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Die Sportler-Pension wartet. Oder auch nicht.

Foto: AP/Robertson

Köln - Wer Kelly Slater, den erfolgreichsten Surfer aller Zeiten, besser verstehen möchte, muss ihn im Wettkampf erleben. Der wohl berühmteste Satz über den Mann, er habe einen Vertrag mit dem Meer, verdeutlicht, wie schwer sein Talent zu ergründen ist. Der Satz klingt wie ein Mythos, er überhöht die komplexe Symbiose vom athletischen Können und der intuitiven Einschätzung der Brandung. Und ja, er erhebt Slater zur lebenden Legende.

Die Aussage, der Amerikaner bekäme die besten Wellen vom Ozean gleichsam als Geschenk geschickt, zeugt von Bewunderung für seine unvergleichliche Intuition. Im Unterschied zu den meisten Sportarten bietet das Meer keine genormten Bedingungen - wie etwa die exakte Größe eines Tennisplatzes. Instinktives Vorhersehen der anrollenden Wellenberge wird zum entscheidenden Faktor.

Der Instinkt sei zuerst da, er versuche immer, auf sein Gefühl zu hören, sagt Kelly Slater. "Wenn man so viel Zeit seines Lebens im Wasser verbringt, dann beginnt man das Meer zu verstehen. Man versteht, wo der richtige Ort ist, um eine Welle zu bekommen", erklärte der 41-Jährige kürzlich im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

"Eine Kelly-Nummer"

Am Mittwoch hat Slater den ersten Weltcup der Saison im australischen Kirra (Queensland) eindrucksvoll gewonnen. Im Finale des Quiksilver Pro Gold Coast besiegte er den Lokalmatador und amtierenden Weltmeister, Joel Parkinson (31). Tausende Zuschauer am Strand wurden bereits im Halbfinale Zeugen des Phänomens Slater.

Der Australier Mick Fanning führte komfortabel bis kurz vor Schluss - dann wendete sich das Blatt. Vier Minuten vor dem Ende gelang dem Altmeister ein langer "Tuberide", der Ritt im Inneren einer hohlen Welle. Die Juroren zückten die selten vergebene Höchstnote 10. Es war eine perfekte Welle. "Es ist hart, auf diese Weise auszuscheiden, aber meine Enttäuschung hält sich in Grenzen. Er hat einfach seine Kelly-Nummer abgezogen und diese unglaubliche 10 bekommen", sagte Fanning.

Wie man leben soll

Slater hat irische und syrische Vorfahren, er absolviert intensive Fitnessprogramme, ernährt sich extrem gesund, raucht und trinkt nicht. 1998 begründete er seinen Ausstieg aus der Welttour mit fehlender Motivation nach fünf Titeln in Folge. Durch die Krebserkrankung seines Vaters verschob er sein Comeback, um erst 2003 auf die Bühne des professionellen Surfens zurückzukehren. Es war das Jahr seiner größten Niederlage: Am Ende der Weltcupserie, beim letzten Wettkampf auf Hawaii, gab er den Titel aus den Händen.

Unvergesslich bleibt sein erschütterter Gesichtsausdruck, als er seinem größten Konkurrenten die Trophäe überlassen musste - dem 2011 verstorbenen Hawaiianer Andy Irons. Diesen Zweikampf mit seinem einzigen ebenbürtigen Gegner empfand er zeitweise als Demütigung, daraus zog er seinen Ehrgeiz für die folgenden Jahre.

Heutzutage wirkt Slater deutlich gelassener, verglichen mit der Verbissenheit vergangener Jahre, die ihn laut eigener Aussage "fast zerstört" hätte. Er setzt sich für den Schutz des Ozeans und dessen sensibler Riffe ein, seine Prioritäten verschieben sich mit der Zeit. Die Beobachter bemühten in der Vergangenheit viele Bilder, um sein Talent zu beschreiben, verglichen wurde er sogar mit den größten Sportlern von Michael Jordan bis Muhammad Ali. Letztes Jahr bezeichnete das Magazin Sports Illustrated Slater als den wahrscheinlich dominantesten Athleten, den es je gegeben hat.

Der Kommentator des Weltcups brachte es am Mittwoch auf den Punkt: "Jeder auf der Tour sollte beunruhigt sein." Denn der gleichzeitig jüngste und älteste Weltmeister der Surf-Geschichte kämpft auf der "Dreamtour" wieder um die Krone. Es wäre sein zwölfter Titel. (sid/red, 14.3.2013)