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Die Führungsriege der argentinischen Militärdikatur auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1976. In der Bildmitte Junta-Chef Jorge Rafael Videla. Im Dezember 2010 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt.

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Jorge Bergoglio (2. v. li.) mit seiner Familie.

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Der neue Papst fährt 2008 U-Bahn. Seine Bescheidenheit wird immer wieder als einer seiner Vorzüge gepriesen. Über seine Rolle während der Militärdiktatur ist er weniger offen.

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Jorge Bergoglio, seit Mittwochabend besser bekannt als Papst Franziskus, steht wegen seiner Rolle während der argentinischen Militärdiktatur im Kreuzfeuer der Kritik. Das ultranationalistische Regime unter Jorge Rafael Videla herrschte von 1976 bis 1983 und ging gegen seine politischen Gegner mit ausgewiesener Grausamkeit vor. Bis zu 30.000 Menschen verschwanden, wurden gefoltert oder ermordet. In Haft geborene Kinder der Regimegegner wurden zum Teil gegen Geld zur Adoption freigegeben. Der Kampf gegen die linke Guerilla ging als "schmutziger Krieg" in die Geschichtsbücher ein.

Bergoglio, der mittlerweile als Nachfolger von Benedikt XVI. als Oberhaupt der katholischen Kirche feststeht, war während der Zeit der Militärdiktatur Provinzial des argentinischen Jesuitenordens. Ihm wird vorgeworfen, genauso wie die katholische Elite im Land, Videlas Regime öffentlich unterstützt zu haben.

Entschuldigung 2012

Lange Zeit hat die Kirche zu ihrer Rolle während dieser Zeit geschwiegen. Im Dezember des Vorjahres haben die katholischen Bischöfe Argentiniens eine Entschuldigung veröffentlicht. "Wir teilen den Schmerz aller und bitten erneut jeden um Vergebung, den wir enttäuscht oder nicht in dem von uns erwarteten Ausmaß unterstützt haben", war in der Stellungnahme der Bischöfe zu lesen.

Verschwundene Jesuitenpriester

Gegen Bergoglio gibt es aber nicht nur die allgemeine Kritik, er habe als Kirchenvertreter zu dem Vorgehen der Militärdiktatur geschwiegen. Es liegen konkrete Vorwürfe vor: Im Jahr 2005 hat ihn der Menschenrechtsanwalt Marcelo Perrilli wegen seiner Rolle beim Verschwinden von zwei Jesuitenpriestern zu Beginn der Diktatur angeklagt. Die Priester Francisco Jalics und Orlando Yorio wurden 1976 von der Militärjunta entführt. Fünf Monate später fand man die beiden halb nackt und betäubt auf einem Feld.

Bergoglios Mitverantwortung

Die beiden Priester machten nach ihrer Freilassung Bergoglio für ihre Entführung mitverantwortlich. Sie hatten zuvor in den Slums von Buenos Aires Thesen der Befreiungstheologie gepredigt. Bergoglios damalige Weigerung, sich hinter die Arbeit der beiden Priester zu stellen, sei einer Auslieferung an die Todesschwadronen der Diktatur gleichgekommen, sagte Jalics in einer Aussage nach seiner Befreiung.

Bergoglio erzählte seinem Biografen Sergio Rubio, er habe sich hinter den Kulissen massiv für eine Freilassung der beiden Priester eingesetzt. So habe er den privaten Seelsorger des Junta-Chefs Videla überzeugt, sich krank zu melden, damit Bergoglio selbst die Messe in Videlas Haus lesen konnte. Bei dieser Gelegenheit habe er versucht, die Freilassung der Priester zu erreichen.

Kinder von Gefangenen zur Adoption freigegeben

Ein weiterer Vorwurf betrifft die fehlende Unterstützung der Familie De La Cuadra im Jahr 1977. Als fünf Familienmitglieder - darunter eine schwangere junge Frau - von Junta-Schergen entführt wurden, bat die Familie die Jesuiten in Rom um Unterstützung im Kampf um deren Freilassung. Bergoglio, damals oberster Vertreter der Jesuiten in Argentinien, sollte sich um dieses Ansinnen kümmern. Dieser wiederum beauftrage einen seiner Untergebenen mit dem Fall. Monate später kam der Beauftragte mit einer Notiz eines Obersts zurück: Die junge Frau habe in Gefangenschaft ein Mädchen geboren, das von einer "zu wichtigen" Familie adoptiert worden sei, um die Adoption rückgängig zu machen.

Habe nichts gewusst

Trotz des schriftlichen Beweises der persönlichen Verwicklung in den Fall sagte Bergoglio im Jahr 2010 vor Gericht aus, er habe von der Praxis der Diktatur, Kinder der politischen Gefangenen zu stehlen und zur Adoption freizugeben, nichts gewusst. Erst nach dem Ende der Militärjunta habe er davon erfahren. (mka, derStandard.at, 14.3.2013)