest irritierend sind auch einige andere Szenen: An einer Stelle etwa wird argumentiert, das Rhesusaffen gesünder und um 25 Prozent länger leben, wenn sie eine "Calorie Restriction"-Diät machen. Danach driftet der Film kurz in Konsumkritik ab und zeigt besonders unappetitliche Fast-Food-Szenen.

Wenn im abschließenden Epilog, untermalt von mystischer Musik und Weltraumbildern, dann Sätze fallen wie "Der Verstand ist mit dem gesamten Universum verbunden" oder "Die Welt ist eine Konstruktion des menschlichen Bewusstseins" hat sich die Doku endgültig von jedem (pseudo)-wissenschaftlichen Anspruch verabschiedet.

Der indische Untersuchungsleiter Sudhir Shah erklärt noch einmal, dass ihn der einzelne Fall des Prahad Jani gar nicht so sehr interessiert, sondern das größere Ganze - die Kraft dahinter. Diese würde nämlich die Welt verändern, da sei er sich sicher.

Wie sagt schon Ernährungsdozenin Ingrid Kiefer, eine der wenigen kritischen Stimmen im Film? "Der Glaube versetzt Berge". Dass man davon allein aber nicht leben kann, beweisen mindestens vier Personen, die infolge der Lichtnahrungs-Nulldiät starben. (Florian Bayer, derStandard.at, 15.3.2013)