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Für 60 Prozent der internationalen Frachtschiffe geht am Kiel-Canal nichts mehr.

Foto: ap/Heribert Proepper

Unter Deutschlands Politiker sieht man derzeit viele ratlose Gesichter. Eine Pannenserie reiht sich an die andere. Erst Stuttgart 21, dann der neue Hauptstadtflughafen BER und jetzt der drohende Kollaps des Nord-Ostsee-Kanals, international bekannt als Kiel-Canal.

Nach Anzahl der Schiffe gerechnet ist diese Bundeswasserstraße die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt. 2012 nahmen rund 35.000 Ocean Carrier mit mehr als 104 Millionen Tonnen Fracht diesen Weg, der bereits 1895 unter Kaiser Wilhelm II. seinen Betrieb aufnahm. Die Krux dabei: Seit dem ersten Ausbau in den Jahren 1907 bis 1914 arbeiten die Schleusenkammern immer noch überwiegend mit der Originaltechnik.

500 Kilometer langer Umweg

Am vergangenen Donnerstag hieß es nun "Aus" für große Containerschiffe. Trotz Dauer-Sanierung mussten drei der vier Schleusenkammern dicht machen. Voraussichtlich für 14 Tage sind Schiffe, die länger als 125 Meter sind, gezwungen, einen knapp 500 Kilometer langen Umweg über den Skagerrak um Dänemarks Nordspitze herum zu nehmen. Das betrifft 60 Prozent der internationalen Schifffahrt. Besonders in Mitleidenschaft gezogen ist auch der Hamburger Hafen. Ein Drittel der Waren, die hier umgeschlagen werden, haben einen Bezug zur Ostsee. Ein Großteil der für Übersee bestimmten Waren bleibt derzeit liegen. Der Schaden geht bereits in die Millionenhöhe, bei einem längeren Ausfall der Schleusen könnten tausende Arbeitsplätze bedroht sein.

In der Landesregierung Kiel schlagen die Wogen hoch. Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) richtet scharfe Worte Richtung Berlin: "Ich fordere den Bundesverkehrsminister auf, endlich seine zögerliche Haltung mit Blick auf die Sanierung der Schleusen und des gesamten Kanals aufzugeben und zu handeln."

Doch wie häufig der Fall, geht alles nicht so schnell, wie ursprünglich geplant. Auch bei den Kosten wurde noch aufgeschlagen. So muss der Bund 590 Millionen Euro für die auf zweieinhalb Jahre anberaumte Sanierung aufbringen, 375 Millionen – statt der veranschlagten 300 Millionen – Euro wird der Neubau der fünften Schleusenkammer verschlingen. Im April 2012, also kurz vor der Landtagswahl im Mai, hatte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) mit dem Spatenstich das Startsignal zum Baubeginn gegeben. Der wurde inzwischen aufs Frühjahr 2014 verschoben und soll sieben Jahre lang dauern. Ansonsten ist seither nicht viel geschehen.

Diese Kritik wird sich wohl auch Kanzlerin Angela Merkel ein Jahr nach dem offiziellen Projektbeginn gefallen lassen müssen: Am 8. April reist sie zur Nationalen Maritimen Konferez nach Kiel. (ch, derStandard.at, 14.3.2013)